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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Günther

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Günther.

durchzuschiffen, wurden gegeißelt in den Schriften: "Justemilieus in der deutschen Philosophie gegenwärtiger Zeit" (Wien 1838) und "Eurystheus und Herakles. Metalogische Kritiken und Meditationen" (das. 1843), nicht ohne oft treffenden Witz. Günthers Philosophie fand bald Anhänger, und eine zahlreiche Partei unter dem katholischen Klerus der Rheinlande, Württembergs und Österreichs, deren "Jungkatholizismus" nichts mit dem spätern, hauptsächlich durch die Jesuiten begründeten scholastischen "Neokatholizismus" gemein hatte, sammelte sich um die Fahne derselben. G. erhielt einen Ruf an die Universität München, den er ablehnte; mehrere seiner Schüler lehrten an Universitäten und an bischöflichen Lehranstalten, so Knoodt in Bonn, Merten (der in seiner "Metaphysik" [Trier 1848] einen Abriß seiner Lehre gab) in Trier, Zukrigl in Tübingen, Loewe und Ehrlich in Prag etc. Nach dem Bewegungsjahr 1848, das auch die Ära einer freien Entfaltung im Schoß der katholischen Kirche heraufzuführen versprach, eine Hoffnung, die durch den jesuitischen Syllabus und die vatikanische Unfehlbarkeitserklärung gründlich getäuscht werden sollte, unternahm G. mit dem als origineller Kanzelredner bekannten Emanuel Veith die Herausgabe eines philosophischen Taschenbuchs unter dem Titel: "Lydia" (Wien 1849-52, 3 Jahrg.), in welchem G. mit der radikalen philosophischen Linken, A. Ruge, L. Feuerbach, und dem Sozialismus in gewohnter Weise sich auseinandersetzte. Eins der ersten Anzeichen des inzwischen hauptsächlich durch die Jesuiten in der katholischen Kirche herbeigeführten reaktionären Umschwungs war das von seiten des Bischofs von Trier, Arnoldi, ergehende Verbot, an dessen Seminar nach Günthers Schriften zu lesen. Die päpstliche Kurie setzte eine besondere Kommission nieder, um über Günthers Orthodoxie ein Gutachten abzugeben, und trotz vieler Gegenversuche erfolgte 8. Jan. 1857 ein Urteil, das sämtliche Schriften des letztern auf den Index librorum prohibitorum setzte. Dasselbe wurde 17. Febr. d. J. publiziert und enthielt die interessante Notiz, daß sich der Autor schriftlich "religiose et laudabiliter" unterworfen habe. Die letzten Jahre seines Lebens brachte G., welcher niemals ein akademisches Lehramt bekleidet hat, in tiefer Zurückgezogenheit zu und starb plötzlich durch einen Schlaganfall 24. Febr. 1863. G. nimmt als Philosoph eine durch Gelehrsamkeit, Beharrlichkeit und durch den Nachdruck, mit welchem er auf die Berücksichtigung der Vernunft in Glaubensdingen dringt, achtungswerte, infolge seines Verhältnisses zur katholisch-kirchlichen Dogmatik aber nicht freie Stellung ein. Sein nicht gewöhnlicher Scharfsinn ist vorwiegend polemischer Art; bei allem anscheinenden Widerwillen gegen die Scholastiker erscheint er im Streit mit der Philosophie alter und neuer Zeit selbst als scholastizierender Apologet. Der spekulative Tiefsinn, den seine Schüler an ihm ehrten, ist von Gegnern phantasiereiche Mystik genannt worden. Seine Darstellungsweise, oft geistreich, ist unsystematisch, sein Stil schwerfällig und unverständlich. In beiden erinnert er an den Theosophen Franz Baader (s. d.), dem er auch sonst vielfach, nur nicht in der kirchlichen Freisinnigkeit, verwandt erscheint. Von seinen Schülern sind außer den Genannten noch C. F. v. Hock, Werner, Th. Weber u. a. als philosophische Schriftsteller aufgetreten. Eine neue Ausgabe seiner "Gesammelten Schriften" erschien Wien 1882 in 9 Bänden. Aus seinem Nachlaß veröffentlichte Knoodt: "Anti-Savarese" (Wien 1883). Vgl. Knoodt, Anton G., eine Biographie (Wien 1881, 2 Bde.).

