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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Giocondo; Giocoso; Gioja; Gioja del Colle; Giöl; Gior.; Giordani

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Giocondo - Giordani.

institut, dann abermals bis zu seiner Rückkehr in das Vaterland (Herbst 1847) in Paris. Seine philosophischen Schriften: "Teorica del sovrannaturale" (Capolago 1838, 2. Aufl. 1850), "Introduzione allo studio della filosofia" (1839, 4 Bde.; 2. Aufl., Brüssel 1844; sein Hauptwerk), seine Abhandlungen: "Del bello" (1841), "Del buono" (1842, beide zusammen gedruckt Flor. 1853) und die Kritik der Philosophie seines Landsmanns Rosmini (s. d.): "Errori filosofici di Antonio Rosmini" (1842, 3 Bde.), zeichneten sich durch Gedankenreichtum und wissenschaftliche Durchführung aus; aber erst sein politisches Werk "Del primato morale e civile degli Italiani" (Brüssel 1843, 2. Aufl. 1845), wozu noch die gegen die Schäden der Kirche und die Jesuiten gerichteten "Prolegomini" (das. 1845) kamen, machte seinen Namen durch ganz Italien berühmt. Die Grundidee dieses Buches ist die Wiederherstellung der Größe und Macht, der innern Freiheit und Unabhängigkeit Italiens durch das Papsttum, wobei Piemont die politische Führung haben sollte. Mit seinem Werk "Il Gesuita moderno" (Par. 1846-47, 8 Bde.; deutsch von Cornet, Leipz. 1849, 3 Bde.), einer Antwort auf die wegen der "Prolegomini" gegen ihn gerichteten Angriffe, war das Verbannungsurteil des Jesuitenordens geschrieben. Im April 1848 trat G. in die Kammer, wurde das Haupt der Opposition gegen das Ministerium Pinelli-Revel und 16. Mai Präsident. Im Dezember zum Ministerpräsidenten ernannt, geriet er durch Vermittelungsversuche in Konflikt mit seinen Kollegen und wurde schon 21. Febr. 1849 zum Rücktritt genötigt. Nach der Schlacht von Novara schickte ihn König Viktor Emanuel für kurze Zeit als außerordentlichen Gesandten nach Paris, worauf G. seine schriftstellerische Thätigkeit wieder aufnahm und nach Veröffentlichung seines freimütigen Werks "Del rinnovamento civile d'Italia" (Par. 1851, 2 Bde.) und seiner "Operette politiche" (Tur. 1851, 2 Bde.) 26. Okt. 1852 starb. Seine Leiche wurde nach Turin übergeführt. Als weder kirchlich noch politisch vorurteilsfreier Philosoph setzte G. dem angeblich "heidnischen" und "protestantischen" Verfahren Rosminis, dessen dem Cartesianismus verwandter "Psychologismus" zum Sensualismus und Nihilismus führe, das eigne angeblich einzig "katholische" und "rechtgläubige" unter dem Namen des "Ontologismus" entgegen. Während jenes vom "Bewußtsein", also einer bloßen Erscheinung, ausgehe und daher niemals weder zum wahren Sein noch zum wahren Wissen gelange, stellt sich dieses von Anbeginn auf den Boden des wahren Seins, d. h. Gottes als des absoluten Prinzips, um von diesem absteigend durch die Schöpfung zum Dasein, d. h. menschlichen Sein, und von diesem in umgekehrter Richtung im aufsteigenden Prozeß wieder zu Gott zu gelangen. Jenes ist zwar für die gegenwärtige durch die erste Sünde geschwächte Fassungskraft unerreichbar, wird aber durch die Offenbarung und den Glauben an diese ersetzt, deren Reproduktion in einer durch Reflexion sich ergebenden Reihe einander übergeordneter Erkenntnisstufen der Inhalt der Philosophie und deren Abschluß, die Wiedererlangung der ursprünglichen Einheit des göttlichen und menschlichen Schauens, Seligkeit ist. Aus seinem Nachlaß erschienen: "Opere inedite" (Tur. 1856-63, 11 Bde.), darunter: "Della filosofia della rivelazione", "Della riforma cattolica della chiesa", "Della protologia" (2 Bde.) und sein Briefwechsel. Vgl. Massari, Vita di Vincenzo G. (Flor. 1848); Spaventa, La filosofia di G. (Neap. 1864, 2 Bde.); Berti, Di V. G., riformatore politico e ministro (Flor. 1881).

