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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Großbritannien

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Großbritannien (Geschichte: Elisabeth, Jakob I.).

eine Empörung zu ihren gunsten ausgebrochen und niedergeschlagen war, dasselbe Schicksal. Als fanatische Katholikin begann Maria sogleich eine kirchliche Reaktion, die nach ihrer Vermählung mit dem Prinzen Philipp (nachmals König Philipp II. von Spanien) in förmliche Verfolgung der Protestanten ausartete. Der katholische Gottesdienst und die Abgaben an den Papst wurden wieder eingeführt und unter Leitung der Bischöfe Gardiner und Bonner ein Ketzergericht eingesetzt: gegen 290 Personen, darunter Erzbischof Cranmer und 2 Bischöfe, aber auch 60 Frauen und 40 Kinder, wurden verbrannt; Maria verdankt diesen Verfolgungen den Beinamen der "Blutigen". Durch ihren Gemahl wurde die Königin 1557 veranlaßt, an dem Krieg Spaniens gegen Frankreich teilzunehmen, und englische Truppen halfen Philipp den Sieg von St.-Quentin gewinnen. Dagegen ging 1558 Calais, die letzte Besitzung Englands auf französischem Boden, verloren. Der Gram hierüber beschleunigte Marias Tod (17. Nov. 1558).

Unter der Regierung ihrer Stiefschwester, der protestantischen Elisabeth (1558-1603), der Tochter Heinrichs VIII. aus seiner Ehe mit Anna Boleyn, ward der kirchliche Zustand des Landes wiederhergestellt, wie er unter Eduard VI. gewesen. Sie forderte von der Geistlichkeit, den Beamten und Parlamentsmitgliedern den Supremateid, d. h. die eidliche Anerkennung ihrer kirchlichen Suprematie, und entfernte alle Widerspenstigen aus ihren Ämtern. Mit gleicher Strenge verfuhr sie gegen die Nonkonformisten, welche die 1571 vom Parlament aufgestellten 39 Artikel, eine revidierte Erneuerung der 42 Artikel Cranmers, nicht anerkannten. Nachdem mit Frankreich Friede geschlossen war, durch den Calais zunächst auf acht Jahre in französischen Händen belassen wurde, entspann sich ein Krieg mit Schottland über das Wappen und den Titel einer Königin von England und Irland, deren sich die Königin Maria Stuart (s. d.) von Schottland bediente; doch legte auch diesen ein vorteilhafter Vertrag bei. Elisabeths Verfahren gegen Maria bildet einen schwarzen Fleck in ihrer Regierung. Um so glücklicher und segensreicher für die Nation war dieselbe aber fast in allen andern Beziehungen. Freilich war Elisabeth recht eigentlich Herrscherin, nicht bloß Königin des Landes: die Rechte des Parlaments blieben zwar formell unangetastet, aber die Bedeutung desselben war viel geringer als unter den Lancasters; in der Regel stimmte es allen Vorschlägen der Regierung, ohne Opposition zu machen, zu, zumal die strengste Sparsamkeit im Staatshaushalt Elisabeth auch hinsichtlich der Finanzen vom Parlament unabhängig machte. Auch die Rechtspflege stand unter dem maßgebenden Einfluß der Regierung. Die Sternkammer dehnte ihre Gewalt über alles aus, was nicht gerade ins bürgerliche Recht einschlug; die sogen. hohe Kommission richtete Ketzereien und kirchliche Vergehen, und den Kriegsgerichten wurden selbst Kriminalvergehen unterworfen. Dessenungeachtet war Elisabeths Regierung populär, da unter ihr die materielle Wohlfahrt einen bedeutenden Aufschwung nahm und der Ackerbau, das Manufakturwesen, besonders die Produktion in Metall und Seide, zu hoher Blüte gediehen. Der auswärtige Handel entfaltete sich mit der Schiffahrt; neben dem lebhaftesten Verkehr mit Rußland begannen die Verbindungen mit der Levante und mit Ostindien. Im J. 1600 erteilte die Königin der Ostindischen Kompanie den ersten Freibrief. Auch in Nordamerika wurde unter ihr die erste englische Niederlassung begründet und zu Ehren der "jungfräulichen Königin" Virginia benannt. Auch die auswärtige Politik befand sich im Einklang mit dem Interesse des Volkes; Englands Bestrebungen richteten sich fortan hauptsächlich gegen Spanien, den Verfechter des Katholizismus und den Beherrscher der Meere, und die Zerstörung der spanischen Armada 1588 durch die neugeschaffene englische Flotte steigerte das Selbstvertrauen der Nation. Zahlreiche Expeditionen gegen die spanischen Flotten und Häfen in allen Meeren wurden von Walter Raleigh und Franz Drake mit Glück unternommen und unermeßliche Schätze erbeutet. Der von Elisabeth mit Geld und Truppen unterstützte Aufstand der Niederlande versetzte der spanischen Macht den empfindlichsten Schlag und schuf einen neuen protestantischen Staat, der nach vorübergehenden Rivalitäten schließlich mit G. meist Hand in Hand ging. Die letzten Jahre der Königin wurden durch einen Aufstand in Irland beunruhigt. Ihn zu unterdrücken, sandte sie ihren Günstling, den Grafen Essex (s. d. 2), dorthin; als dieser aber mit den Aufständischen einen für diese günstigen Vergleich schloß, berief sie ihn 1599 zurück und ließ ihn, da er einen Aufstand plante, 25. Febr. 1600 hinrichten. Der Gram hierüber nagte an ihrem Leben: in demselben Jahr, da die Empörung in Irland völlig niedergeschlagen war, starb Elisabeth, die letzte aus dem Haus Tudor, die eigentliche Begründerin der englischen Größe, 24. März 1603. Sie hatte den Urenkel Heinrichs VII., Jakob VI. von Schottland, den Sohn der Maria Stuart, zu ihrem Nachfolger ernannt.

