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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Glocken

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Glocken (Gestalt, Verhältnis zwischen den Dimensionen; Guß).

größte Weite beträgt das Fünfzehnfache, die Höhe dagegen (außen schräg an der Glocke gemessen) das Zwölffache der Metallstärke am Schlagring. Die Dicke der Glocke vermindert sich vom Schlagring bis zur halben Höhe derselben allmählich, von da an und in der ganzen obern Hälfte (Obersatz) beträgt sie nur den dritten Teil der Dicke des Schlagringes, von dem aus nach der Mündung hin sie ebenfalls abnimmt; dieser dünnere Rand heißt Bord. Der Durchmesser des obersten Teils der Glocke (Haube, Platte) steht zu dem ihrer Mündung im Verhältnis wie 1:2. Die Schwere des Klöppels oder Schwengels beträgt in der Regel etwa den 40. Teil vom Gewicht der Glocke. Der Helm (Wolf, Joch) besteht aus einem dicken Stück Eichenholz, das an seinen beiden Enden cylindrisch gestaltet und mit eisernen Zapfen versehen ist; die in messingenen Pfannen liegen, so daß, indem der Helm mittels eines Hebels und eines Seils gedreht wird, die zum Läuten nötigen Schwingungen der Glocke entstehen. Zur Befestigung der Glocke am Helm dient die auf der Haube befindliche Krone, welche aus sechs mit dem Glockenkörper zugleich gegossenen Henkeln besteht. An dem Hängeeisen, einem geschmiedeten eisernen Öhr, welches im Innern der Glocke von der Haube herabgeht, ist mittels starker lederner Riemen der Klöppel befestigt. Da der Aufhängungspunkt desselben tiefer liegt als jener der Glocke, so bilden Klöppel und Glocke zwei Pendel von verschiedener Länge, die also mit ungleicher Geschwindigkeit schwingen, so daß (indem die Glocke ihre Schwingungen langsamer macht als der Klöppel) letzterer zum Anschlagen kommt, was bei gleichen Schwingungen niemals der Fall sein würde. Der Klöppel ist aus Eisen geschmiedet, und der Stiel oder Schaft desselben verjüngt sich nach oben. Das Gewicht einer nach den gewöhnlichen Verhältnissen der Dimensionen gegossenen Glocke läßt sich, wenn N den Durchmesser der Glocke in Zollen bezeichnet, aus der Proportion 32^{3}:N^{3} = 600:x in Pfunden ermitteln. Da nun in allen Proportionen konstant ^[img] ist, so ergibt sich das gesuchte Gewicht x durch Multiplikation des in Zollen ausgedrückten und auf die dritte Potenz erhobenen Durchmessers mit 0,0182. Die Höhe oder Tiefe des Glockentons ist weder von der Höhe noch von der Metallstärke der Glocke, sondern einzig von deren Weite (an der Mündung) bedingt; doch sind die erstern beiden Umstände von wesentlichem Einfluß auf die Erzeugung eines reinen, angenehmen und lange nachtönenden Klanges. Denkt man sich die Glocke, senkrecht auf ihrer Achse, in Ringe geteilt, deren jeder, insofern er einen verschiedenen Durchmesser hat, seinen eignen Ton erzeugt, unter welchen indes der an der Mündung unmittelbar durch das Anschlagen des Klöppels entstehende am stärksten und vorzugsweise hervortritt, so wird es erklärlich, daß der Ton einer Glocke kein einfacher, sondern ein Gemisch von Tönen ist. In dem Maß, in welchem der Durchmesser der Glocke gegen die Haube derselben hin sich verringert, werden die Schwingungen der Metallteile schneller. Indem nun die Haube gerade halb so weit als die Mündung ist, so müssen die Schwingungen daselbst noch einmal so schnell sein, weshalb die Haube die Oktave des Haupttons abgibt. Erfahrungsgemäß gibt eine Glocke von 0,837 m Weite und 300 kg Gewicht ungefähr den Ton des zweigestrichenen c. Gestützt auf diese Voraussetzung und abgesehen von dem Einfluß, welchen die Beschaffenheit und Mischung des Glockenmetalls auf den Ton äußern, läßt sich auch für jeden andern Ton die Größe der Glocke berechnen, sofern man das Verhältnis der Schwingungszahlen der Töne einer Oktave berücksichtigt. Da nämlich die tönenden Schwingungen einer Glocke neben demselben Verhältnis schneller stattfinden, in welchem sich der Durchmesser der Glocke vermindert, so erfordert ein Ton, welcher im Vergleich zu einem andern durch zwei- oder dreimal schnellere Schwingungen erzeugt wird, auch eine Glocke von zwei- oder dreimal kleinerm Durchmesser. Unter den Tönen einer Oktave ist aber das Verhältnis der Schwingungszahlen und des Gewichts der G. (das Gewicht der den Grundton gebenden Glocke = 1 gesetzt) folgendes:

