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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Graduiert; Gradus; Gradus ad Parnassum; Gräen; Graf

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Graduiert - Graf.

Ende zugeschmolzenen Meßröhrchen, welches, mit Quecksilber bis zum Überfließen gefüllt und dann abgestrichen, genau 1 Raumteil, z. B. 1 ccm, Quecksilber von bestimmter Temperatur enthalten muß. Dies Gefäß entleert man in die senkrecht stehende zu graduierende Röhre, liest genau ab und bezeichnet den Gipfel des Meniskus mit einem wagerechten Strich an der Röhre. Hierauf wird das Meßgefäß zum zweitenmal gefüllt, in die Röhre entleert und der Stand des Quecksilbers abermals bezeichnet. Auch mit Hilfe einer Bürette kann man eine Röhre g., wenn man stets gleich große Mengen von Quecksilber oder Wasser aus derselben in die Röhre fließen läßt. Traut man der Röhre zwischen je zwei der nun aufgetragenen Teilstriche ein gleichbleibendes Kaliber zu, so wird die feinere Teilung mit einer Teilmaschine ausgeführt. G. nennt man auch die mechanische Teilung jedes Limbus (s. Mikrometer, Teilmaschine).

Graduiert (graduierte Person), derjenige, welcher in einer akademischen Fakultät einen Gradus, d. h. die Würde eines Bakkalaureus, Lizentiaten, Magisters oder Doktors, erhalten hat.

Gradus (lat.), Grad, Stufe; auch Rang, amtlicher Charakter, Ehrenstelle; besonders auch eine akademische Würde (s. Graduiert); per g., stufenweise; pro gradu disputieren, zur Erlangung eines akademischen Grades disputieren; g. comparationis, Vergleichungsgrade (s. Komparation); g. admonitionis, die Stufenfolge der Warnungen und Verweise, die den g. poenitentiales, den Stufen der Kirchenbuße (s. Bußstationen), vorangehen; g. cognationis, Verwandtschaftsgrade; g. prohibiti, verbotene (Verwandtschafts-) Grade, bei welchen keine Eheverbindung geschlossen werden darf (vgl. Ehe, S. 337).

Gradus ad Parnassum (lat., "Stufe zum Parnaß"), Titel eines lateinischen Wörterbuchs mit Angabe der Quantität eines jeden Wortes und Hinzufügung gleichbedeutender Wörter, poetischer Ausdrücke etc. zum Gebrauch bei Übungen in der lateinischen Verifikation. Es wurde herausgegeben vom Jesuiten Paul Aler (Köln 1702), neu bearbeitet unter andern von Koch (8. Aufl., Leipz. 1879). Einen griechischen G. gaben Braß (Lond. 1832) und Siedhof (Götting. 1839) heraus.

Gräen ("Greisinnen"), in der griech. Mythologie Töchter des Phorkys und der Keto (daher auch Phorkiden genannt), nach Hesiod zwei, nach Äschylos drei, nämlich Deino, Pephredo und Enyo. Sie hatten von Geburt an graue Haare, besaßen zusammen nur Einen Zahn und Ein Auge, deren sie sich abwechselnd bedienten, eherne Hände und wohnten im fernsten Westen in ewiger Dunkelheit, nahe dem Bezirk der Gorgonen, als deren Schwestern und Wächterinnen sie galten. Als daher Perseus (s. d.) gegen die Gorgonen auszog, traf er zuerst auf die G., raubte ihnen ihren Zahn und ihr Auge und gab es ihnen nicht eher zurück, bis sie ihm den Weg zu den Nymphen gezeigt hatten, von welchen er seine Ausrüstung empfing. Nach andrer Sage warf er sie in den Tritonischen See.

