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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Goltzĭus; Göltzsch; Golubatz

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Goltzius - Golubatz.

nacheinander mehrere Gutspachtungen in Polen und Preußen ohne glücklichen Erfolg und ließ sich endlich 1830 mit den geretteten geringen Resten seines Vermögens in dem Städtchen Gollub nieder, von wo er 1847 nach Thorn übersiedelte. Die letzten Jahrzehnte seines Lebens ausschließlich mit litterarischen Arbeiten beschäftigt, die von Zeit zu Zeit durch größere Reisen unterbrochen wurden, starb er 12. Nov. 1870 in Thorn. Seine Schriften sind: "Buch der Kindheit" (Frankf. 1847, 4. Aufl., Berl. 1877); "Deutsche Entartung in der lichtfreundlichen und modernen Lebensart" (Frankf. 1847); "Das Menschendasein in seinen weltewigen Zügen und Zeichen" (das. 1850, 2 Bde.; 2. Aufl., Berl. 1867); "Ein Jugendleben, biographisches Idyll aus Westpreußen" (Leipz. 1852, 3 Bde.; 2. Aufl. 1865; 4 Bde.); "Ein Kleinstädter in Ägypten" (Berl. 1853, 3. Aufl. 1877); "Der Mensch und die Leute" (das. 1858, 5 Hefte); "Zur Naturgeschichte und Charakteristik der Frauen" (das. 1858, 5. Aufl. 1874); "Zur Physiognomie und Charakteristik des Volkes" (das. 1859); "Die Deutschen, ethnographische Studien" (das. 1860, 2 Bde.; 2. Aufl. unter dem Titel: "Zur Geschichte und Charakteristik des deutschen Genius", 1864); "Typen der Gesellschaft" (das. 1860, 2 Bde.; 4. Aufl. 1867); "Feigenblätter, eine Umgangsphilosophie" (das. 1862-64, 3 Bde.); "Die Bildung und die Gebildeten" (das. 1864, 2. Aufl. 1867); "Die Weltklugheit und die Lebensweisheit mit ihren korrespondierenden Studien" (das. 1869, 2 Bde.); "Vorlesungen" (das. 1869, 2 Bde.). In allen diesen Werken zeigt sich G. als realistischer Sonderling. Wie Rousseau Feind der zur Unnatur gesteigerten Kultur, möchte er, wie dieser, durch radikale Umgestaltung des Erziehungswesens ein kräftigeres Geschlecht und ein neues geistiges Leben der Menschheit anbahnen. Naturwahr bis zum Äußersten, so daß er selbst vor dem Cynischen nicht zurückscheut, wird er bei Darlegung seiner Ideen durch den Mangel an künstlerischer Abrundung und die Fülle ungeordneter Gedankenmassen oft ungenießbar. In seiner Schilderung virtuoser Kleinmaler, in seiner Beurteilung durchaus moralischer und politischer Rigorist, schöpft er aus den Details des wirklichen Lebens, schwärmt für patriarchalische Sitte und fühlt sich nur da sympathisch berührt, wo ihm naturwüchsige Kraft und Derbheit entgegentritt.

2) Friedrich Leopold, Mediziner, Neffe des vorigen, geb. 14. Aug. 1834 zu Posen, studierte 1853 bis 1857 in Königsberg, ward 1861 Prosektor daselbst und 1865 außerordentlicher Professor. 1870 ging er als Professor der Physiologie nach Halle und 1872 in derselben Eigenschaft nach Straßburg. G. ist anerkannt als einer der hervorragendsten Physiologen der Gegenwart, und besonders seine Untersuchungen auf dem Gebiet der Nervenphysiologie haben seinen Namen bekannt gemacht. Seine wichtigsten Abhandlungen betreffen die Lehre von den Reflexbewegungen. Die allgemein als Goltzscher Klopfversuch bezeichnete Thatsache, daß durch Reizung der Baucheingeweide (Klopfen auf den Bauch) der Hemmungsnerv des Herzens (vagus) so gereizt werden kann, daß dadurch das Herz zum Stillstehen gebracht wird, hat den Schlüssel zur Erklärung zahlreicher anderer Reflexerscheinungen geliefert. Er schrieb: "Lehre von den Funktionen der Nervenzentren" (Berl. 1869); "Über die Verrichtungen des Großhirns" (gesammelte Aufsätze, Bonn 1881).

