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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gustav

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Gustav (G. III. von Schweden).

und brach nach Osten auf, dem Feind entgegen, der auf die Ebene von Lützen zurückwich, wo es 16. Nov. 1632 zu einem gewaltigen Zusammenstoß der beiden noch unbesiegten Feldherren und Heere kam. Die Schweden griffen gegen Mittag an. Mit dem rechten Flügel drängte der König nach heftigem Kampf die Kaiserlichen zurück; als diese sich wieder sammelten und die Schweden durch einen hitzigen Vorstoß warfen, führte G. Adolf ein neues Regiment vor. Im Handgemenge geriet er in eine Schar feindlicher Kürassiere, von denen er durch mehrere Schüsse getötet wurde. Seine Leiche, die man ausgeplündert und gräßlich verstümmelt nach der Schlacht in der Nähe eines großen Feldsteins fand, wurde nach Schweden gebracht (s. Lützen, Schlacht bei). Die Kunde von seinem Tod entflammte die Truppen zur höchsten Kampfeswut, und obwohl Wallenstein nicht entscheidend geschlagen wurde, mußte er sich doch mit Hinterlassung einiger Geschütze aus Leipzig zurückziehen. Für den Glanz seines Namens starb G. Adolf zur rechten Stunde: er strahlte fortan im Andenken der Protestanten als Glaubensheld, der für das Evangelium den Heldentod erlitten. Dieser Nimbus würde wohl etwas verblichen sein, wäre es zur Verwirklichung seiner politischen Pläne gekommen, welche so manche Interessen verletzen und große Schwierigkeiten hervorrufen mußten. Für Deutschland und den Protestantismus war jedoch sein Tod ein unersetzlicher Verlust. Fortan fehlte den Protestanten eine einheitliche, auf ein fest begrenztes großes Ziel gerichtete Leitung; dieselbe ging in mehrere Hände über, Eifersucht und roher Eigennutz zersplitterten die Kräfte und machten den Krieg zu einem ziellosen Kampf habgieriger Söldnerführer und zügelloser Heere. Nur einen Erfolg hatten G. Adolfs Heldenthaten so gesichert, daß er auch seinen Nachfolgern zu gute kam: die Errichtung einer schwedischen Großmacht mit der Herrschaft über die Ostsee.

G. Adolf war von stattlicher, hoher Gestalt; in seiner letzten Lebenszeit wurde er sehr beleibt und in seinen Bewegungen schwerfällig; eine Adlernase und große, funkelnde Augen zeichneten sein Gesicht aus, sein Haar war hellblond. Er war streng gegen sich selbst und haßte allen Luxus, alle Verweichlichung. Seine Frömmigkeit war ungeheuchelt und klebte nicht an der Konfession, sondern war echt religiös. Gewöhnlich war er verschlossen und unnahbar; doch konnte er auch eine gewinnende Menschenfreundlichkeit und eine Gabe populärer Rede, wie sein Großvater, zeigen. Als Staatsmann besonnen und umsichtig, war er als Krieger tapfer bis zur Tollkühnheit, erlangte aber gerade dadurch große Popularität bei seinem Heer und beim deutschen Volk. Über seinen Wert als Feldherrn hat sich Napoleon I. am treffendsten ausgesprochen, indem er ihn den acht kriegerischen Größen der Weltgeschichte beizählte. G. Adolfs Leistungen in der Taktik sind epochemachend; seine Neuerungen in der Bewaffnung, Einteilung und Aufstellung der Truppen und Truppengattungen sowie im Geschützwesen bedürfen, durch die glänzendsten Erfolge bewährt, keiner Rechtfertigung und Anpreisung; seine die Aufrechthaltung der Disziplin und Mannszucht unter den Soldaten bezweckenden Einrichtungen haben ein Heer hergestellt, welches in Ansehung der moralischen Tüchtigkeit damals seinesgleichen nicht fand. G. Adolf hinterließ von seiner Gemahlin Marie Eleonore, der Tochter des Kurfürsten Johann Siegmund von Brandenburg, nur eine Tochter, Christine (s. d.). Im November 1854 wurde G. Adolfs von Fogelberg gefertigte Statue in Gotenburg aufgestellt. In Deutschland wurden ihm Denkmäler errichtet, außer bei Lützen, zwischen Koswig und Göritz 1840 und in Bremen 1853. Ein dauerndes Andenken fand er in Deutschland durch die Gustav-Adolf-Stiftung (s. d.). Seine Schriften wurden von Styffe ("Konung Gustaf II. Adolfs skrifter", Stockh. 1861) herausgegeben; "Schriftstücke G. Adolfs, zumeist an evangelische Fürsten Deutschlands" veröffentliche G. Droysen (Leipz. 1877). Vgl. Flathe, G. Adolf und der Dreißigjährige Krieg (Dresd. 1841 bis 1842, 4 Bde.); Gfrörer, G. Adolf, König von Schweden, und seine Zeit (4. Aufl. v. O. Klopp, Stuttg. 1863); v. Soden, G. Adolf und sein Heer in Süddeutschland (Erlang. 1865-69, 3 Bde.); Fryxell, Geschichte G. Adolfs (deutsch, Leipz. 1852); Helbig, G. Adolf und die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg (das. 1854); Cronholm, Sveriges historia under Gustaf II. Adolfs regering (Stockh. 1857-1872, 6 Bde.; Auszug daraus: "G. II. Adolf in Deutschland", deutsch von Helms, Leipz. 1875, Bd. 1); G. Droysen, Gustav Adolf (das. 1869-70, 2 Bde.); Parieu, Histoire de Gustave Adolphe, roi de Suède (Par. 1875); John L. Stevens, History of Gustavus Adolphus (Lond. 1885); Wittich, Magdeburg, G. Adolf und Tilly (Berl. 1874, Bd. 1).

