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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Graf; Gräf

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Graf - Gräf.

lehen besitzenden Grafen mit den Prälaten die zweite Klasse derselben ausmachten. Markgrafen (s. d.), ursprünglich "Grenzgrafen", welchen die Beaufsichtigung tributpflichtiger Grenzlandschaften anvertraut war, und Pfalzgrafen (s. d.), ursprünglich die Stellvertreter des Königs bei Ausübung der höchsten Gerichtsbarkeit, erhoben sich bald zu völlig gleichem Rang mit den Herzögen. Seit dem 13. Jahrh. blieben diese Standesverhältnisse im wesentlichen unverändert. Die von den deutschen Kaisern kraft der wenigen ihnen gebliebenen Reservatrechte verliehenen Grafen- und Fürstentitel erhoben zwar die damit Ausgezeichneten in den Herrenstand, befreiten aber weder Personen noch Güter von der Landeshoheit, wie sie auch keine Reichsstandschaft begründeten. Die wirklich reichsständischen Grafen (Reichsgrafen) aber, wozu nur diejenigen gerechnet werden sollten, welche bis 1582 die Reichsstandschaft ausgeübt hatten, stimmten auf dem Reichstag nicht einzeln, sondern nach Kurien, deren anfangs zwei waren, die wetterauische und die schwäbische, zu denen 1640 noch eine fränkische und 1653 eine westfälische kam. Grafschaften, welchen fürstliche Rechte ausdrücklich verliehen wurden, bezeichnete man als gefürstete Grafschaften. Mit den infolge des Umschwunges der politischen Verhältnisse zu Anfang des 19. Jahrh. eintretenden Mediatisierungen hörte die Souveränität der Grafen und Herren völlig auf. Nur der Landgraf von Hessen-Homburg bewahrte sich die Souveränität, bis mit seinem im März 1866 erfolgten Tod seine Dynastie ausstarb. Die früher reichsunmittelbaren Grafengeschlechter, wie die Grafen von Castell, Erbach, Fugger, Giech, Leiningen, Neipperg, Ortenburg, Pappenheim, Quadt-Wykradt, Rechberg, Rechteren, Solms, Stolberg u. a., gehören jetzt als Standesherren zum deutschen hohen Adel (s. d.). Außer den Burggrafen (s. d.), die zu keiner der angeführten Kategorien gehörten, sind noch die westfälischen Freigrafen (Gografen) des Femgerichts zu erwähnen (s. Femgerichte). Jene übten, wie die alten Gaugrafen (s. Gau), den ihnen vom Kaiser verliehenen Blutbann sowie die Gerichtsbarkeit über Freie aus; diese aber richteten ohne kaiserliche Beleihung und zogen erst allmählich alle Streitsachen an sich, die nicht Freie betrafen. Besondere, von den landesherrlichen Gerichten eximierte Verhältnisse bezeichneten früher die Titel Holz-, Salz-, Deich-, Mühl- und Wassergrafen und der Hansgraf zu Regensburg, der Vorsitzende des Handelsgerichts (von Hansa abgeleitet). Vorstände der betreffenden Korporationen führen hier und da noch jetzt solche Titel. In die merowingische Zeit zurück reicht die Würde des Stallgrafen (comes stabuli, daher das franz. connétable und das engl. constable), dessen anderweite Benennung Marschall später mehr in Gebrauch kam. Es war damit die Aufsicht über die königlichen Ställe, später auch Gesandtschaft und Heerführerschaft im Krieg verbunden. Den eigentlichen Pfalzgrafen ganz fern stehen die seit dem 14. Jahrh. vorkommenden Hofpfalzgrafen (comites sacri palatii lateranensis), eine völlig neue Art von Beamten; deren Titel der römischen Hofordnung entlehnt war, und denen die Ausübung einzelner kaiserlicher Rechte anvertraut war (s. Pfalzgraf). - G. oder Comes der sächsischen Nation heißt noch heute in Siebenbürgen der Chef der politischen Behörden des Sachsenlandes.