Graf (lat. Comes, franz. Comte, engl. Earl, ital. Conte), ein Wort von unbestimmter Abstammung, zuerst in der latinisierten Form (Garafio, Grafio) in der aus dem 5. Jahrh. herrührenden "Lex Salica" als Titel der höchsten vom König ernannten und je über einen Pagus (Gau) gesetzten Beamten vorkommend, bezeichnet ursprünglich eine amtliche Stellung. Nach Jakob Grimm ist das Wort gleichbedeutend mit gisello (socius), Geselle, Hausgenosse (des Königs). Nach dem Salischen Gesetz hatte der G. als Vorsteher des Gaues die Befugnis, vor Gericht zu laden und das Urteil zu vollstrecken sowie Friedensgelder zu erheben. Die Amtsgewalt des Grafen, der den spätrömischen Titel Comes erhielt, wuchs mit der königlichen Macht, namentlich bei den Franken; er führt jetzt nicht nur den Vorsitz bei Gericht, sondern schreitet auch von Amts wegen bei Verbrechen ein, handhabt die Polizei, bietet den Heerbann auf und übernimmt dessen Führung, erhebt die Steuern, Zölle und Strafgelder, verwaltet auch häufig die königlichen Besitzungen, nimmt den Huldigungseid ab etc. Außer Geschenken, die er von Gaueingesessenen und dem König erhält, ist ihm auf die Zeit seiner Amtsdauer ein gewisser Grundbesitz zugewiesen. Als Stellvertreter des Grafen werden genannt der vom König ernannte Vicarius, welcher besonders bei Gericht und bei der Steuererhebung für den Grafen fungierte, und ein Abgeordneter des Grafen (missus comitis). Neben diesen kommen unter den Merowingern auch schon, wenn auch ohne gräflichen Titel, außerordentliche Sendboten des Königs selbst (missi regis) vor. Karl d. Gr. teilte nach Beseitigung der Stammes- oder Nationalherzöge sein ganzes Reich in Grafensprengel (Gaue) ein. Statt des Vicarius tritt seit dem 9. Jahrh., namentlich in den südlichen Provinzen, der Vizecomes (woraus das französische Vicomte und das italienische Visconti entstand) auf. Der Pfalzgraf (comes palatii, comes palatinus), der anfangs nur als Rechtskundiger bei Sitzungen des Gerichts die Entscheidung der Beisitzer zusammenzufassen und damit das Urteil zum Abschluß zu bringen hatte, besorgt jetzt in Gemeinschaft mit dem Kanzler die weltlichen Geschäfte am Hof im allgemeinen, hat aber dabei noch insbesondere die Leitung des höchsten königlichen Gerichts. Was die Einkünfte der Grafen in der karolingischen Zeit anlangt, so erhielten diese eine bedeutende Vermehrung, indem die Grafen Abgaben und Dienste zum Besten ihrer Güter in Anspruch nahmen und außer den Gütern, welche ihnen durch ihr Amt zufielen, oft noch Benefizien besaßen, d. h. Güter, welche ihnen zur Nutznießung auf Lebenszeit des Königs übergeben waren. Da nun dergleichen Benefizien, wenn sie längere Zeit im Besitz von Inhabern einer und derselben Grafschaft gewesen waren, oft mit den Gütern der letztern für immer verbunden wurden, so erklärt es sich, wie jene umfänglichen Komplexe von Gütern entstehen konnten, welche die Grundlagen vieler späterer Grafschaften bildeten. Unter Grafschaften verstand man nach Auflösung der alten Gauverfassung und Gaueinteilung nämlich nicht mehr ein Amt, sondern einen Bezirk, dessen Besitzer gewisse Rechte, namentlich die Gerichtsbarkeit, zustanden. Wie aber die Lehen in Deutschland nach und nach überhaupt erblich wurden, so auch die Grafschaften, und so kommt es, daß die Grafen seit dem 11. Jahrh. ihren Namen nicht mehr von dem Gau, über den sie ursprünglich gesetzt worden waren, sondern von dem Hauptbestandteil ihres Güterkomplexes führen; auch führten sie oft nicht einmal den Titel "Grafen", sondern begnügten sich mit dem damals gewöhnlichen Adelsprädikat "Nobiles" oder "Liberi Domini". Das ihnen als Afterlehen von ihren Lehnsherren übertragene Richteramt verwalten diese neuern Grafen nicht mehr persönlich, sondern durch besonders bestellte Richter. Die Inhaber des alten Gaugrafenamtes nennen sich im Gegensatz zu diesen Lehnsgrafen Landgrafen (comites provinciales) und zählen, nachdem sie sich von der Gewalt der Herzöge frei gemacht, zum Fürstenstand, also zur ersten Klasse der Reichsstände, während die ein After-^[folgende Seite]