Goltzĭus, Hendrik, niederländ. Maler und Kupferstecher, geb. 1558 zu Mülebrecht bei Venloo, kam nach Haarlem und lernte unter Coornhert und Ph. Galle. Er legte eine Kupferdruckerei an und bereiste seit 1590 mehrere Jahre Italien und Deutschland, überall scharf beobachtend und treffliche Studien machend. Er starb 1617 in Haarlem. G. hat sich namentlich um die Technik der Kupferstecherkunst Verdienste erworben. Er bildete jene plastische Behandlungsweise des Stiches aus, welche durch den Schwung und die Bewegung der Schattenlinien, durch ihr Anschwellen und Verschwinden, durch die verschiedene Art ihrer Durchschneidung den Gesetzen der Modellierung aufs genaueste sich anzubequemen sucht. Bewundernswert ist die Feinheit seiner Schraffierung, die Glätte und Reinheit seiner Striche, die Mannigfaltigkeit ihrer Lagen. Nicht minder ausgezeichnet ist er in der zarten Arbeit, wo er die feinsten Striche zu leichten, durchsichtigen Schatten sich verschmelzen läßt. Sein Talent, den Charakter des Stiches nach Willkür zu modifizieren, zeigen insbesondere seine sogen. sechs Meisterstücke: in der Verkündigung suchte er Raffaels Stil wiederzugeben; die Heimsuchung Mariä führte er in Parmeggianos, die Anbetung der Hirten in Bassanos, die heilige Familie in Baroccios, die Anbetung der Könige in Lucas van Leidens, die Beschneidung in Dürers Weise aus. Erst von seinem 42. Jahr an begann G. auch zu malen, doch stand er als Maler und Zeichner unter dem Einfluß der durch die äußerliche Nachahmung italienischer Meister hervorgerufenen manieristischen Strömung, welche damals die ganze holländische Kunst beherrschte. Seine Kupferstiche (ca. 330) sind daher nur erfreulich in der Technik, dagegen gespreizt und hohl in der Formengebung. Auch lieferte er einige treffliche Holzschnitte in Helldunkel. Seine Schüler Jacob de Gheyn, Jacob Matham, Jan Müller und Jan Saenredam trieben den Manierismus ihres Lehrers auf die Spitze.

Göltzsch, Nebenfluß der Weißen Elster, entspringt bei Falkenstein im sächsischen Vogtland und mündet bei Greiz. Über das Göltzschthal bei Netzschkau, zwischen Reichenbach und Plauen, führt ein großartiger Viadukt der Linie Leipzig-Hof der Sächsischen Staatsbahn, 579 m Länge und 80 m höchster Höhe. Der Länge nach besteht derselbe aus zwei Hauptabteilungen, von denen die erste 4 und die zweite 22 Bogen enthält. Diese 22 Bogen haben einen starken Mittelbau von vier je zwei und zwei gekuppelten Pfeilern, welche einen größern Bogen von 31 m lichter Weite einschließen. Die erste Abteilung hat eine mittlere Höhe von 34 m; die zweite Abteilung ist ihrer Höhe nach in vier Etagen eingeteilt, gebildet durch Gewölbe, welche in der ersten, zweiten und dritten Etage aus zwei voneinander getrennten Gurten bestehen; die vierte Etage, worauf das doppelte Bahngeleise liegt, hat ein ungetrenntes Gewölbe von 8 m Breite. Von der Fundamentsohle bis an das Gewölbewiderlager sind sämtliche Pfeiler der ersten Etage aus Granit- und Sandsteinquadern erbaut, die Pfeiler der übrigen Etagen aber nur bis auf einige Meter über das Terrain von Quadern oder Bruchsteinen ausgeführt und außerdem nur noch die Bogen der vierten Etage aus Hausteinen konstruiert; alle übrigen Teile der Brücke bestehen aus Ziegelmauerwerk. Der Bau, von dem Oberingenieur Hauptmann Wille entworfen und geleitet, wurde im Herbst 1845 begonnen und 15. Juli 1851 vollendet; die Baukosten betrugen gegen 7 Mill. Mk.

Golubatz, Flecken in Serbien, Kreis Poscharewatz, an der Donau, früher Festung, mit schöner Schloßruine und 1072 Einw. In der Nähe eine Höhle, aus welcher im Sommer die furchtbaren Schwärme der Golubatzer Mücken sich rechts und links der Donau verbreiten.