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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Gelenkneurose - Gelenkwunden.

lenks mit spitzem Messer, ist die Entfernung der G. möglich. Sind die G. herausgedrückt worden, so ist die Wunde zu schließen und einer Entzündung durch Karbolverband und Kälte vorzubeugen. Vgl. auch Gelenkentzündung.

Gelenkneurose (Gelenkneuralgie, Arthroneuralgia), eine Krankheit, welche als lebhafte Schmerzhaftigkeit eines Gelenks (besonders des Hüft- und Kniegelenks) auftritt, ohne daß sich für diese Schmerzen eine anatomische Veränderung des Gelenks als Ursache nachweisen ließe. Die Krankheit findet sich hauptsächlich bei psychisch leicht erregbaren Individuen, vorwiegend bei blutarmen, nervösen Mädchen und Frauen, und entsteht häufig durch bedeutungslose äußere Verletzungen, welche lebhaften Schreck hervorrufen und dem Kranken die Vorstellung erregen, als habe er sich ein schweres Gelenkleiden zugezogen. Die Schmerzen sind außerordentlich heftig, bohrend und reißend, mit Krämpfen der benachbarten Muskeln, auffallender falscher Stellung des Gelenks und lähmungsartiger Schwäche in der betreffenden Extremität verbunden. Der Verlauf ist nicht vorherzusehen, in der Regel sehr langwierig, schließlich aber stets günstig. Die Behandlung besteht in kalten Douchen, Massage und Elektrizität, vor allem aber in Beruhigung der psychischen Erregbarkeit, Ablenkung der Gedanken auf erfreuliche Dinge und Erweckung des Selbstvertrauens.

Gelenkpfanne, s. Pfanne.

Gelenkquarz, s. Itakolumit.

Gelenkrheumatismus, s. Rheumatismus.

Gelenkschmiere (Synovia), eine von der Synovialhaut abgesonderte seröse Flüssigkeit, dazu bestimmt, die Gelenkenden schlüpfrig zu erhalten. Bei beständiger Ruhe wird eine große Menge G. angetroffen; dieselbe ist nur schwach gefärbt, wenig klebrig und verhältnismäßig arm an Mucin; nach starker Bewegung ist die Menge der G. nur gering, aber sie ist sehr zähflüssig und reich an Schleimstoff. 1000 Teile G. enthielten bei einem im Stall gemästeten (I) und einem auf die Weide getriebenen (II) Ochsen folgende Bestandteile:

I II

Wasser 969,9 948,5

Feste Stoffe 30,1 51,5

Mucin 2,4 5,6

Albumin und Extraktivstoffe 15,7 35,1

Fette 0,6 0,7

Mineralische Bestandteile 11,3 9,9

Gelenksteifigkeit (Ankylose) ist entweder vollständig oder unvollständig; bei ersterer ist die Unbeweglichkeit des Gelenks eine absolute, bei letzterer sind noch Bewegungen von geringem Umfang möglich. Die anatomischen Veränderungen, welche die G. bedingen, sind überaus mannigfaltig. Die G. besteht oft in einer Verwachsung der Gelenkflächen untereinander, welche im Gefolge einer Gelenkentzündung mit Zerstörung der Gelenkknorpel eintritt. Die Gelenkenden verwachsen bald durch knöcherne, bald durch fibröse Substanz miteinander und zwar entweder in der ganzen Ausdehnung der Gelenkfläche oder nur an einem Teil derselben. Viel häufiger liegt die Ursache der Unbeweglichkeit eines Gelenks nur in Veränderungen der Weichteile, welche die knöchernen Gelenkenden umgeben, ohne daß die Gelenkhöhle selbst verödet. Dann bezeichnet man den Zustand als falsche G. Bei vielen Gelenkleiden ist die Heilung nur durch Erzielen einer G. möglich, es ist deshalb bei der Heilung darauf zu achten, daß das betreffende Glied in einer passenden Lage erhalten werde, welche den spätern Gebrauch desselben einigermaßen ermöglicht. So muß der Unterkiefer in leichter Senkung, das Kniegelenk gestreckt, das Ellbogengelenk in leichter Beugung erhalten werden, damit das Bein zum Gehen tauglich sei und es möglich werde, die Hand zum Mund zu führen und dieselbe beim Schreiben zu gebrauchen. Was die Behandlung der G. anbetrifft, so ist es von der größten Wichtigkeit, ihr Zustandekommen soviel wie möglich zu verhüten, was man bis zu einem gewissen Grad in der Hand hat, solange noch der krankhafte Prozeß im Gang ist, welcher zur G. die Veranlassung gibt. Durch methodische passive Bewegungen, welche man mit dem kranken Gelenk vornimmt, ist bei unvollständiger G. oft Besserung zu erzielen; zuweilen kann auch die Amputation nötig werden. Zur allmählichen Streckung des steifen Gelenks hat man verschiedene mechanische Apparate angegeben. Neuerdings wird die sogen. gewaltsame Streckung mit gutem Erfolg angewendet, namentlich um die feste Winkelstellung im Kniegelenk zu beseitigen. Die gewaltsame Streckung muß in der Chloroformnarkose vorgenommen und dann sofort ein Gipsverband um das ganze Bein gelegt werden. Wenn das Bein durch dieses Verfahren auch nicht wieder im Knie beweglich wird, so bekommt es doch wieder die zum Gehen brauchbare Stellung. Knöcherne Verwachsungen der Gelenkflächen untereinander erheischen zu ihrer Heilung die Aussägung des verwachsenen Gelenks (an den obern Extremitäten) oder das Aussägen eines keilförmigen Knochenstücks aus dem gekrümmten Gelenk (Knie) und Geradstellung der Knochenenden gegeneinander, wodurch ebenfalls ein zwar steifes, aber zum Gehen brauchbares Bein erlangt wird.

Gelenksteine (Asterien), Versteinerungen, welche aus zusammenhängenden Stielgliedern der Enkriniten bestehen.

Gelenkverwachsung, s. Gelenksteifigkeit.

Gelenkwassersucht (Hydrops articuli chronicus, Hydarthrosis), s. Gelenkentzündung.

Gelenkwunden beanspruchen ein besonderes Interesse, weil bei der eigentümlichen Konstruktion der Gelenkhöhlen eine Verwundung derselben durch Einschleppung von Infektionsmaterial sehr häufig eine allgemeine Entzündung des Gelenks hervorruft, ferner weil durch eine Gelenkwunde die Funktionsfähigkeit des betreffenden Gliedes mehr oder minder aufgehoben wird. Die einzelnen Gelenke verhalten sich bei Verwundungen durchaus verschieden; so verheilt eine Verletzung des Ellbogengelenks meistens ohne Schwierigkeit, während eine solche am Kniegelenk sich fast regelmäßig mit Gelenkentzündung paart und der Heilung große Schwierigkeiten entgegensetzt. Die gefährlichsten G. sind die Schußverletzungen, weil durch Geschosse nicht allein die Weichteile der Gelenke, sondern auch noch die Knochen zerschmettert werden. Bei den meisten G. entleert sich nach der Verletzung eine Quantität Gelenkschmiere (s. d.), die Bewegungen im Gelenk sind außerdem sehr schmerzhaft oder bei Anfüllung der Gelenkhöhle mit Blut sogar aufgehoben, und aus diesen Symptomen wie aus der Lage der Wunde läßt sich eine Gelenkwunde meist ohne Schwierigkeit diagnostizieren. Die spezielle Behandlung einer Gelenkwunde ist in allen Fällen dem Arzt anheimzugeben. Von Anfang an muß die Wunde aufs strengste antiseptisch behandelt werden, da nur durch sorgfältiges Fernhalten und Vernichtung von Fäulniskeimen eine Entzündung des ganzen Gelenks verhütet werden kann. Wenn es gelingt, durch dreistes Ausspülen des Gelenks alle Entzündungserreger fern zu halten, so kann die Heilung von G. mit voller Be-^[folgende Seite]