Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

234

Gesetzesfreude - Gesicht (Antlitz).

tische Interpretation) oder auch das Gewohnheitsrecht (Usualinterpretation) sein. Die authentische Interpretation hat rückwirkende Kraft, sofern nicht eine Sache bereits durch rechtskräftiges Urteil, Vergleich etc. abgethan ist. Übrigens entsteht durch jede Legalinterpretation ein neuer Rechtssatz, der nur zu einem frühern Gesetz in die Beziehung gestellt ist, daß er so behandelt werden soll, als wäre er schon durch dieses Gesetz gegeben. Es kann daher auch in konstitutionellen Staaten dem Regenten das Recht der einseitigen authentischen Interpretation der mit Zustimmung der Landstände erlassenen Gesetze nicht zugestanden werden. Dieselben Grundsätze wie für die G. gelten im allgemeinen auch für die Interpretation von Rechtsgeschäften, nur daß selbstverständlich diese Auslegung je nach der besondern Natur und Eigentümlichkeit der Rechtsgeschäfte auch ihre besondern Grundsätze hat. Auch hier ist eine authentische Auslegung seitens der Disponenten selbst möglich. Hiernächst tritt bei vorliegender schriftlicher oder mündlicher Willenserklärung die grammatische Interpretation ein. Auf der andern Seite aber ist zu berücksichtigen, daß die Worte nur dadurch Bedeutung haben, daß sie den Willen des Sprechenden enthalten. So bestimmt denn auch das deutsche Handelsgesetzbuch im Art. 278 ausdrücklich, daß der Richter bei Beurteilung der Handelsgeschäfte den Willen der Kontrahenten zu erforschen hat und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks haften soll. Vgl. außer den Lehrbüchern des Pandektenrechts: Lang, Beiträge zur Hermeneutik des römischen Rechts (Stuttg. 1857).

Gesetzesfreude (hebr. Szimchat thora), jüd. Fest, s. Laubhüttenfest.

Gesetzgebende Gewalt (legislative Gewalt), die Staatsgewalt, insofern sie auf dem Gebiet der Gesetzgebung in Thätigkeit tritt. Eine veraltete Theorie will die Staatsgewalt einer Dreiteilung unterziehen, indem zwischen gesetzgebender, richterlicher und Exekutivgewalt unterschieden und indem für die g. G. eine Teilung derselben zwischen dem Monarchen und der Volksvertretung in der konstitutionellen Monarchie angenommen werden soll. In Wirklichkeit handelt es sich jedoch dabei lediglich um verschiedene Zweige der Thätigkeit der Staatsregierung und um die Mitwirkung der Volksvertretung bei den wichtigern Regierungshandlungen, insbesondere bei der Gesetzgebung (s. Staat).

Gesetzgebender Körper (franz. Corps législatif) eine in Frankreich durch die Verfassung vom 15. Dez. 1799 (Konstitution vom Jahr VIII der Republik) eingerichtete Körperschaft von 300 Mitgliedern, welche, aus gewählten Kollegien vom Senat ausgesucht, ohne Diskussion die Gesetze zu votieren hatte, nachdem über dieselben drei Staatsräte und drei Tribunen gesprochen. Das Tribunat nämlich hatte über die Gesetzvorschläge zu diskutieren, durfte aber nicht über sie entscheiden, sondern nur seine Meinung dem Gesetzgebenden Körper vorlegen. Im zweiten Kaiserreich wurde durch die Verfassung vom 14. Jan. 1852 abermals neben einem von der Regierung ernannten Senat ein G. K. von 262 Mitgliedern eingesetzt, die durch das allgemeine gleiche Stimmrecht auf sechs Jahre erwählt wurden. An seine Stelle trat die Deputiertenkammer (Chambre des députés) der Republik. Übrigens wird der Ausdruck G. K. vielfach gleichbedeutend mit Volksvertretung (s. d.) gebraucht.

Gesetzgebung bezeichnet sowohl den Akt des Gesetzgebens als auch die Resultate dieser staatlichen Thätigkeit. So spricht man z. B. von der preußischen oder von der deutschen G. Ein besonderes Geschick in der Abfassung und in der Gestaltung der Gesetze wird als Gesetzgebungskunst bezeichnet (s. Gesetz). Über die G. des Deutschen Reichs s. Reichsgesetzgebung. ^[richtig: Reichsgesetze.]

