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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gesichtswinkel; Gesims

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Gesichtswinkel - Gesims.

nach glücklicher Operation im spätern Alter. Derartigen Täuschungen unterliegt jeder, sobald die Verhältnisse einigermaßen ungewöhnlich werden. Entfernte Gegenstände erscheinen näher oder ferner je nach dem Zustand der Atmosphäre. Hierher gehört auch die Thatsache, daß der Mond am Horizont größer erscheint, als wenn er hoch am Himmel steht. Sehr schwer entreißt man sich den Täuschungen über Ruhe und Bewegung äußerer Gegenstände, welche jedesmal eintreten, sobald man über die eigne Ruhe oder Bewegung einen nicht hinreichend starken Eindruck erhält. Derartige Täuschungen erlebt man besonders auf der Eisenbahn und auf dem Wasser, namentlich aber sind wir gar nicht im stande, uns von der Täuschung loszumachen, daß die Gestirne sich um die ruhende Erde drehen. Hierher gehört auch der bei Lähmung der Augenmuskeln eintretende Gesichtsschwindel. Spiegel, Fernrohre, Lupen, Mikroskope täuschen uns über den Ort der gesehenen Objekte. Ferner gehören zu den G. die Erscheinung der Irradiation, welche einen weißen Gegenstand größer erscheinen läßt als einen schwarzen von gleicher Größe, und die Folgen der Nachdauer einer Reizung der Sehnerven. So gibt eine geschwungene glühende Kohle das Bild eines feurigen Kreises, und im Phänakistoskop (stroboskopische Scheibe) setzen sich viele schnell hintereinander gesehene einzelne Bilder zu der Darstellung einer einzigen kontinuierlichen Bewegung zusammen. Zu der Nachwirkung gehören auch die Nachbilder, die in gleicher oder komplementärer Farbe erscheinen, und endlich sind die Kontrasterscheinungen zu erwähnen, welche bei gleichzeitiger Einwirkung zweier verschiedener Farben auf die Netzhaut entstehen: ein graues Papierstückchen auf rotem Grund erscheint grünlich. Über andre G. s. Pseudoskopische Erscheinungen. Vgl. Gesicht, besonders S. 238 f.

Gesichtswinkel, s. Gesichtslinien.

Gesims, Bauteil, welcher zum wagerechten Abschluß von Mauern, Wänden und Stützen oder zur wagerechten Scheidung derselben und, wenn derselbe vorspringt, zugleich zum Schutz der darunter befindlichen Teile gegen Regen dient. Je nachdem die Gesimse eines Bauwerks oder Bauteils sich oben, mitten oder unten befinden, unterscheidet man Haupt- oder Deckgesimse (Kranzgesimse), Zwischen- oder Gurtgesimse, Fuß- oder Sockelgesimse. Die Haupt- und Zwischengesimse bestehen aus einer mehr oder minder hervorragenden Platte, welche in nördlichen Klimaten meist geneigt (hängende Platte), in südlichen Klimaten meist wagerecht (liegende Platte) angeordnet und mit Wasserablauf (Wassernase) versehen wird. Jene hängenden Platten a (Fig. 1 u. 2), welche allen gotischen Gesimsen zu Grunde liegen, erhalten meist nur eine Hohlkehle b zur Vermittelung ihrer untern geneigten mit der lotrechten Fläche der Wände oder Stützen und unterhalb jener Hohlkehle ein eckiges oder abgerundetes Trennungsglied c, diese liegenden Platten a (Fig. 3 u. 4), welche allen Gesimsen der griechischen und der davon abgeleiteten Stile zu Grunde liegen, ein meist wellenförmiges stützendes Glied c und ein ebenfalls meist wellenförmiges bekrönendes Glied b. Die Fußgesimse, welche im Äußern den Ablauf des Regenwassers nicht hindern dürfen, dienen als Vermittelungsglieder der vorspringenden Sockel mit den darüber befindlichen Wänden oder Schäften der Stützen. Durch eine solche Vermittelung c und a der Hauptplatte b des Fußgesimses mit der Trennungsplatte d des letztern und dieser mit den darüber befindlichen senkrechten Bauteilen (Fig. 5 u. 6) entsteht, wenn sie durch die Einschaltung sekundärer Trennungsplatten vervollständigt wird, die sogen. "attische Basis" (s. d.), die in modifizierter Gestalt die Grundform der Fußgesimse fast aller entwickeltern Baustile bildet. Die Gesimse wurden vorwiegend in den griechischen und den davon abgeleiteten Baustilen ausgebildet, in dem gotischen Stil dagegen, dessen nach oben strebender Charakter die vorzugsweise Ausbildung aller lotrechten Bauteile, wie Pfeiler und Lisenen, anstrebte, stets untergeordnet gehalten (s. Baukunst). Was die relative Größe und Lage der Gesimse betrifft, so erfordern die Hauptgesimse als Abschlüsse eines ganzen Bauwerks die größere, die Zwischen- und Fußgesimse als Abschlüsse von Gebäudeteilen die kleinere Abmessung und Ausladung. Während die Lage der Haupt- und Fußgesimse in den meisten Fällen eine gegebene ist, werden die Gurtgesimse entweder in der Höhe der Fußböden, in welchem Fall sie äußerlich die einzelnen Stockwerke bezeichnen, oder in der Höhe der Fensterbrüstungen, in welchem Fall sie zugleich den Fenstergestellen zur Unterlage dienen, oder auch an beiden Stellen zugleich angebracht. Man fertigt die Gesimse entweder aus bearbeiteten Quadersteinen, aus Ziegeln (Gesimsziegeln), aus Holz, oder stellt sie durch Ziehen her. Im letztern Fall werden die betreffenden Stellen etwas vorgekragt, mit Mörtel beworfen und die Gesimsglieder mit dem sogen. Simsbrett, einer Art Schablone, gezogen. Mit Brettern verkleidete, der Steinkonstruktion ähnelnde Gesimse sind zwar jetzt sehr häufig, aber ebenso wie die in Gips gezogenen da zu verwerfen, wo sie dem Wetter ausgesetzt sind. In steinarmen Gegenden gestaltet man die Gesimse entweder als Holzgesimse, indem man die Balken- oder Sparrenköpfe sichtbar macht und mit Schnitzwerk versieht und die Felder zwischen ihnen ebenfalls passend

^[Abb.: Fig. 1., Fig. 2. Hängende Gesimsplatten.]

^[Abb.: Fig. 3., Fig. 4. Liegende Gesimsplatten.]

^[Abb.: Fig. 5., Fig. 6. Fußgesimse.]