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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Guatemala

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Guatemala (Bevölkerung, Erwerbszweige, staatliche Verhältnisse).

Kupfer und Blei gewonnen. Mineralöle sind nahe der atlantischen Küste an den Ufern der Seen Vincente und Lampara entdeckt.

[Bevölkerung.] Die Bevölkerung von G. belief sich 1886 auf 1,322,544 Seelen (1872: 1,190,754), einschließlich von ca. 360,000 Weißen. Die Weißen sind meist Kaufleute und Pflanzer, die Ladinos (Mischlinge von Weißen und Indianern) Handwerker und kleine Kaufleute. Die Indianer (Maya-Quiché) bilden die ackerbauende Bevölkerung und zeichnen sich durch Fleiß und sanften Charakter aus. Eine ansehnliche Zahl von ihnen ist mit allen Rechten der Staatsbürgerschaft begabt und im Besitz bedeutender Ländereien. In einem großen Teil des Landes haben sich die Indianer noch unvermischt erhalten, sprechen ihre Muttersprache und richten sich nur äußerlich nach dem Gesetz und der Religion des Landes. Von Rassenhaß wird nichts verspürt, wie überhaupt die Sitten in G. milder, der Fleiß größer, die geselligen Verhältnisse geschmeidiger sind als in den andern Staaten Zentralamerikas. Im N. leben auch noch ununterworfene Indianerstämme, namentlich im Quellgebiet des Usumacinta. Die Zahl der Geburten war 1885: 63,687, der Todesfälle 25,747 (?).

Die geistige Kultur des Landes ist gering, obgleich unter den fünf Staaten Zentralamerikas G. in dieser Beziehung noch den ersten Platz behauptet und namentlich in neuester Zeit löbliche Anstrengungen zur Hebung des Unterrichtswesens macht. Die Universität San Carlo in der Hauptstadt (1676 gegründet) erfreut sich eines gewissen Rufs. Die 831 öffentlichen Volksschulen wurden 1883 von 38,339 Kindern besucht. In kirchlicher Beziehung bildet das Land das Erzbistum von G., zu welchem das 1534 errichtete Bistum 1742 erhoben wurde; der Erzbischof, dem fünf Bischöfe, die von Nicaragua, Chiapas, Comayagua (Honduras), Salvador und San José (Costarica), untergeordnet sind, hat seinen Sitz in der Hauptstadt des Landes. Faktisch ist gegenwärtig die römisch-katholische Religion die allein anerkannte, obschon nach der Verfassung allgemeine Religionsfreiheit bestehen soll. Die Verhältnisse mit Rom sind durch ein 1852 abgeschlossenes Konkordat geordnet.

[Erwerbszweige etc.] Ackerbau bildet die Hauptbeschäftigung. Früher stand die erst 1811 eingeführte Kochenille obenan, aber infolge der unsichern Ernte ist an deren Stelle der Kaffee getreten, von welchem 1859 erst 390 Ztr., 1885 aber 483,635 Ztr. zur Ausfuhr kamen. Auch dem Zuckerbau wendet man größere Aufmerksamkeit zu (1883: 5533 Hektar). Der Tabak ist gut, kommt aber nur in geringen Quantitäten auf den Markt. Der Weizenbau ist in der Zunahme begriffen. Außerdem baut man noch Baumwolle, Kakao, Reis, Mais, Südfrüchte. Auch sind Cinchonapflanzungen angelegt worden. An Vieh zählte man 1885: 117,880 Pferde, 45,501 Maultiere, 494,130 Rinder, 460,426 Schafe und 194,776 Schweine. Von einer Fabrikthätigkeit ist in G. nicht die Rede. Grobe Kleidungsstoffe (jerga), wozu man die Wolle in den Altos gewinnt, Decken, Sacktuch, Baumwollgespinste, Strohhüte, Matten, dazu Goldschmiede- und Sattlerwaren und sehr schöne Ponchos (Mäntel) sind die einzigen industriellen Produkte des Landes.

