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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gehirn

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Gehirn (Anatomisches).

14-27 mm tiefe Thäler äußerlich voneinander gesondert werden und die Oberfläche des Gehirns etwa acht bis zehnmal größer machen, als sie ohne dieselben sein würde. Eine besonders tiefe. Falte, die Sylviussche Grube (fossa Sylvii, Fig. 4), auf der untern Fläche (Basis) des Großhirns scheidet es in zwei Lappen, den vordern und mittlern; letzterer geht ohne scharfe Grenze in den hintern (Fig. 3) über. Die schon erwähnten Höhlungen der Hemisphären, die sogen. Seitenventrikel (ventriculi cerebri, Fig. 2), sind sehr eng und niedrig, enthalten etwas wässerige Flüssigkeit und haben zwischen sich eine Scheidewand, deren hinterer Teil Gewölbe (fornix, Fig. 1 u. 2) heißt, an der Basis des Gehirns von den Markhügeln (corpora candicantia, Fig. 1 u. 4) ausgeht und durch eine kleine Öffnung, das sogen. Monrosche Loch (foramen Monroi), die Seitenventrikel mit der dritten Hirnhöhle (s. unten) kommunizieren läßt. Jeder Ventrikel hat drei Ausläufer (Hörner), die sich weit in die Lappen des Großhirns erstrecken, und deren Wandungen zum Teil besondere Namen (Ammonshorn, Seepferdefuß etc.) erhalten haben. Da Großhirn besteht in seiner ganzen Masse aus einer etwa 5 mm dicken Rindenschicht (Hirnrinde) von grauer Farbe und großem Reichtum an Ganglienzellen und der darunter gelegenen weißen, aus Nervenfasern, die in allen möglichen Richtungen verlaufen, zusammengesetzten Markschicht. Die graue Rinde macht etwa 40 Proz. des Gesamtvolumens des Großhirns aus; die Anzahl der Ganglienzellen schätzt man auf Milliarden, sie sind hier dichter angehäuft als an irgend einer andern Stelle des Nervensystems. Das Zwischenhirn ist sehr unbedeutend; seine Höhle, der sogen. dritte Ventrikel, verlängert sich nach der Basis des Gehirns zu in einen kleinen geschlossenen Trichter (Fig. 2), an dem ein solider Körper, der sogen. Hirnanhang (hypophysis cerebri, auch Schleimdrüse, glandula pituitaria, genannt, Fig. 1; s. ferner Tafel "Nerven I", Fig. 1), sitzt. Dieser, von der Größe einer kleinen Kirsche, geht beim Embryo zum größten Teil aus einem sich abschnürenden Stück der Rachenschleimhaut hervor und ist beim Erwachsenen ohne jede Bedeutung. Ähnlich verhält es sich mit der Zirbeldrüse (glandula pinealis oder epiphysis cerebri), in der man wohl den Sitz der Seele gesucht hat. Auch sie ist ein Rest einer während der Entwickelung im Ei auftretenden Bildung, nämlich ein Stück des Kanals, durch welchen das Gehirn zu jener Zeit mit der Außenfläche des Kopfes in Verbindung steht. Beim Erwachsenen hat sie die Größe einer Kirsche und enthält in ihrem Innern den Hirnsand, d. h. Kalkkörperchen. Den Hauptteil des Zwischenhirns bilden die Sehhügel (thalami nervi optici, von denen ein Teil der Fasern des Sehnervs herkommt. Die Höhle des Mittelhirns ist ein sehr enges Rohr: die sogen. Sylviussche Wasserleitung (aquaeductus Sylvii), und kommuniziert vorn mit dem dritten Ventrikel, hinten mit der Höhle des Hinterhirns. Am Mittelhirn selbst sind die Vierhügel (corpora quadrigemina) bemerkenswert. Das Hinterhirn oder kleine G. (cerebellum) zerfällt gleich dem großen G. in zwei Hemisphären (Fig. 4) und einen sie verbindenden mittlern Teil (Wurm, vermis). Die hier nur etwa 3 mm dicke Rindenschicht, in ihrem Bau ähnlich derjenigen des Großhirns, ist in regelmäßige Falten gelegt, so daß ein senkrechter Schnitt durch das Kleinhirn eine eigentümliche baumförmige Zeichnung zu Tage treten läßt (Lebensbaum, arbor vitae, Fig. 1), Die im Kleinhirn befindliche Höhle bildet zusammen mit der im verlängerten Mark den sogen. vierten Ventrikel. Das Nachhirn oder verlängerte Mark (medulla oblongata, Fig. 4) geht nach hinten unmittelbar in das Rückenmark über und ist demselben in der Verteilung der sogen. weißen und grauen Substanz gleich (s. Rückenmark). Man unterscheidet an ihm mehrere Teile, von denen die Varolsbrücke (Brücke, pons Varoli, Fig. 1 u. 4) einer der wichtigsten ist, indem sie die Verbindung des verlängerten Markes mit dem übrigen G. bewerkstelligt.