England unter dem Hause Stuart.

Mit diesem, Jakob I. (1603-25), kam das Haus Stuart (1603-1714) auf den englischen Thron. Obschon die Engländer die Thronbesteigung dieses Hauses in Rücksicht auf Schottland gern sahen, so verweigerte doch gleich das erste von Jakob berufene Parlament 1604 die von ihm beabsichtigte Verschmelzung beider Reiche zu einem einzigen unter dem Namen G. mit Einer Nationalvertretung und Einer einheitlichen Verwaltung. Jakob I. war ein pedantischer Gelehrter; er besaß sehr hohe Begriffe von den königlichen Prärogativen und stand damit im entschiedenen Gegensatz zu der Stimmung des englischen Volkes. Namentlich war die zahlreiche, im Unterhaus stark vertretene Religionspartei der Puritaner (s. d.) zu energischem Widerstand gegen kirchlichen und politischen Despotismus gerüstet. Der König hingegen war ein entschiedener Anhänger der bischöflichen Kirchenverfassung, deren strenge hierarchische Gliederung seinen politischen Grundsätzen entsprach, und die er deshalb auch in Schottland eingeführt hatte; er verfolgte die Puritaner und namentlich die Geistlichen, welche den Supremateid nicht leisten wollten. Die Folge einer vereitelten Verschwörung, der von Guy Fawkes und andern katholischen Fanatikern angezettelten sogen. Pulververschwörung (s. d.), war eine Verschärfung der Gesetze gegen die Katholiken, indem man einen neuen religiösen Treueid (Oath of allegiance) einführte, den jeder Geistliche und seit 1610 auch jeder weltliche Beamte neben dem Supremateid schwören mußte. Die Katholiken wurden dadurch, da ihnen der Papst 1606 verbot, den Eid zu leisten, von allen Staatsämtern ausgeschlossen. Ernstliche Zerwürfnisse zwischen König und Parlament traten 1610 ein. Jakob, dessen Prachtliebe und Eitelkeit großer Summen bedurfte, verlangte Geld; die Gemeinen aber wollten dies nicht eher bewilligen, als bis die Beschwerden des Volkes gehört seien. Die kleinlichen Mittel, die der König anwandte, um sich