Giocondo (spr. dscho-), Fra Giovanni, ital. Altertumsforscher und Architekt der Frührenaissance, geb. 1435 zu Verona, scheint die erste Hälfte seines Lebens der klassischen Gelehrsamkeit, die er mit dem Studium der antiken Architektur verband, hauptsächlich gewidmet zu haben. In dieser Periode unterrichtete er den berühmten Julius Cäsar Scaliger auf dessen väterlichem Landsitz Lodrone (zwischen Brescia und Trient) in der griechischen und lateinischen Sprache. In Rom und andern Städten Italiens sammelte G. mehr als 2000 Inschriften, die er Lorenzo de' Medici widmete; eine Abschrift davon befindet sich in der Biblioteca Magliabecchiana zu Florenz. Er schrieb Noten zu Cäsar, Vitruv, Frontinus; sein Vitruv erschien zuerst in Rom 1511. Andre Autoren, wie Catos Schrift "De rebus rusticis", ließ er zum erstenmal drucken. Sein Ruf als Architekt war bereits begründet, als ihn Ludwig XII. 1499 zum Bau der Brücke Notre Dame nach Paris kommen ließ. Während seines Aufenthalts daselbst fand er ein 1508 von Aldus Manutius herausgegebenes Manuskript von Plinius dem jüngern auf. 1509 hatte er Treviso gegen den Kaiser Maximilian zu befestigen. 1512 führte er einen Hauptpfeiler der Etschbrücke in Verona von neuem wieder auf. Im J. 1514 wurde er nach Rom berufen, wo er als Architekt von St. Peter in Gemeinschaft mit Raffael und Giuliano da San Gallo, jedoch nur kurze Zeit, thätig war, da er schon 1. Juli 1515 starb. In seiner Vaterstadt erbaute er den Palazzo del Consiglio.

Giocoso (ital., spr. dscho-), musikal. Vortragsbezeichnung: tändelnd, scherzhaft.

Gioja (spr. dschoja), 1) Flavio (auch Giri oder Gira mit dem Vornamen Giovane genannt), Schiffer oder Lotse aus Pasitano bei Amalfi, lebte zu Anfang des 14. Jahrh., wurde lange Zeit irrtümlich für den Erfinder des Kompasses gehalten.

2) Melchiorre, ital. Philosoph und Nationalökonom, geb. 20. Sept. 1767 zu Piacenza, bekleidete unter der französischen Herrschaft seit 1799 die Stelle eines Direktors des Statistischen Bureaus in Mailand, wurde aber 1820 wegen seiner politischen Opposition von dieser Stellung entfernt. Er starb 2. Jan. 1829 in Mailand. Außer einer größern Zahl philosophischer Schriften, von denen die "Ideologia" (Mail. 1822, 2 Bde.) hervorzuheben ist, schrieb er: "Filosofia statistica" (das. 1822, 4 Bde.), dann insbesondere "Nuovo prospetto delle scienze economiche" (das. 1815-19, 6 Bde.). In denselben hat er die Bedeutung der Statistik für Geschichte und Nationalökonomie klargelegt und wird deshalb auch als einer der Begründer der Moralstatistik bezeichnet.

Gioja del Colle (spr. dschoja), Stadt in der ital. Provinz Bari, Kreis Altamura, an der Eisenbahn Bari-Tarent, hat Handel mit Getreide, Öl und Wein, ein Gymnasium, ein Theater und (1881) 16,573 Einw.

Giöl (Gjöel), kleine dän. Insel im Limfjord, Amt Hjörring, 22,6 qkm groß und durch einen Damm mit dem Festland verbunden.

Gior., bei naturwissenschaftl. Namen Abkürzung für Michael Giorna (spr. dschór-), geb. 1741, gest. 1809 als Professor in Turin.

Giordani (spr. dschor-), Pietro, einer der vorzüglichsten Prosaiker Italiens, geb. 1. Jan. 1774 zu Piacenza, studierte in Parma Philosophie und Jurisprudenz, wurde dann Benediktiner, trat aber 1803 mit Erlaubnis des Papstes in den Laienstand zurück. Er fand in kleinen Anstellungen notdürftigen Unterhalt, bis er, durch litterarische Arbeiten, zunächst rhetorischen Inhalts, rühmlichst bekannt ge-^[folgende Seite]