Das G. ist gleich dem Rückenmark in einen häutigen Sack eingeschlossen, welcher aus drei Schichten oder Gehirnhäuten (meninges) besteht. Die äußerste oder harte Hirnhaut (dura mater, Fig. 2) ist stark, sehnig, außen mit dem Schädelknochen verwachsen, innen glatt und feucht. An einzelnen Stellen spaltet sie sich in zwei Blätter, in deren Zwischenraum (Blutleiter, sinus durae matris, Fig. 1 u. 2, und Tafel "Nerven I", Fig. 1) je eine Vene verläuft. In die Masse des Hirns hinein gehen von der harten Hirnhaut aus mehrere Fortsätze, welche die einzelnen Teile desselben in ihrer Lage erhalten helfen und zugleich den großen Venen ihre Bahn anweisen. Es sind dies die große und kleine Hirnsichel (falx cerebri und f. cerebelli, Fig. 2) sowie das Hirnzelt (tentorium cerebelli, Fig. 1). Die innerste der drei Hirnhäute, die weiche Hirnhaut oder Gefäßhaut (pia mater), ist zart, dünn, an Blutgefäßen außerordentlich reich; von ihr aus wird das G. ernährt, indem ihre feinen Blutgefäße allenthalben strahlenförmig in die Hirnmasse eindringen. Zwischen ihr und der harten Haut. liegt die sogen. Spinnwebenhaut (arachnoidea), eine zarte, durchsichtige Haut, welche das G. mäßig fest umschließt, aber nicht gleich der Gefäßhaut in die Hirnwindungen eindringt, sondern brückenartig über sie hinwegzieht. Die so zwischen diesen beiden Häuten bleibenden Räume sind mit Lymphe erfüllt. Dem G. wird das viele zu seiner Ernährung bestimmte Blut durch vier Gefäße zugeführt, nämlich durch ein Paar Gehirnschlagadern (carotis interna) und ein Paar Wirbelschlagadern (arteria vertebralis); das verbrauchte Blut sammelt sich aus den Hirnvenen in den beiden Querblutleitern und ergießt sich von da in die beiden innern Drosselvenen (vena jugularis interna).

Von der Hirnbasis gehen zwölf Paar Nerven, Gehirnnerven, ab und zwar in der Richtung von vorn nach hinten folgende (vgl. Fig. 4 und Tafel "Nerven I"): Erstes Paar, die Riechnerven (nervi olfactorii), stammen von dem ursprünglich hohlen sogen. Riechkolben des Vorderhirns, verlassen den Schädel durch die Löcher der Siebplatte des Riechbeins und verbreiten sich in der Schleimhaut der Nasenscheidewand (s. Nase). Zweites Paar, die Sehnerven (n. optici), deren Fasern aus dem Sehhügel und den Vierhügeln stammen, endigen in der Netzhaut des Augapfels. Sie bilden kurz nach ihrem Ursprung eine Kreuzung (s. Auge, S. 75). Drittes Paar, die Augenmuskelnerven (n. oculomotorii), kreuzen sich gleichfalls noch innerhalb der Schädelhöhle und versorgen diejenigen Augenmuskeln, welche nicht vom vierten und sechsten Nervenpaar innerviert werden; dienen auch zur Verengerung der Pupille. Viertes Paar, die Rollmuskelnerven (n. trochleares s. pathetici), entspringen aus den Vierhügeln und gehen zu dem schiefen obern Augenmuskel. Fünftes Paar, die dreigeteilten Nerven (n. trigemini), bestehen aus einer vordern Wurzel, welche aus der Brücke stammt, und aus einer hintern Wurzel, welche aus dem verlängerten Mark hervorgeht. Sie besitzen