Gesetzgebungsrecht, die Befugnis zum Erlaß allgemeiner Rechtsnormen für ein bestimmtes Staatsgebiet, welche in konstitutionellen Staaten durch die Staatsregierung unter Mitwirkung der Volksvertretung ausgeübt wird. Vgl. Gesetz, S. 232.

Gesetzliche Fehler, s. Gewährsmängel.

Gesetzrolle, s. Thora.

Gesetzsammlung, s. Gesetzbuch.

Gesetztafeln, auch Bundestafeln (5. Mos. 9, 9) und Tafeln des Zeugnisses (2. Mos. 31, 18), die beiden steinernen Tafeln, auf welche die Zehn Gebote (s. d.) gemeißelt waren; sind in der Kunst des Mittelalters das Sinnbild des Alten Testaments.

Gesetzvorschlag, der formulierte Entwurf eines zu erlassenden Gesetzes, welcher von einem Organ der Gesetzgebung ausgeht. Die Befugnis und die Pflicht, Gesetzvorschläge zu machen, kommt zunächst der Staatsregierung zu, welche dieselben der Volksvertretung vorlegt, um mit der letztern das Gesetz zu vereinbaren und zu stande zu bringen. Es hat aber regelmäßig auch die Volksvertretung das Recht der gesetzgeberischen Initiative, d. h. sie kann ebenfalls Gesetzvorschläge machen und ihre Beratung und Annahme im Schoß der betreffenden parlamentarischen Körperschaft herbeiführen. Soll ein solcher G. Gesetzeskraft erlangen, so ist dazu freilich nicht bloß die Zustimmung der Volksvertretung und zwar beider Kammern, wofern das Zweikammersystem besteht, erforderlich, sondern ebenso die Zustimmung der Staatsregierung. Nach der Geschäftsordnung des deutschen Reichstags bedürfen Anträge von Abgeordneten, welche Gesetzvorschläge enthalten, gleich den Regierungsvorlagen, einer dreimaligen Lesung (Beratung). Ein solcher G. muß von mindestens 15 Mitgliedern unterstützt und unterzeichnet sein. Von den Gesetzvorschlägen der Volksvertretung sind die von derselben ausgehenden Resolutionen zu unterscheiden, deren Zweck es vielfach ist, die Regierung zur Vorlegung eines Gesetzentwurfs aufzufordern. Die Gesetzentwürfe der Regierung sind regelmäßig mit einer schriftlichen Begründung (Motive) versehen, während bei den Gesetzvorschlägen der Abgeordneten zumeist nur eine mündliche Begründung üblich ist.

Gesicht (Angesicht, Antlitz, Facies, Vultus), der vordere Teil des Kopfes (s. d.) bei den Säugetieren. Beim Menschen ist es von Haupthaar frei und tritt infolge der größern Ausbildung des Gehirns weit mehr hervor, als es bei den übrigen Säugetieren der Fall ist, deren Nase und Mund meist zu einer Schnauze verlängert sind. Darum bildet auch beim Menschen die Stirn, obwohl sie anatomisch nicht zum G., sondern zum Schädelteil des Kopfes gehört, einen Hauptteil des Gesichts. Durch die Verschiedenheit der Verhältnisse der einzelnen Gesichtspartien zu einander wird die Gesichtsbildung bedingt. Der je nach der Gemütsstimmung wechselnde Gesichtsausdruck beruht im wesentlichen auf der Thätigkeit der Gesichtsmuskeln (s. Tafel "Muskeln", Fig. 1) und wird besonders durch Augen und Mund als die beweglichsten Teile des Gesichts hervorgebracht. Die Gesichtsfarbe entspricht der übrigen Hautfarbe; bei den Weißen zeichnet sie sich durch ein lebhafteres Kolorit aus und zwar vornehmlich an den Backen, deren Röte auf dem lebhaftern Blutumlauf beruht. Gewisse Nüancen der Gesichtsfarbe, namentlich eine