Graf, 1) Urs, Maler, Kupferstecher, Zeichner für den Holzschnitt und Goldschmied, geboren zwischen 1485 und 1490 zu Solothurn, führte als Landsknecht ein abenteuerliches, wildes Leben, ließ sich 1509 in Basel nieder und starb daselbst um 1529. Von seinen Gemälden hat sich nichts erhalten. Seine Handzeichnungen, Kupferstiche und Zeichnungen für den Holzschnitt, meist Sittenbilder, Landsknechte und Genrefiguren in derber, sinnlicher Auffassung, erinnern in der Lebendigkeit und Frische der Darstellung an Hans Holbein den jüngern. Vgl. Amiet, Urs G. (Basel 1873).

2) Arturo, ital. Dichter und Gelehrter von deutscher Herkunft, geb. 1848 zu Athen, brachte seine Kindheit in Rumänien zu, studierte dann die Rechte auf der Universität Neapel und habilitierte sich 1874 als Privatdozent an der Universität zu Rom. Schon während seines Aufenthalts in Neapel hatte er sich nebenbei mit Philologie sowie mit den Naturwissenschaften befaßt und Proben eines eigentümlichen poetischen Talents gegeben. Er veröffentlichte: "Versi" (Braila 1874); "Poesie e novelle" (Rom 1876) und zuletzt eine Gedichtsammlung, "Medusa" (Turin 1880), in welcher der Dichter ergreifende Töne für den Ausdruck seiner ernsten, etwas düstern und sozusagen nordisch angehauchten Stimmung zu finden weiß. Von seinen Prosaschriften mögen genannt sein: "Dell' epica neolatina" (Rom 1876); "Delle origini del dramma moderno" (das. 1876); "Della storia letteraria e de' suoi metodi" (Turin 1877); "Studii drammatici" (das. 1878); "Roma nella memoria e nelle immaginazioni del medio evo" (das. 1882-1883, 2 Bde.) und einige interessante Abhandlungen zur vergleichenden Sagenkunde, wie: "La leggenda del paradiso terrestre" (Tur. 1879), "Prometeo nella poesia" (das. 1880), "La leggenda dell' aurora" (das. 1881) u. a. Aus einem Kodex der Nationalbibliothek in Turin gab er heraus: "Complementi della Chanson d'Huon de Bordeaux" (Halle 1878). Gegenwärtig lebt G. als Professor der Litteratur an der Universität zu Turin. Mit Fr. Novati und R. Renier gibt er das "Giornale storico della letteratura italiana" (Turin, seit 1883) heraus.

Gräf, Gustav, Maler, geb. 14. Dez. 1821 zu Königsberg, ging zunächst auf die Akademie in Düsseldorf und bildete sich dort unter Th. Hildebrand und Wilh. v. Schadow aus. G. trat zuerst 1846 mit einem Bild aus den Nibelungen auf: Kriemhild bittet Hagen, ihren Gemahl Siegfried an der verwundbaren Stelle, die sie ihm zeigt, zu behüten. Dann ging er zu seiner weitern Ausbildung nach Antwerpen, Paris, München und Italien. 1851 stellte er ein historisches Bild: Jephtha und seine Tochter, aus, welches nicht frei von Kälte und Leere war. 1852 ließ er sich in Berlin nieder und schuf zunächst eine Frieszeichnung, aus der deutschen Urgeschichte: wie der Heerschild geschlagen wird, dem dann 1853 zwei Hochmeister in Marienburg, die Unterwerfung Wittekinds durch Karl d. Gr. nach Kaulbachs Entwurf im Neuen Museum und von 1860 an mehrere Bilder aus den deutschen Befreiungskriegen folgten, die durch ihre schlichte Einfachheit und gediegene Technik allgemein ansprachen. Es sind namentlich: der Auszug ostpreußischer Landwehr nach kirchlicher Einsegnung (1861), die Vaterlandsliebe der Ferdinande v. Schmettau 1813 (1862, Nationalgalerie in Berlin) und der Abschied des litauischen Landwehrmanns von seiner Geliebten (1864). Später besuchte er noch zu wiederholten Malen Paris, Wien und Oberitalien, London und Schottland und 1874 Rom. Seit 1862 widmete er sich namentlich dem Porträt und brachte es sowohl in den männlichen (z. B. Kriegsminister v. Roon, Berlin, Nationalgalerie) als weiblichen zu vorzüg-^[folgende Seite]