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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Glas

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Glas (Eigenschaften).

Eigenschaften gestört werden. Die nähere Beschaffenheit des Glases aber hängt, wie bei den meisten chemischen Verbindungen und Gemengen, von der Natur der Bestandteile ab. Als wesentliche Bestandteile sind Kieselsäure, ein Alkali (Kali oder Natron) und Kalk zu betrachten; doch wird die Kieselsäure bisweilen zum Teil durch Borsäure oder Fluor vertreten, und neben den genannten Basen kommen auch Baryt, Bleioxyd, Wismutoxyd und als zufällige Beimengungen Magnesia, Thonerde, Eisen- und Manganoxyde vor. Für ganz bestimmte Zwecke, namentlich zur Färbung der Gläser, werden auch Verbindungen andrer Metalle eingeführt.

Eigenschaften.

Das spezifische Gewicht des Glases schwankt für Alkalikalkgläser zwischen 2,4 und 2,6; bei Alkalibarytgläsern steigt es auf 2,9, bei Alkalibleigläsern auf 3,0 bis 3,8. Manche Gläser werden schon beim gewöhnlichen Gebrauch kantenstumpf und blind, andre werden nur schwer von guten Feilen angegriffen. Im allgemeinen steigt die Härte mit dem Gehalt an Kieselsäure und wird am meisten durch Alkalien und Bleioxyd beeinträchtigt. Stets ist die Oberfläche des Glases, welche sich beim Erstarren desselben bildet, härter als die nach deren Entfernung durch Schleifen erzeugte Oberfläche, überhaupt als das Innere der Glasmasse. Der Widerstand gegen das Zerdrücken ist beim G. sehr bedeutend; auffallend geringer ist der gegen das Zerreißen. Die Sprödigkeit nimmt mit der Dicke des Glases rasch ab, und ganz dünne Blättchen und Fäden sind ausgezeichnet elastisch und biegsam (s. Glasspinnerei). Eine und dieselbe Glassorte ist um so spröder, je schneller die Masse abgekühlt wurde. Läßt man geschmolzenes G. in kaltes Wasser tropfen, so zeigen die einzelnen erstarrten, in eine lange Spitze auslaufenden Tropfen (Glasthränen) große Härte; doch genügt das Abbrechen der äußersten dünnen Spitze, um sie vollständig in Staub zerfallen zu machen. Ebenso genügt bei den dickwandigen, in der Luft schnell abgekühlten Bologneser Fläschchen das Schütteln mit einem scharfen Quarzsplitter, um das Gefäß zu zersprengen. Man nimmt an, daß bei der schnellen Abkühlung infolge der frühzeitigen Erstarrung der Oberfläche das noch nicht erstarrte Innere eine Spannung seiner kleinsten Teile erleidet und infolge derselben durch die geringste Erschütterung den Zusammenhang verliert. Kühlt man dagegen langsam ab, so finden die einzelnen Schichten und ihre kleinsten Teilchen Zeit, sich einer festerm Zusammenhang entsprechenden Anordnung zu fügen. Hierauf beruht der in den Glashütten übliche Kühlprozeß, durch welchen namentlich dickere Gläser erst für den Gebrauch tauglich werden. Bei einer besondern Leitung des Kühlprozesses entsteht das sogen. Hartglas, welches ungewöhnliche Härte, Festigkeit, Elastizität, namentlich auch große Widerstandsfähigkeit gegen Temperaturwechsel besitzt. Letzterm erliegt auch das bestgekühlte G. sehr leicht, indem sich Sprödigkeit und geringes Wärmeleitungsvermögen vereinigen; die erhitzte Stelle dehnt sich aus, die nahe angrenzenden, kalt gebliebenen Stellen geben nicht nach, und so entsteht der Bruch. Ebenso wie für die Wärme ist das G. auch für die Elektrizität ein schlechter Leiter. Der Glanz wird nur zum Teil durch die Zusammensetzung bedingt, er ist großenteils abhängig von besondern Verhältnissen bei der Fabrikation. Das Lichtbrechungsvermögen ist bei Bleiglas viel größer als bei gewöhnlichem G., am stärksten bei Gläsern, welche statt des Bleies Wismut und statt des Kalis Thalliumoxyd enthalten. Derartige Gläser zeigen im geschliffenen Zustand prachtvollstes Farbenspiel. In hinreichend dicken Schichten besitzt jedes G. einen deutlichen Farbenton. Kieselsäure, Kalk, Bittererde, Baryt färben am wenigsten, die Alkalien, besonders Natron, viel mehr und am stärksten die Schwermetalle, von denen nur Bleioxyd und Wismutoxyd farbloses G. liefern. Vollkommen farbloses G. herzustellen, ist sehr schwer, weil sich fast unvermeidlich färbende Verbindungen, namentlich Oxyde des Eisens, mit den Rohmaterialien einschleichen und Schwefelmetalle (besonders Schwefelnatrium) beim Schmelzen des Glases entstehen. Man erkennt die Farbe des Glases am Tafelglas, wenn man auf die hohe Kante desselben sieht; aber diese Farbe verändert sich fast stets nach längerer oder kürzerer Zeit unter dem Einfluß des Lichts und kehrt nur beim Ausglühen oder Umschmelzen zurück. Mit Braunstein als Entfärbungsmittel geschmolzenes G. wird am Licht sehr deutlich violett.

