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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gewerbestatistik; Gewerbesteuer

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Gewerbestatistik - Gewerbesteuer.

len. Von dieser Gestaltung der G. war nur noch ein Schritt zu dem völligen Übergang der G. in den Kreis der allgemeinen höhern Bildungsanstalten realistischer Richtung. Er geschah unter gleichzeitigem Übergang des gesamten gewerblichen Schulwesens vom Handelsministerium auf das Kultusministerium am 1. April 1879 (Erlaß des Handelsministeriums vom 1. Nov. 1878). Die G. mit den Vorschulen, und abgesehen von den Fachklassen B, C, D, wurden Realschulen erster Ordnung ohne Latein, als welche sie 1882 die Bezeichnung Oberrealschulen (s. d.) annahmen. Von dem ursprünglichen Kern der G. blieben nur an einigen dieser Anstalten sogen. technische Fachklassen übrig, die sich mit zwei Jahresstufen an die durchlaufene Untersekunda der Oberrealschulen (Berechtigung zum einjährigen Dienst) anschließen. Sie bilden nicht mehr Bautechniker vor, wofür die Baugewerkschulen (s. d.) eintraten, sondern je nach örtlichem Bedürfnis Maschinentechniker, Chemiker, Hüttenleute. Doch hat sich nur an wenigen Anstalten ein regerer Besuch dieser Klassen eingestellt. Im außerpreußischen Deutschland versteht man unter G. meist gewerbliche Fortbildungsschulen (s. d.). Doch hat das Königreich Sachsen eine höhere Gewerbeschule in Chemnitz, die zum Eintritt Reife für Obersekunda eines Realgymnasiums oder einer Oberrealschule (s. oben) voraussetzt und parallel nebeneinander in drei aufsteigenden Klassen (1, 1 und 1½ Jahre) Maschinentechniker und Chemotechniker ausbildet. Sonst gibt es in Sachsen wie in Württemberg, Baden, Hessen nur Real- und höhere Bürgerschulen einer-, Werkmeister- oder Fachschulen anderseits. In Bayern entsprechen den frühern preußischen G. mit ihrer doppelten Aufgabe, höhere Techniker für die Hochschule und mittlere unmittelbar fürs praktische Leben vorzubilden, die vier Industrieschulen zu München, Augsburg, Kaiserslautern, Nürnberg. - In Österreich zerfallen die höhern G. nach dem Lehrplan vom 21. Juni 1877 in drei einjährige Klassenkurse der Länge und in drei Abteilungen (maschinentechnische, bautechnische, chemische) der Breite nach. Mit vier G. sind seit 1878 Vorklassen verbunden, in welche die Schüler nach durchlaufener Volksschule eintreten. Vgl. "Das technische Unterrichtswesen in Preußen" (amtlich, Berl. 1879); Gallenkamp, Art. "G." in Schmids "Encyklopädie des Unterrichtswesens"; die Denkschriften des preußischen Unterrichtsministeriums von 1881 und 1883; Grothe, Technische Fachschulen (Berl. 1882); "Zeitschrift für gewerblichen Unterricht in Preußen" (das. 1886 ff.); "Zentralblatt für das gewerbliche Unterrichtswesen in Österreich" (offiziell, Wien).