Ton der G. Schwingungszahlen Gewicht der G.

c 1,000 1,000

d 1,125 0,702

e 1,250 0,512

f 1,333 0,422

g 1,500 0,296

a 1,667 0,216

h 1,875 0,152

c 2,000 0,155

Ist der Durchmesser einer Glocke, welche den Grundton angibt, bekannt, so erhält man den Durchmesser für die Glocke des verlangten höhern Tons, indem man den erstern durch die entsprechende Schwingungszahl dividiert. Werden die der einen Oktave angehörenden Durchmesser verdoppelt, so erhält man die Durchmesser für die gleichnamigen Töne der Unteroktave. Ein gut zusammengestelltes Geläute muß aber, um auf das Ohr den erforderlichen angenehmen Eindruck zu machen, aus G. bestehen, deren Töne einen möglichst vollkommenen musikalischen Akkord bilden. Der vollkommenste Wohlklang entsteht aus Grundton, Terz und Quinte, welchen man noch, wenn vier G. erfordert werden, die Oktave hinzufügt. Nach Schafhäutl soll die Tiefe des Tons bei übrigens gleichen Verhältnissen zunehmen mit dem Quadrat des Durchmessers, und wenn G. von gleicher Materie in ihren Dimensionen in gleichem Verhältnis zu- und abnehmen, so sollen sich die Töne derselben umgekehrt wie die Kubikwurzeln aus dem Gewicht derselben verhalten. Übrigens haben auch hohes oder niedriges Aufhängen, schwerer oder leichter Anschlag sowie Anschlag mit breiter oder scharfer Fläche aus den Ton Einfluß. Den Ton durch Abdrehen auf der Drehbank zu ändern, ist wohl möglich, praktisch aber kaum ausführbar. Eine zersprungene Glocke verliert den Ton. Den Riß durch Neuguß mit einer leichter schmelzbaren Legierung zu füllen, ist unthunlich; vorteilhafter sägt man ein Stück heraus, so daß sich beim Schwingen die Sprungflächen nicht mehr berühren.

Große G. werden in Lehmformen gegossen. Der Schmelzofen ist ein Flammofen von kreisrunder oder ovaler, wenig vertiefter Form mit niedrigem Gewölbe, in welchem einige Löcher, Windpfeifen, angebracht sind, durch deren beliebiges Öffnen oder Schließen der Zug der Flamme nach den verschiedenen Teilen des Schmelzherdes geregelt und eine gleichmäßige Erhitzung des Ofens bewirkt werden kann. Gegenüber dem Feuerherd befindet sich das Stichloch oder Auge zum Ablassen des Metalls. Bei Zusammensetzung der Mischung muß man viel mehr Zinn anwenden, als die Glocke später enthalten soll. Man nimmt auf 3 Teile Kupfer 1 Teil Zinn, schmelzt zuerst alles Kupfer, setzt demselben 2/3 des Zinns hinzu und zuletzt, wenn alles in Fluß und das Gekrätz abgenommen ist, das übrige Zinn. Die Schmelzung erfordert