Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gewerbesteuer

298

Gewerbesteuer.

Begriff der der G. unterliegenden Gewerbe (Abgrenzung gegen liberale Berufe, Landwirtschaft und deren Nebenbetriebe, gesellschaftlicher Betrieb) ist durch Gesetz festzustellen. An und für sich ist die G. als Glied eines Ertragssteuersystems vollständig berechtigt. Eine andre Frage ist die, ob sie nicht in eine partielle Einkommensteuer umgebildet werden, also nur die Bezüge treffen soll, welche dem Gewerbtreibenden wirklich als Einkommen verbleiben. Die Durchführung der G. ist mit großen Schwierigkeiten verbunden. Zunächst ist es nicht leicht, eine richtige Grenze zwischen steuerpflichtigen und von Steuern zu befreienden Unternehmungen überhaupt sowie zwischen den den verschiedenen Steuerarten einzureihenden zu finden. Dann ist der nach örtlichen, persönlichen und Zeitumständen oft stark und rasch wechselnde Ertrag sehr schwer zu bestimmen. Infolgedessen haben sich in der Praxis sehr verschiedene Methoden der Veranlagung, Bemessung und Erhebung der G. ausgebildet. Der wirkliche Reinertrag läßt sich leicht bei solchen Unternehmungen direkt ermitteln und besteuern, welche unter öffentlicher Kontrolle stehen und zur Rechnungsablegung verpflichtet sind (besonders bei Aktiengesellschaften, demgemäß besondere Gesellschaftssteuern in Ungarn und Italien). In andern Fällen macht seine Ermittelung einen strengen Deklarationszwang mit eingreifendem und für den Betrieb lästigem Kontrollrecht der Verwaltung erforderlich. Aus diesem Grund begnügt man sich damit, äußere Merkmale aufzusuchen, aus denen auf die Höhe des Ertrags geschlossen werden kann. Diese Merkmale, welche teils von den Steuerpflichtigen unter amtlicher Kontrolle angegeben, teils von der Behörde (Kommissionen) ermittelt werden können, lassen meist im besten Fall nur einen Schluß auf den Rohertrag zu, führen also zu Ungleichmäßigkeiten in der Besteuerung, welche noch dadurch erhöht werden, daß selbst diese Rohertragsschätzung keine genaue ist. Mit Rücksicht hierauf wird man die Höhe der Steuersätze immer mäßig greifen müssen. Die einfachste Methode ist die jenige der Patentierung, welche die Erhebung an die Erteilung der Befugnis zum Gewerbebetrieb (Erteilung eines Gewerbepatents) anschließt und die Steuer nach durch feststehende äußere Merkmale, wie Einwohnerzahl, Art des Gewerbszweigs, bestimmten Klassen abstuft, in welche die Gewerbe eingereiht werden. Dieses einfache und für den Gewerbebetrieb schonende Verfahren, welches nach Abschaffung der Zünfte in Frankreich 1791, in Preußen 1810 eingeführt wurde, war wohl früher bei größerer Gleichmäßigkeit und Stetigkeit der gewerblichen Verhältnisse am Platz, wurde aber in der modernen Gesetzgebung als ungenügend durch andre verdrängt oder doch unter Beachtung auch andrer schon mehr den wirklichen Ertrag andeutender Merkmale weiter ausgebildet. Zu unterscheiden sind Gewerbe ausschließlich oder vorwiegend lokaler Art, welche nur für den Ortsbedarf produzieren, und solche, welche einen weiter gehenden Absatz haben. Bei den Lokalgewerben werden die Steuersätze nach durch die Einwohnerzahl bestimmten Ortsklassen abgestuft, bei den Gewerbegattungsklassen nach der Bedeutung der Gewerbe, dem nötigen oder üblichen Bildungsstand der Unternehmer etc. Innerhalb dieser Klassen werden weitere Unterschiede gemacht nach Größe und Art der gewerblichen Anlagen, Größe und Mietwert der Räume, Größe, Zahl und Art der Werkvorrichtungen (Maschinen), Zahl und Art der Arbeiter, Menge der verbrauchten Stoffe etc. oder auch nach dem offenkundigen Wohlstand oder bekannter Armut der einen oder andern Klasse der Gewerbtreibenden. Diese Merkmale geben Veranlassung zur Aufstellung von festen Steuersätzen (fixe Gebühr, droit fixe), welche mehr nach feststehenden Merkmalen, und von veränderlichen, proportionalen Zuschlägen (droit proportionnel), welche nach von Unternehmung zu Unternehmung oder von Zeit zu Zeit wechselnden Merkmalen abgestuft werden.