Beim Erhitzen geht das G. sehr allmählich aus dem festen in den flüssigen Zustand über; es läßt sich etwa beim Eintritt der Glühhitze biegen und ausziehen, bei beginnender Rotglut durch Eintreiben von Luft aufblasen und zu den feinsten Fäden spinnen (s. Glasspinnerei), auch kneten und schweißen; bei voller Rotglut neigt es zum Abtropfen und wird dann flüssig, aber auch bei Weißglut behält es die Konsistenz eines dünnen Sirups. Kieselsäure macht das G. strengflüssig; durch Basen, besonders durch Bleioxyd, am wenigsten durch alkalische Erden, wird es leichtflüssiger, ebenso durch Borsäure und Fluor, die einen Teil der Kieselsäure ersetzen können. Erhält man G. längere Zeit auf der Temperatur, bei welcher es erweicht, so tritt Entglasung ein, und es verwandelt sich in eine undurchsichtige kristallinische, steinartige, sehr feste, wenig spröde Masse (Réaumurs Porzellan). Gegen chemische Agentien verhält sich G. mit seiner natürlichen, im Feuer gebildeten Oberfläche viel widerstandsfähiger als nach Bloßlegung des Innern durch Schleifen etc. Wasser greift bei anhaltendem Kochen das G. mehr oder weniger an; Glaspulver reagiert meist sofort nach dem Befeuchten mit Wasser alkalisch und wird beim Kochen mit letzterm stark zersetzt, besonders bei Anwendung von Hochdruck. In feuchten Räumen bedeckt sich G. meist mit einem irisierenden Häutchen, welches aus Kieselsäure besteht und daher mit Kalilauge abgewaschen werden kann. Je nach der Zusammensetzung des Glases erfolgt die Zersetzung mehr oder weniger schnell und vollständig. Manche Glassorten erblinden sehr leicht und bedecken sich entweder mit leichtem Tau (hygroskopischen Kalisalzen) oder mit feinem Pulver (nicht hygroskopischen Natronsalzen). Um zu erkennen, ob ein G. in verhältnismäßig kurzer Zeit erblinden wird oder nicht (namentlich wichtig für optische Gläser), setzt man es sorgfältig gereinigt bei gewöhnlicher Temperatur der Einwirkung von Salzsäuredämpfen aus, indem man es unter einer Glasglocke 24-30 Stunden auf einer Schale, die rohe Salzsäure enthält, liegen läßt. Dann bringt man es in einen verschließbaren Schrank und läßt es wieder 24 Stunden stehen. Hierbei ist jede Spur Ammoniak oder Staub höchst sorgfältig abzuhalten. Zeigt sich nun ein zarter, weißer Beschlag, der sich leicht abwischen läßt, so sind die Gläser verwerflich. Bemerkt man im durchgehenden Licht keinen Beschlag, so betrachtet man das G. im schräg auffallenden Licht und zieht mit einer abgerundeten Messerschärfe einen Strich darüber. Hierbei wird auch der leiseste Anflug sichtbar, aber gutes G. erweist sich stets vollkommen klar. Ist der Anflug