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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gesicht

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Gesicht (Gesichtssinn: schematische Darstellung des Sehapparats).

ins Gelbliche, Bläuliche, Bleifarbene gehende, sind die Wirkungen besonderer Krankheiten. Oft treten in der Gesichtsbildung mehrerer Individuen gewisse Ähnlichkeiten hervor, so bei Familiengliedern (Familiengesicht). Außerdem zeigen nicht nur Volksstämme und ganze Völker, sondern selbst Menschenrassen bei aller individuellen Verschiedenheit der Gesichtszüge eine gewisse Übereinstimmung in denselben. Vgl. Gesichtslinien. - Bei den Insekten heißt G. der obere oder vordere Teil des Kopfes.

Gesicht (Gesichtssinn, Visus), das Vermögen, zu sehen, die Gesamtheit der Verrichtungen des Auges, vermöge deren wir uns in der Außenwelt mittels des Lichts zu orientieren vermögen. Der Gesichtssinn hat eine unendlich viel größere Tragweite als alle übrigen Sinne; während die Organe des Tast- und Geschmackssinnes (genau genommen auch die des Geruchssinnes) mit dem Objekt, zu dessen Wahrnehmung sie uns verhelfen sollen, in unmittelbare Berührung gebracht werden müssen, findet beim Gehör und G. nur eine mittelbare Wahrnehmung statt, indem beim Gehör die von dem tönenden Objekt ausgehenden Schallwellen, beim G. die von dem leuchtenden Objekt ausgehenden Lichtätherwellen sich zwischen das wahrzunehmende Objekt und das betreffende Sinnesorgan einschalten. Das Auge verdankt die Fähigkeit der Lichtempfindung dem Sehnerv. Die Endapparate der Sehnervenfasern, nämlich die Stäbchen und Zapfen der Netzhaut des Auges (s. Auge), haben die spezifische Eigenschaft, die Schwingungen des Lichtäthers in einen Nervenreiz umzusetzen. Objektives Licht, welches auf die Stäbchen und Zapfen der Netzhaut auffällt, versetzt die mit jenen zusammenhängenden Nervenfasern in einen Erregungszustand, welcher dem Zentralorgan der Empfindung zugeleitet wird und hier den subjektiven Eindruck einer Lichtempfindung veranlaßt. Zwar ruft ein jeder Erregungszustand der Sehnervenfasern subjektive Lichtempfindungen hervor, aber nur von den Endapparaten der Netzhaut aus können die Sehnervenfasern durch objektives Licht in den Erregungszustand versetzt werden. Für die Auffassung des Lichtreizes und für die Unterscheidung seiner Intensität (hell und dunkel) bedürfte das Auge (abgesehen von dem zentralen Sinnesapparat im Gehirn, dessen Erregungszustand für uns ebensoviel wie Lichtempfindung bedeutet) nur einer einzigen Nervenfaser, die mit einem die Lichtreizung vermittelnden Endorgan (mit einem Stäbchen) verbunden sein müßte. Bei absolutem Lichtmangel würde diese eine Sehnervenfaser gar nicht erregt werden, mit der Steigerung der Intensität des Lichts würden der Reizzustand und die Lichtempfindung an Stärke zunehmen. Auf dieser Entwickelungsstufe befindet sich das G. zahlreicher niederer Tiere, Würmer etc., deren sogen. Augenpunkte Pigmentablagerungen darstellen, welche einen lichtempfindenden Nerv umgeben. Da wir aber auch die Fähigkeit besitzen, die Farben, d. h. die verschiedenen Qualitäten des Lichts, als verschiedene Reize wahrzunehmen, so müssen spezifische Farbenempfindungsorgane vorhanden sein, welche nur durch Licht von bestimmter Wellenlänge erregbar sind. Als solche spezifische, der Wahrnehmung des farbigen Lichts dienende Endorgane des Sehnervs sind nach neuern Untersuchungen die Zapfen der Netzhaut anzusehen. Ihre gleichzeitige Erregung bringt den Eindruck des weißen Lichts, die Erregung jedes einzelnen den Eindruck farbigen Lichts hervor. Die in das Auge eintretenden Lichtstrahlen werden durch ein System verschieden brechender Medien (Hornhaut, wässerige Flüssigkeit, Linse, Glaskörper) so auf die Netzhaut projiziert, daß auf dieser ein verkleinertes, umgekehrtes, reelles Bild der gesehenen Gegenstände entsteht, und zwar ganz ähnlich wie in der Camera obscura. Da man nun den Gang der Lichtstrahlen in einem optischen System, dessen brechende Oberflächen und Brechungskoeffizienten bekannt sind, durch Berechnung der sogen. Kardinalpunkte genau bestimmen kann, so müßte man, um das Auge als optischen Apparat beurteilen zu können, den Gang der Strahlen durch diese vier Medien, welche durch vier sphärische Flächen, nämlich durch die beiden Seiten der Hornhaut und die beiden Grenzflächen der Linse, geschieden sind, berechnen. Da aber sowohl die Hauptpunkte als die Knotenpunkte im Auge sehr nahe bei einander liegen, kann man ohne nennenswerten Fehler die erstern wie die letztern in je einen Punkt zusammenziehen und die Wirkung des ganzen Systems durch ein brechendes Medium mit einer einzigen an Stelle der Hornhaut befindlichen brechenden Fläche darstellen. So läßt sich das komplizierte natürliche Auge in ein schematisches (Listings reduziertes Auge) umwandeln.

In Fig. 1 ist die brechende Kugelfläche des reduzierten Auges durch den punktierten Bogen ll zwischen den beiden Hauptpunkten h, h,, angedeutet; der Knotenpunkt x liegt zwischen den beiden wirklichen Knotenpunkten k, k,,; die Lage der Brennpunkte F, F,, hat keine Verschiebung erfahren. Soll nun der Ort des Bildes auf der Netzhaut für einen bestimmten Punkt des Objekts bestimmt werden, so genügt hierzu die Kenntnis der Lage des Knotenpunktes x vollständig. Man findet nämlich den Ort des Bildes, indem man von dem leuchtenden Punkt eine gerade Linie durch x bis zur Netzhaut zieht. Da, wo diese gerade Linie (z. B. G, G,,), welche man als Richtungslinie oder Sehstrahl bezeichnet, die Netzhaut trifft, liegt der Ort des Bildes.

Es ist viel darüber gestritten worden, wie es kommt, daß wir die Objekte aufrecht sehen, obschon ihre Netzhautbilder umgekehrt sind. Im Grunde genommen ist der Streit überflüssig, weil es sich dabei um eine falsche Fragestellung handelt. Wir müssen nämlich daran festhalten, daß nicht das Auge selbst das Bild sieht, welches in demselben entworfen wird, sondern daß sich der von dem leuchtenden Punkt hervorgebrachte Gesichtseindruck durch die Sehnervenfasern in das Gehirn fortpflanzt und hier erst auf eine uns freilich nicht erklärliche Weise zum Bewußtsein kommt. Das Gehirn aber versetzt stets die empfangenen Gesichtseindrücke nach den Gesetzen der Projektion, d. h. in

^[Abb.: Fig. 1. Listings reduziertes Auge.]