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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Glas

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Glas (Spiegelglas, gepreßtes und Hartglas).

starren gegen die durch die Öffnungen u u gestreckten eisernen Stäbe l l aufrecht gestellt, und so bilden sich beim Fortschreiten der Arbeit die Tafelstöße v v. Nach Vollendung der Streckarbeit verschließt man den Ofen, läßt sämtliche Feuer ausgehen und einige Tage abkühlen. - Ganz verschieden von der Herstellung des Walzenglases ist die des Mondglases, welches in England noch eine große Bedeutung hat. Der Arbeiter bläst eine große Hohlkugel mit einem der Pfeife diametral gegenüberstehenden Knopf und flacht die Kugel ab; ein Gehilfe heftet dann den flachen Hohlkörper mit seinem Knopf an ein Hefteisen und verwandelt ihn nach dem Absprengen von der Pfeife unter wiederholtem Anwärmen und schneller Rotation des Hefteisens durch die Wirkung der Zentrifugalkraft in eine völlig ebene, gleichmäßig dicke, kreisrunde Scheibe. Dies Tafelglas besitzt vor dem Walzenglas den Vorzug der ebenen, reinen und glänzenden Oberfläche, liefert aber wegen seiner kreisrunden Form beim Zerschneiden in viereckige Tafeln viel Abfall. Mondglas im kleinern Maßstab bilden die Butzenscheiben, die im Mittelalter zum Verglasen der Fenster benutzt wurden und in der neuern Zeit von der Mode wieder begünstigt worden sind. Eine besondere Sorte von Tafelglas ist das Kathedralglas, welches eine rauhe Oberfläche besitzt, daher das grelle Tageslicht dämpft und für Kirchenfenster, auch für moderne Verglasungen in Verbindung mit Butzenscheiben farblos und farbig dargestellt wird.

Spiegelglas.

Das Spiegelglas wird jetzt fast ausschließlich in dünnflüssigem Zustand gegossen. Es enthält:

Proz. Proz. Proz.

