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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Gewicht für Maß und Maß für Gewicht - Gewissenhaftigkeit.

Gewichts oder der Eigenschwere der Körper. Das spezifische G. eines Körpers ist die Zahl, welche angibt, wievielmal so schwer ein Körper ist als das gleiche Volumen Wasser. S. Spezifisches Gewicht. - Im Handelswesen ist G. die Bestimmung des Maßes eines Körpers nach seiner Masse (Schwere), nicht der Zahl oder dem Volumen nach. In Bezug auf die zu wägenden Gegenstände teilt man das G. ein in Handels-, Viktualien-, Medizinal-, Gold-, Silber-, Münz- oder Mark-, Juwelen- und Perlengewicht; beim Handels- und Viktualiengewicht unterscheidet man ferner Brutto- und Nettogewicht (vgl. Brutto), leichtes oder schweres, Krämer-, Fleisch-, Fischgewicht. Erst in der neuern Zeit hat man in den verschiedenen europäischen Ländern dem Gewichtssystem, wie dem Maßsystem überhaupt, mehr Einheit zu geben gesucht. Die gegossenen eisernen Gewichte haben oft eine Höhlung, in welche zur genauern Justierung und Stempelung Blei eingegossen werden kann. Die messingenen Gewichte sind entweder Einsatzgewichte, deren nächst übergeordnete Größe die Hülse für die vorhergehende kleinere Größe bildet, oder massive Stücke von 1-500 g; kleinere sind gewöhnlich von Messingblech. Für wissenschaftliche Zwecke benutzt man vergoldete oder vernickelte Messinggewichte sowie Bergkristall- und besonders Platingewichte. Alle Gewichte, deren sich ein handeltreibender Gewerbsmann bedient, müssen von der Behörde geeicht (s. Eichen) und danach gestempelt sein. Vgl. Maß.

Gewicht für Maß und Maß für Gewicht, eine Klausel, welche in Konnossementen von Schiffern bei Getreideladungen gebraucht wird, wonach es ihnen freistehen soll, die Fracht bei Ablieferung nach Belieben entweder nach dem sich ergebenden Maß oder nach dem alsdann vorhandenen Gewicht zu bedingen. Sie findet namentlich auf Transportartikel Anwendung, welche während der Fahrt sich an Volumen oder Gewicht ändern können.

Gewichtsaräometer, s. Aräometer.

Gewichtsnota, die Spezifikation des Gewichts einer Warensendung. Dieselbe wird gewöhnlich am Ende und auf der Rückseite der Faktur ausgestellt, um in dieser die Übersicht nicht zu stören.

Gewichtsteuer, die nach dem Gewicht bemessene Steuer, insbesondere beim Tabak die G. als Gegensatz zur Flächensteuer, welche nach Flächengröße und deren Ertragsfähigkeit die Steuerhöhe bestimmt.

Gewichtsthermometer, ein kleines, sehr dünnwandiges, flaschenförmiges Glasgefäß mit dünnem, umgebogenem Hals, wird leer, dann bei 0° mit Quecksilber gefüllt, gewogen. Auf diese Weise erhält man eine Zahl, welche dem Nullpunkt der Skalenthermometer entspricht. Bringt man das Instrument nun in kochendes Wasser, so fließt ein Teil des Quecksilbers aus, und wenn man nach dem Erkalten wieder wägt, so erhält man die dem Siedepunkt entsprechende Zahl. Mit Hilfe dieser Zahlen läßt sich aus dem Gewichtsverlust, den das Instrument in irgend einem Medium erleidet, die Temperatur des letztern berechnen. Man benutzt das G. namentlich zur Ermittelung der Ausdehnung der Flüssigkeiten.

Gewichtszölle, s. Zölle.

Gewild, Stromschnelle im Rhein (s. d.), oberhalb Rheinfelden in der Schweiz.

Gewindebohrer (Schraubenbohrer), Instrument zum Schneiden von Schraubenmuttern.