Gewerbestatistik, derjenige Zweig der Statistik, welcher sich auf die Verhältnisse der Gewerbe bezieht und zwar insbesondere der Gewerbe im engern Sinn (Gewerbe der Stoffveredelung im Gegensatz zu Handel und Urproduktion). In der Praxis erstreckt sich die G. meist auch auf Handel und Bergbau. Die Aufgabe der G. besteht zunächst in Ermittelung der Zahl der Personen, welche das Gewerbe betreiben, und der persönlichen Verhältnisse derselben, als Geschlecht, Alter, Familienstand, Stellung als Geschäftsleiter, Gehilfe, Lohnarbeiter oder Lehrling. Dann hat sie Zahl, örtliche Verteilung, Größe und Art der Betriebe festzustellen, wobei die Zahl der beschäftigten Personen als Maßstab zur Unterscheidung von Groß- und Kleinbetrieb dienen kann. Ferner hat sie sich Kenntnis zu verschaffen von Zahl und Art der verwandten mechanischen Kräfte (Motoren, Werkzeugmaschinen) sowie von Art und Menge der verbrauchten Roh- und Hilfsstoffe, der gewonnenen Erzeugnisse etc. Bei praktischen Aufnahmen ist freilich Beschränkung geboten, wie denn auch die Gewerbezählungen gewöhnlich nicht alle hierher gehörigen statistischen Verhältnisse und Thatsachen in den Bereich ihrer Untersuchungen ziehen. Große Schwierigkeiten macht die Unterscheidung und Gruppierung der Gewerbe, weil dieselben nicht allein außerordentlich zahlreich und mannigfaltig, sondern auch sehr verschieden eingerichtet sind, bei gleichen oder ähnlichen Produktionsmitteln verschiedenen Zwecken dienen (Verarbeitung von Holz, Metall, Leder) oder gleiche Zwecke mit Hilfe verschiedener Mittel erfüllen (Stühle aus Holz, Stühle aus Eisen). Örtliche Gewohnheiten, Entwickelung von Verkehr und Handel können die verschiedensten Gliederungen und Vereinigungen gewerblicher Verrichtungen bewirken. Infolgedessen wird auch die Unterscheidung zwischen Hauptgeschäft und Nebenbetrieb eine schwankende sein und jede Gewerbezählung je nach der Zeit, zu welcher sie vorgenommen wird, verschiedene Ergebnisse liefern, wie z. B. im Deutschen Reich die im Dezember 1875 in Verbindung mit der Volkszählung ausgeführte Gewerbezählung und die im Juli 1882 stattgefundene Berufszählung. Bei Vergleichung gewerblicher Verhältnisse verschiedener Zeiten und Orte ist deshalb große Vorsicht nötig, insbesondere aber, wenn es sich um Vergleichung verschiedener Länder mit ihren verschiedenen Begriffen und Benennungen handelt. Nach der amtlichen Statistik des Deutschen Reichs, welche die Gewerbebetriebe in 20 Gruppen eingeteilt hat (näheres s. Gewerbe), zählte man 1875 in 3,230,311 Betrieben 6,470,630 Personen, worunter 2,945,084 Geschäftsleiter und 3,525,546 Hilfspersonen. Auf einen Betrieb kamen 2 beschäftigte Personen, auf 100 Personen 45,5 Geschäftsleiter und 54,5 Hilfspersonen. Mehr als 5 Gehilfen beschäftigten 84,195 Betriebe mit 2,311,399 Personen im ganzen. An Dampfmaschinen waren 35,031 verwendet mit 885,582 Pferdekräften. 1882 wurden gezählt:

Betriebsarten Erwerbthätige Häusliche Dienstboten (nicht gewerbl.) Angehörige, nicht od. nur nebensächl. erwerbthätig

überhaupt davon weibliche

Land-, Forstwirtschaft, Tierzucht, Fischerei 8236496 2534909 424913 10564046

Industrie, Bergbau, Bauwesen 6396465 1126976 302561 9359054

Handel, Verkehr, Gast- und Schankwirtschaft 1570318 298110 295451 2665311

Häusl. Dienstleistung, Lohnarbeit 397582 183836 2189 538523

Staats-, Gemeinde- etc. Dienst, freier Beruf 1031147 115272 164570 1027265

Ohne Beruf 1354486 702125 135240 1027265

Zusammen: 18986494 4961228 1324924 24910695

Vgl. folgende Schriften von Ernst Engel: "Die Reform der G." (Berl. 1872), "Die Gewerbezählung vom 1. Dez. 1875 und ihre Resultate" (das. 1878), "Die industrielle Enquete im Deutschen Reich" (das. 1878), "Die deutsche Industrie 1875 und 1861" (das. 1880), "Das Zeitalter des Dampfes" (2. Aufl., das. 1881), und die vom kaiserl. Statistischen Amt herausgegebene "Gewerbestatistik nach der allgemeinen Berufszählung vom 5. Juni 1882".

Gewerbesteuer, eine Ertragssteuer, welche die aus selbständig betriebenen gewerblichen Unternehmungen fließenden Reinerträge trifft. Der hierbei von der Gestaltung des Steuersystems abhängig zu machende