3) Karl Friedrich, sächs. Jurist, geb. 26. Aug. 1786 zu Leipzig, wo er sich als Advokat niederließ, ward 1825 Mitglied der Spruchfakultät, 1826 zugleich akademischer Lehrer, 1828 Ordinarius der Juristenfakultät, 1846 Präsident des Spruchkollegiums und starb 21. Mai 1864. Er lieferte eine Umarbeitung von Haubolds "Lehrbuch des sächsischen Privatrechts" (Leipz. 1829) und schrieb unter anderm: "Der Konkurs der Gläubiger" (das. 1839, 2. Aufl. 1852).

4) Johann Heinrich Friedrich, Tierarzt, geb. 6. Dez. 1794 zu Kelbra bei Nordhausen, studierte seit 1813 in Jena und Berlin zuerst Medizin, dann Tierheilkunde, machte den Feldzug von 1815 mit, vollendete seine Studien 1816-18 in Hannover, praktizierte dann in seiner Heimat, ward 1820 Lehrer und 1847 Direktor der Tierarzneischule in Hannover und starb 19. Nov. 1858 daselbst. G. beschäftigte sich seit 1821 mit der Heilung der Kontrakturen und ging 1835 zur subkutanen Operationsmethode über. Andre Untersuchungen betreffen die Speichelfisteln (1821), die operative Behandlung der Sehnengallen, den Pfeiferdampf und die Zeit, welche zur Bildung von Eiterknoten in den Lungen erforderlich ist; durch letztere Arbeit wurden die Ansichten über die Beurteilung von Lungenerkrankungen in forensischer Beziehung vollständig reformiert. Seit 1846 arbeitete er gemeinsam mit seinem Sohn über Zahnkrankheiten. Er war auch passionierter Landwirt, erhob zwei Ackerhöfe, die er besaß, zu Musterwirtschaften und führte in der Lüneburger Heide den Lupinenbau ein. Er schrieb: "Lehrbuch der Geburtshilfe bei Tieren" (Hannov. 1830); "Beurteilungslehre des Pferdes" (mit seinem Sohn, das. 1859); "Über den Lupinenbau" (das. 1857).

5) Karl Wilhelm Adelbert, Tierarzt, Sohn des vorigen, geb. 28. Juli 1822 zu Hannover, er lernte seit 1839 die Landwirtschaft in Eldagsen, studierte dann 1841-43 auf der Tierarzneischule zu Hannover, je ein Jahr in Berlin und an den französischen Schulen, lehrte 1845 an der Berliner Schule Chirurgie und ging 1846 als Lehrer nach Hannover, wo er 1867 eine Professur und 1870 die Direktion der Tierarzneischule erhielt. 1874 wurde er Medizinalrat und Veterinärassessor am königlichen Medizinalkollegium der Provinz, 1875. Mitglied der technischen Deputation für das Veterinärwesen in Berlin. Als er 1881 krankheitshalber in den Ruhestand trat, wurde er zum Geheimen Medizinalrat ernannt. G. ist einer der bedeutendsten tierärztlichen Anatomen, namentlich was topographische Anatomie betrifft, dazu tüchtiger Operateur. Er schrieb: "Über Behandlung der Strychninvergiftung mit Opium" (1851); "Beurteilungslehre des Pferdes" (mit seinem Vater, Hannov. 1859); "Die topographische Myologie des Pferdes" (das. 1866); "Die Zucht des wahren Gebrauchs- und Ackerpferdes" (Brem. 1868); "Beiträge zum Situs des Rindes" (Hannov. 1875); "Die Tierarzneischule zu Hannover in den ersten 100 Jahren ihres Bestehens" (das. 1875); "Die Wutkrankheit der Hunde" (Berl. 1880); auch gab er 1871-80 die "Jahresberichte der hannöverschen Schule" heraus.

6) Albert Karl Ludwig Gotthelf, Zoolog, geb. 3. Okt. 1830 zu Eßlingen, studierte 1847-51 in Tübingen, Berlin und Bonn Theologie, widmete sich aber nach dem Staatsexamen in Berlin und Bonn der Medizin, wurde 1858 Assistent und 1875 Direktor an der zoologischen Abteilung des Britischen Museums in London. Als solcher bearbeitete er Kataloge der Nattern (1857) und Batrachier (1857), der Reptilien (1864), der Fische (1859-70, 8 Bde.)