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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gregoras; Gregorianer; Gregorianischer Gesang; Gregor von Nazianz; Gregor von Nyssa; Gregor von Tours

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Gregor von Nazianz - Gregorianischer Gesang.

Gregor von Nazianz, genannt der Theolog, Kirchenvater, wurde um 328 zu Arianz in Kappadokien geboren und erhielt seine Bildung zu Cäsarea, Alexandria und zuletzt in Athen, wo er sich mit Basilius d. Gr. eng befreundete. In sein Vaterland zurückgekehrt, bewies er in verschiedenen Stellungen in Nazianz eine zwischen Liebe zum kontemplativen Stillleben und Trieb zum praktischen Eingreifen in die Kirchenhändel schwankende Haltung. Vom Kaiser Theodosius 380 zum Patriarchen von Konstantinopel ernannt, legte er schon 381 auf dem zweiten ökumenischen Konzil auch diese Würde wieder nieder und lebte seitdem zurückgezogen bis zu seinem Tod (um 390). Gregors ganzes Leben war der Verteidigung der Athanasianischen Orthodoxie gegenüber den Häresien der Arianer und Apollinaristen gewidmet, wobei ihm seine mehr prunkende als sachlich verfahrende Beredsamkeit sehr zu statten kam. Unter seinen Werken sind die namhaftesten die fünf "Theologischen Reden", welche er in der Kapelle Anastasia zu Konstantinopel zur Verteidigung der nicäischen Dreieinigkeitslehre gegen die Eunomianer hielt. Die beste Ausgabe seiner Schriften ist die von Clemencet besorgte (Par. 1778, 1840); in Auswahl von Goldhorn (Leipz. 1854). Vgl. Ullmann, G. v. N. (2. Aufl., Gotha 1867); Böhringer, Die Kirche Christi und ihre Zeugen, Bd. 8 (Zürich 1875); Benoît, Saint Grégoire de Nazianze (2. Aufl., Par. 1885, 2 Bde.).

Gregor von Nyssa, Kirchenvater, Bruder Basilius' d. Gr., geb. 331 zu Cäsarea in Kappadokien, seit 371 Bischof von Nyssa, gest. 394. Wie Origenes, so suchte auch G. in den theologischen Bewegungen seiner Zeit der Wissenschaft einen freien Spielraum zu verschaffen; ja, er ist der erste, welcher es unternahm, den ganzen Komplex der kirchlichen Lehre spekulativ zu entwickeln. Dabei war er eine Säule der für das Mysterium der Trinität und Menschwerdung Gottes kämpfenden Kirche. Ausgaben seiner Werke sind zuletzt unternommen worden von Forbesius (Lond. 1855 bis 1861) und Öhler (Halle 1865, Bd. 1; auch mit Übersetzung, Leipz. 1858-59, 4 Tle.). Vgl. Rupp, Gregors von Nyssa Leben und Meinungen (Leipz. 1834); Heyns, De Gregorio Nysseno (Leiden 1835); Böhringer, Die Kirche Christi und ihre Zeugen, Bd. 8 (Zürich 1875). Einzelne Punkte seines Lehrbegriffs haben Möller (Halle 1854), Stigler (Regensb. 1857) und Hermann (Halle 1875) behandelt.