3) G. III., König von Schweden, ältester Sohn Adolf Friedrichs, Herzogs von Holstein-Gottorp, nachmaligen Königs von Schweden, und Luise Ulrikes, einer Schwester Friedrichs II. von Preußen, war 24. Jan. 1746 geboren. Seine natürlichen Anlagen entwickelten sich unter der Leitung des Grafen Tessin und des Generals Scheffer glücklich, und heller Verstand, hinreißende Beredsamkeit und herzgewinnende Freundlichkeit vereinten sich in ihm mit glühendem Ehrgeiz und Thatendrang; es fehlte ihm indes an Ernst und Ausdauer sowie an Mäßigung. Er befand sich in Paris, als sein Vater 12. Febr. 1771 starb. Hier unterschrieb er die vom Reichsrat ihm vorgelegte Verpflichtung auf die bestehende Verfassung, schloß aber mit Frankreich einen geheimen Vertrag, in dem er sich zum Umsturz derselben gegen Zahlung von Hilfsgeldern verbindlich machte. Obwohl er fest entschlossen war, die Adelsoligarchie zu stürzen, welche das Königtum in Schweden zu einem Schatten erniedrigt hatte, heuchelte er doch nach seiner Rückkehr nach Schweden (30. Mai 1771) die freundlichste Gesinnung gegen den Adel, äußerte sich in seinen öffentlichen Reden gleichgültig über seine Herrscherrechte, versuchte scheinbar, die getrennten Parteien zu versöhnen, und unterschrieb ohne weiteres die neue Versicherungsakte vom 5. März 1772, welche die königliche Gewalt noch mehr einschränkte. Im geheimen aber legte er den Verhandlungen des Reichstags unvermerkt Schwierigkeiten in den Weg und wußte durch Leutseligkeit das Volk und das Militär auf seine Seite zu ziehen und durch Flugschriften und mündliche Verbreitung seiner politischen Ansichten Unzufriedenheit über das bestehende Adelsregiment zu erregen. Er bildete eine neue Partei, die Hofpartei, sammelte ergebene Offiziere um sich und stiftete im Juli 1772, eine Hungersnot in Schonen benutzend, einen Aufstand an, um seinen Brüdern, den Prinzen Karl und Adolf, Gelegenheit zu geben, ihre Regimenter zusammenzuziehen. Als der Reichsrat, den Plan durchschauend, Gegenmaßregeln traf, stellte sich G. 19. Aug. in Stockholm an die Spitze des Militärs, dessen Offiziere sich fast sämtlich zum Sturz der Oligarchie verpflichtet hatten, ließ den Saal, in dem der Reichsrat saß, absperren, gewann die Bürgerschaft von Stockholm durch glänzende Reden für sich und ver-^[folgende Seite]