Eine nähere Anschmiegung der Steuer an die wirkliche Steuerfähigkeit läßt sich schon durch die in Preußen übliche Bildung von Steuergesellschaften ermöglichen, welche zusammengehörige Gewerbtreibende eines Ortes oder Distrikts umfassen und die ihnen auferlegten Gewerbesteuerhauptsummen (Mittelsatz der Steuer, vervielfacht mit der Zahl der Gewerbtreibenden) mit Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse unter Kontrolle der Verwaltung und mit Appellationsrecht unter sich repartieren. England hat ein doppeltes System der Gewerbebesteuerung. Bestimmte Gewerbe entrichten feste, allenthalben gleiche Sätze als Lizenzen. Im übrigen ist die G. ein Teil der Einkommensteuer. Die Bemessung erfolgt auf Grund der Selbstschätzung des Besteuerten vermittelst Ausfüllung der Schedula D der Income tax, indem vom Rohertrag gewisse durch Gesetz bestimmte Abzüge gemacht werden. In Frankreich war die 1791 eingeführte G. (contribution des patentes) ursprünglich eine reine Patentsteuer mit fixem Satz. Im Lauf der Zeit hat man versucht, mehr die Steuerfähigkeit nach äußerlichen Merkmalen zu erfassen, ohne dabei inquisitorisch zu verfahren. Heute unterscheidet man die feste und die proportionale Abgabe. Die feste Abgabe (droit fixe) hat jeder zu entrichten, welcher in Frankreich ein Gewerbe treibt. Für Bemessung derselben werden die Gewerbtreibenden in drei große Klassen eingeteilt. In der ersten Klasse richtet sich der Steuersatz nach der Einwohnerzahl (neun Ortsklassen) und nach Größe und Art des Gewerbes (acht Klassen, vom Grossisten bis zum Hausierer) und steigt von 1,60 bis 320 Mk. In der zweiten Klasse bilden ebenfalls Einwohnerzahl und Art des Gewerbes den Maßstab für die Besteuerung (1,20-1600 Mk.). Doch wird in derselben noch eine veränderliche Steuer (taxe variable) erhoben und ein tarifarisch bestimmter Satz von jedem über die Zahl 5 hinaus im Geschäft angestellten Kommis etc. In die dritte Klasse gehören Gewerbe, bei denen die Volkszahl des Standortes für die Rentabilität nicht entscheidend ist. Die Steuer wird nach Arbeiterzahl, Umfang etc. bemessen. Die proportionale Steuer wird neben der fixen erhoben und zwar zu 1 2/3-10 Proz. des Mietwertes der benutzten Räume. Bayern erhebt einen festen, nach der Normalanlage des Gewerbes bemessenen Satz, dazu veränderliche Sätze, welche nach dem für bestimmte Zeitabschnitte ermittelten Betriebsumfang bemessen werden. Baden erhebt Zuschläge zum Steuerkapital des persönlichen Verdienstes nach Art und Zahl der Arbeitsgehilfen und nach der Werthöhe des Betriebskapitals. Auch Württemberg unterscheidet den persönlichen Arbeitsverdienst des Gewerbtreibenden, welcher je nach der Betriebsweise und dem Umfang des Gewerbes (Gehilfenzahl, Betriebskapital) nach Klassentafeln eingeschätzt wird, und den nach Prozenten zu schätzenden Ertrag aus dem in das Gewerbe gesteckten, nach seinem mittlern Stand und Wert zu berechnenden Betriebskapital. Preußen bildet elf Steuergruppen, indem die Großgeschäfte nach der Industrialität der einzelnen Regierungsbezirke, die Mittel- und Kleingeschäfte nach vier Ortschaftsklassen abgestuft werden.