Gregor von Tours, fränk. Geschichtschreiber, aus einer vornehmen römischen Familie in Clermont-Ferrand um 540 geboren, hieß eigentlich Georgius Florentius, nannte sich aber später G. nach seinem mütterlichen Ahnherrn, dem heil. Gregor von Langres. Er wurde 573 zum Bischof von Tours ernannt, stand wegen seiner Frömmigkeit und Gelehrsamkeit bei den fränkischen Königen Sigbert, Guntram und Childebert II. in hohem Ansehen und trat den Gewaltthätigkeiten des Königs Chilperich von Soissons und der Fredegunde kräftig entgegen, indem er nicht nur den Herzog Guntram und Chilperichs Sohn Meroväus gegen des Königs Verfolgungen schützte, sondern auch die Rechte des jungen Königs Childebert von Austrasien aufs kräftigste vertrat. Vom Volk als Wunderthäter und Heiliger verehrt, starb er 17. Nov. 594. Sein Hauptwerk ist die "Historia Francorum" in 10 Büchern, zwar vom kirchlichen Standpunkt aus in kunstloser, einfacher, grammatisch nicht korrekter Sprache und ohne tieferes historisches Verständnis geschrieben, aber als Quelle für die Geschichte seiner Zeit bis 591 von hoher Wichtigkeit; am Schluß ist ein Abriß seines eignen Lebens hinzugefügt. Außerdem schrieb G. Geschichten von Märtyrern, von den Wundern des heil. Martin etc., die er selbst unter der Benennung "VII libri miraculorum" zusammenfaßte, in einem Buch: "Vitae patrum", das Leben mehrerer frommer gallischer Geistlichen. Seine sämtlichen Werke erschienen Paris 1522; von Ruinart herausgegeben, das. 1699; die "Historia Francorum" im 2. Band von Boucquets "Recueil des historiens des Gaules et de la France" (das. 1738-1818) und in den "Monumenta Germaniae historica" (1884-85, 2 Tle.); eine deutsche Übersetzung mit vortrefflicher Einleitung lieferte Giesebrecht (2. Aufl., Leipz. 1879, 2 Bde.); den geschichtlichen Stoff verarbeitete Thierry in seinen "Récits des temps mérovingiens". Vgl. Löbell, G. von Tours und seine Zeit (2. Aufl., Leipz. 1869); G. Monod, Études critiques sur les sources de l'histoire mérovingienne (Par. 1872).

Gregoras, Nikephoros, byzantin. Geschichtschreiber, geb. 1295 zu Herakleia in Pontus, lebte seit 1322 am Hof des Kaisers Andronikos, der ihn in diplomatischen Geschäften verwendete, und lehrte nach kurzer Verbannung zu Konstantinopel Chronologie und Astronomie, nahm an den durch Palamas (s. d.) hervorgerufenen Unruhen als Gegner der Palamiten lebhaften Anteil, wurde von dem Patriarchen Kallistos 1351-54 wegen ketzerischer Lehren in ein Kloster eingeschlossen und starb 1360. Sein berühmtestes Werk ist die "Römische Geschichte", eine Geschichte des byzantinischen Reichs in 38 Büchern, von 1204 bis 1359, parteiisch und in affektiertem Stil geschrieben. Die ersten 11 Bücher sind herausgegeben in Wolfs "Historiae byzantinae scriptores, III" (Basel 1562 u. öfter), 24 Bücher von Boivin (griech. u. lat., Par. 1702, 2 Bde.; Vened. 1729). Alle 38 Bücher enthält die Ausgabe von Schopen u. I. ^[Immanuel] Bekker (Bonn 1829-55, 3 Bde.). Die ersten 11 Bücher wurden von Dolce ins Italienische und von Cousin ins Französische übersetzt. Außerdem hat man von G. theologische Streitschriften, philosophische Abhandlungen, astronomische Schriften, Briefe (worunter 6 hrsg. von Mustoxydi, Vened. 1817; 11 in Boissonades "Anecd. graec.", Bd. 3), grammatische Schriften etc.

Gregorianer, s. Hieronymianer.

Gregorianischer Gesang, der durch Gregor I., den Großen, neugeregelte Ritualgesang der christlichen Kirche, der bis auf den heutigen Tag die Grundlage des katholischen Kirchengesangs bildet. Man unterscheidet historisch den Gregorianischen Gesang vom Ambrosianischen Gesang (s. d.), weiß aber eigentlich nicht recht, worin der Unterschied beider bestanden. Die Fabel, daß der Ambrosianische Gesang rhythmisch belebt gewesen sei, der Gregorianische dagegen statt dessen die feierliche Bewegung in gleichlangen Noten eingeführt habe, ist ein großer chronologischer Irrtum, denn zum Cantus planus (in gleichlangen Noten) ist der Gregorianische Gesang erst nach Aufkommen der Mensuralmusik geworden, wie aus vielen Stellen frühmittelalterlicher Schriftsteller deutlich hervorgeht. Die Tonschrift, in welcher Gregor das nach ihm benannte Antiphonar abfassen ließ, war nicht, wie man früher fälschlich annahm, lateinische Buchstabentonschrift (daher der Ausdruck Gregorianische Buchstaben für A B C D E F G als Tonnamen als historischer Irrtum verwerflich ist), sondern vielmehr die Neumenschrift (s. Neumen). Eine Kopie des nicht mehr existierenden Originals befindet sich in der Stiftsbibliothek zu St. Gallen. Seit Erfindung der Linien und Schlüssel (11. Jahrh.) wird der Gregorianische Gesang gewöhnlich mit der sogen.