Kieselsäure 73,0 73,17 71,88

Thonerde und Eisenoxyd - 0,30 0,90

Kalk 15,5 13,67 15,40

Natron 11,5 12,80 11,96

Die Rohmaterialien sind: Sand, Kalkstein, Glaubersalz und Kohle, und wegen der bedeutenden Stärke des Spiegelglases (Schaufenster), und weil Entfärbungsmittel die Durchsichtigkeit des Glases zu benachteiligen pflegen, muß das Material sehr rein sein und das G. sorgfältig geläutert werden. Die Öfen sind durchweg mit Gasheizung versehen und so eingerichtet, daß die Häfen zum Guß möglichst leicht herausgenommen werden können. Da das Durchschnittsmaß der herzustellenden Glastafel gegenwärtig etwa 5-6 bei 3-3,5 m und das Gewicht etwa 800 kg beträgt, so benutzt man Häfen, welche wenigstens 1000 kg G. fassen. Ein Ofen enthält 10-12 derartige Häfen. Die Gußplatte besteht aus Gußeisen, ruht auf niedrigen, starken Rädern und besitzt auf ihrer Oberfläche Leisten, die der Stärke der zu gießenden Platte entsprechen. Zum Guß wird der Ofen geöffnet, der Hafen mit einer Zange erfaßt, herausgeholt und in einer an einem Kran A (Fig. 22, Tafel 11) hängenden Hafenschlinge B befestigt, während gleichzeitig das G. mit einer Abschäumkrücke gereinigt wird. Der Kran läuft auf Schienen bis vor die Gußplatte D, hier wird der Hafen C in Schwingungen versetzt und bei der zweiten oder dritten Schwingung das G. quer über die Platte hin vor die Walze E gegossen. Während nun der Hafen schnell wieder in den Ofen gebracht wird, setzen Arbeiter die Kettentrommeln des wie die Gußplatte auf Schienen laufenden Walzenwagens F in Bewegung und ziehen dadurch die Walze in gleichmäßigem Tempo über die Gußplatte weg. Dabei wird das glühende G. gleichmäßig über die Platte ausgebreitet und geebnet; die Walze aber gelangt schließlich auf den Wagen F, der sich mit ihr schleunigst entfernt. Nun wird das zuletzt ausgewalzte Ende der Glastafel mit einem spatelförmigen Eisen unterfahren, emporgehoben und zurückgeschlagen, während die Klappe H des Zwischenwagens G herabgeklappt wird. Gleichzeitig wird an das andre Ende der letztern die Einschiebekrücke gelegt und die Glasplatte in den Kühlofen J geschoben, in welchem sie 24-36 Stunden liegen bleibt. Die ganze Operation erfordert wegen der außerordentlichen Kürze der Zeit, welche ihr gegönnt ist, die größte Präzision und korrektes Zusammenwirken eines großen Arbeiterpersonals. Die Sohle des Kühlofens wird meist aus beweglichen, feuerfesten, auf der Oberfläche abgeschliffenen und in losen Sand gebetteten Steinen von der Größe der gewöhnlichen Ziegel hergestellt. Die gekühlte Glastafel wird unter Berücksichtigung etwaniger Fehler auf dem Schneidetisch zerschnitten. In England stellt man nach einem ähnlichen, nur weniger umständlichen Verfahren ein dünneres gewalztes Tafelglas für Dachdeckungen und das Durchsehen nicht gestattende Fensterverglasung dar, welches meist 3-5 mm stark ist und, um Blasen und andre Fehler weniger auffällig zu machen, auf der einen Seite mit einem aus feinen, erhabenen Streifen oder aus Rauten bestehenden Muster, dessen Linien in den Gußtisch eingegraben sind, versehen wird. Die gekühlten Spiegelscheiben besitzen eine rauhe Oberfläche und werden durch vier aufeinander folgende Schleifoperationen (Rauhschleifen, Klarschleifen oder Doucieren, Feindoucieren und Polieren) mit Maschinen sehr verschiedener Konstruktion, in einzelnen Stadien aber auch durch Handarbeit poliert. Man benutzt sie zur Verglasung von Schaufenstern oder zu Spiegeln (s. d.).

Gepreßtes Glas und Hartglas.

Einen wichtigen Zweig der Glaskurzwarenindustrie bildet das gepreßte G., welches in Hohlformen aus Messing gegossen und zur bessern Ausfüllung der Form mit Hilfe eines durch einen Hebelapparat eingetriebenen Metallkerns einem starken Druck ausgesetzt wird. Da es nicht gelingt, die Oberfläche des gepreßten Glases glatt und gleichmäßig herzustellen, so vermeidet man alle ebenen Flächen und wendet eine möglichst reiche, deckende Ornamentation an; auch körnt man den Grund zwischen den Ornamenten oder schleift ihn nachträglich matt. Befriedigende Resultate ergibt das Anwärmen des gepreßten Glases bis zum Erweichen, wobei die Oberfläche Glanz erhält. Anfangs benutzte man zu gepreßten Sachen nur das weiche, leicht schmelzbare Bleiglas, und erst in neuerer Zeit wendet man auch Kalkbarytnatronglas an. Hohlglas für den täglichen Gebrauch und kleine Kurzwaren bilden die hauptsächlichsten Produkte der Preßglasfabriken, welche indessen auch gläserne Spindelpfännchen und Achsenlager für Maschinen und die für Leuchttürme benutzten großen, von kreisförmig gekrümmten Prismen umgebenen Linsen und prismatischen Ringstücke liefern.

Wird verblasenes und geformtes G. bis zum Erweichen erhitzt und dann plötzlich gleichmäßig auf eine bestimmte Temperatur abgekühlt, so erlangt es sehr große Elastizität, Festigkeit und Härte sowie außerordentliche Widerstandsfähigkeit gegen schroffen Temperaturwechsel (Hartglas). Die Temperatur der Härtebäder, in welche man das heiße G. zur Abkühlung eintaucht, beträgt bei Bleiglas 60-120°, bei Natronkalkgläsern 150-300°, bei Kalikalkgläsern nicht unter 300°. Man benutzt zu den Bädern Mi-^[folgende Seite]