Der Handel Guatemalas war früher der bedeutendste in Zentralamerika, hat aber seit der Herstellung der Dampferlinie längs der Küste des Großen Ozeans dem von Salvador weichen müssen. An guten Häfen fehlte es dem Land. San José, der Haupthafen des Landes, und Champerico, beide am Großen Ozean, sind nur offene Reeden; günstiger sind die Verhältnisse in San Tomas am Golf von Honduras, von wo eine Eisenbahn nach der Hauptstadt gebaut wird. Die erste Eisenbahn (von San José nach Escuintla) wurde 1880 eröffnet und ist 1884 nach der Hauptstadt G. fortgesetzt worden. Eine zweite Bahn verbindet den Hafen Champerico mit Retalhuleu. Diese Bahnen haben eine Länge von 116 km. Ferner besteht ein Telegraphennetz von (1883) 4635 km Länge mit 77 Ämtern. Die Post (mit 144 Poststellen) beförderte 1883: 2,111,366 Gegenstände. Die Einfuhr betrug 1883: 2,030,893, 1884: 3,281,698 und 1885: 3,103,276 Doll.; die Ausfuhr in denselben Jahren bez. 5,718,341, 4,937,941 und 6,054,128 Doll. Von der Einfuhr kommen 4,8 Proz. auf Großbritannien, dann folgen die Vereinigten Staaten mit 16, Frankreich mit 13, Deutschland mit 12,6 Proz.; von der Ausfuhr kommen 40 Proz. auf Deutschland, wohin nahezu die Hälfte des Kaffees geht. Zur Einfuhr gelangen vorzüglich baumwollene und wollene Zeuge, Eisenwaren, Papier, Juwelierarbeiten, Weine. Bei der Ausfuhr spielt der Kaffee die Hauptrolle (1884 für 4,455,677 Doll., 1885 für 5,416,718 Doll.); dann folgen Zucker (1885: 194,271 Doll.), Häute und Felle, Gummi, Früchte. Im J. 1885 liefen 281 Schiffe von 285,386 Ton. ein. Der inländische Handel konzentriert sich in der Landeshauptstadt. Doch werden an verschiedenen Plätzen auch große Jahresmessen für den Umsatz von Landesprodukten abgehalten, und zwischen Handel und Pilgerfahrten findet dort noch ein ähnliches Verhältnis statt wie in Europa während des Mittelalters. So ist der große Jahrmarkt in dem Indianerdorf Esquipulas im Januar mit einer berühmten Wallfahrt zu einer wunderthätigen Holzpuppe verbunden. Münzen, Maße und Gewichte sind im allgemeinen die kastilischen. Man rechnet nach Pesos fuertos zu 100 Centavas im Wert von 4 Mk. Das Pfund (libra) ist = 460 g; 100 Pfund sind = 1 Quintal. Die Fanega Getreide hat 55 Lit., die Arroba 16,13 L.; 1 Fuß (pié) ist = 0,2786 m, 1 Vara = 3 Fuß; 1 Fanega (Feldmaß) = 64,4 Ar.

[Staatliche Verhältnisse.] Die Verfassung vom Jahr 1859 legt die ausübende Gewalt in die Hände eines vom Volk auf vier Jahre gewählten Präsidenten, dem drei verantwortliche Minister zur Seite stehen. Auch das Abgeordnetenhaus von 52 Mitgliedern wird vom Volk auf vier Jahre gewählt, dagegen werden die 24 Mitglieder des Staatsrats teils vom Präsidenten ernannt, teils vom Abgeordnetenhaus gewählt. Staatsrat und Abgeordnetenhaus bilden den Kongreß. Die Justiz wird durch einen Obergerichtshof und Richter erster Instanz verwaltet. Die Gemeindeverwaltung ist in den Händen von Alkalden und Gemeinderäten, deren Mitglieder von den Gemeinden gewählt werden. Alle Wahlen geschehen durch allgemeines Stimmrecht. Die Hauptquellen der Finanzen des Staats sind die Zölle, die Erträge des Branntweinmonopols und der Verkauf von Staatsländereien. Im J. 1884 beliefen sich die Einnahmen auf 5,151,476 Pesos (ausschließlich 3,052,472 Pesos Anleihen und Depositen und einer Bilanz von 114,999 Pesos vom Vorjahr), während die Ausgaben 8,116,550 Pesos erreichten. 1886 schätzt man die Einnahmen auf 5, die Ausgaben auf 3 Mill. Pesos. Die Staatsschuld betrug Ende 1874: 3,877,384 Pesos, April 1886 dagegen 10,160,000 Pesos (wovon 4,160,000 Pesos äußere Schuld). Eine Nationalbank besteht seit 1877. Die stehende Armee zählt 2180 Mann, die Miliz 33,229 Mann. Eingeteilt wird die Republik in 23 Departements. Hauptstadt ist G. la Nueva. Die Flagge von G. s. auf der Tafel "Flaggen I" (mit Text). Vgl. außer