Gewinn ist jede unter einem Risiko erzielte Einnahme, welcher ein entsprechender Aufwand nicht gegenübersteht. Im weitern Sinn bezeichnet man als Geschäftsgewinn den gesamten Ertrag abzüglich der positiv zugesetzten Kapitalien und eines Entgelts für Arbeitsaufwendungen (Bruttogewinn, welcher noch besondere abzuziehende Unkosten enthält; vgl. Brutto); im engern Sinn als Rein-, Nettogewinn den erzielten Überschuß über sämtliche Aufwendungen mit Einschluß der für dieselben zu berechnenden Zinsen (s. Unternehmergewinn). Imaginären oder bloß mutmaßlichen G. nennt man denjenigen, welchen man sich von einer Unternehmung im voraus verspricht. Er kommt besonders bei See- und Flußassekuranzen in Betracht, indem der zu verschiffende Artikel nicht bloß für seinen wirklichen (Faktura-) Wert, sondern mit Zuschlag des imaginären Gewinns (in der Regel mit 10 Proz. des Fakturabetrags) versichert zu werden pflegt.

Gewinnbeteiligung der Arbeiter, die im Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vorkommende Verteilung von Prozenten des Geschäftsertrags seitens des gewerblichen Unternehmers über den festgesetzten Lohn hinaus. S. Arbeitslohn, S. 759.

Gewinnsteuer, eine von Lotteriegewinsten in Österreich, Ungarn, Italien erhobene Steuer.

Gewinn- u. Verlustkonto, s. Buchhaltung, S. 566.

Gewissen, subjektiv die Fähigkeit, sittliche Urteile über sich selbst, sein eignes Wollen und folglich seinen eignen sittlichen Wert zu fällen; objektiv der Inbegriff derselben (der sittliche Geschmack). Das sittliche Urteil ist eine Art des ästhetischen, von dem es sich nur dadurch unterscheidet, daß sein Objekt menschliches Wollen, nicht, wie bei diesem, Maße, Formen, Farben, Töne oder poetische Gedanken sind. Demselben kommt ebenso wie diesem Evidenz und Allgemeingültigkeit unter der Annahme zu, daß es "interesselos", d. h. nach Kant "mit Vermeidung aller Privatgefühle", gefällt sei. Da nun im G. der Mensch Gegenstand seiner eignen Beurteilung, folglich die stärkste Veranlassung zu "Privatgefühlen" gegeben ist, so folgt, daß, wenn er trotzdem einen tadelnden Ausspruch fällt, er durch sein G. eine unwiderstehliche Nötigung erfahren haben muß. Darin liegt der Grund, weshalb die Aussprüche des Gewissens als untrüglich angesehen werden. Zu bemerken ist aber, daß dieselben nichts andres als eine Wertbeurteilung des Wollens enthalten, folglich niemals dazu verwendet werden können, das Sein irgend eines übersinnlichen (oder sinnlichen) Objekts zu beweisen, wie nicht selten daraus versucht worden ist. Die Bildung des Gewissens geht auf dieselbe Weise wie jene des Geschmacks vor sich, indem man vor allem durch Vermeidung subjektiver Erregungen und Enthaltung von Privatgefühlen interesselose moralische Urteile zu gewinnen sucht. Vgl. Geschmack und Gefühl. Die Einteilung des Gewissens geht bald von dem Inhalt, bald von der Erregbarkeit und Stärke seiner Urteile aus; in ersterer Hinsicht wird das gute (lobende) vom bösen (tadelnden) G., in dieser das zarte, leicht erregbare vom schlafenden oder verhärteten, das lebhafte vom spröden unterschieden. Vgl. Gaß, Die Lehre vom G. (Berl. 1868); Kähler, Das G., ethische Untersuchungen (Halle 1877, Bd. 1); Rée, Die Entstehung des Gewissens (Berl. 1885).

Gewissenhaftigkeit, moralische Eigenschaft des Menschen, vermöge deren er, den Anregungen seines Gewissens stets folgend, nichts thut, wovon er nicht überzeugt ist, daß es mit dem von ihm anerkannten Sittengesetz übereinstimmt. Das Gegenteil ist die Gewissenlosigkeit, der die sittliche Beurteilung des eignen Thuns u. Lassens fern liegt (Verstocktheit