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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Habsburg

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Habsburg.

des 10. Jahrh. genannten Grafen Liutfried zurückzuführen, welcher sich in ältern Urkunden der Abtei St. Trudpert im Schwarzwald als Wohlthäter derselben genannt findet und ein Abkömmling jenes Geschlechts der Etichonen sein mochte, welche im 8. Jahrh. Herzöge von Elsaß waren (s. Elsaß-Lothringen, S. 578). Indessen hielt man keineswegs an dieser Ahnenreihe fest. Spätere Geschichtschreiber des Hauses leiteten im 13. und 14. Jahrh. die Abstammung der Habsburger von der römischen Familie der Pierleoni her, aus welcher im 12. Jahrh. auch ein Papst, Anaklet II., stammte. An diese Abstammung reihte sich dann alsbald der Versuch, die Ahnenreihe der Habsburger bis zu den altrömischen Aniciern oder, wie andre wollten, zu den Scipionen hinaufzuleiten, während in Wahrheit die römischen Pierleoni jüdischer Abkunft waren. Dagegen verwarf man später diese ganze Überlieferung und kehrte zu der in St. Trudpert aufbewahrten Abstammungssage von Liutfried zurück. Schon Kaiser Maximilian I. soll sich der Ahnenreihe gerühmt haben, welche auf Eticho und seine fromme Tochter Odilie weist; später wurde die in St. Trudpert entstandene Stammtafel zu einem Geschlechts- und Verwandtschaftssystem entwickelt, welches man das Etichonische nennt, und nach welchem einerseits die Zähringer und Habsburger, anderseits diese und die Lothringer in ihren Urahnen zu nahen Verwandten gemacht wurden. Diesem von M. Herrgott (gest. 1762) begründeten System trat das von den gelehrten Mönchen der Schweizer Abtei Muri, Kopp und Wieland, verfochtene Guntramsche System gegenüber, welches einen Guntram den Reichen im 10. Jahrh. als eigentlichen Ahnherrn verfocht.

Seitdem die Grafen von H. mit der Landgrafschaft im Elsaß und mit den Grafschaftsrechten im Zürichgau ausgestattet waren, folgten zwei Generationen bis auf Albrecht den Weisen. Dieser Albrecht besaß einen jüngern Bruder, Rudolf, mit welchem er auf Grund eines Schiedsspruchs das gesamte habsburgische Erbe teilen mußte (1238). Von da unterschied man in den schwäbischen Ländern zwei habsburgische Linien: die ältere, von dem Stammschloß H. genannt, und die jüngere, von einer neuerlich erworbenen Besitzung Laufenburg den Namen tragend. Die Landgrafschaft im Elsaß sollte nach jenem Teilungsvertrag beiden Brüdern gemeinschaftlich bleiben. Aber seitdem der jüngere, Graf Rudolf von H., König geworden war, blieben die Laufenburger auf ihr vertragsmäßiges Erbteil, insbesondere die Herrschaften Laufenburg und Waldshut, beschränkt und in diesem Besitz auch von der ältern Linie unangefochten. Sie besaßen außer der Vogtei über das Kloster Othmersheim die von den Lenzburgern ererbten Güter in den heutigen Kantonen Luzern, Unterwalden und Schwyz. Doch wurden diese und unter anderm die strategisch wichtige Stadt Rapperswyl (1359) großenteils von den Habsburgern wiedererworben. Dagegen blieb den Laufenburgern die Landgrafschaft im Klettgau und eine Anzahl von Gütern, welche ebendaselbst wahrscheinlich noch von der altenburgischen Familienerbschaft herstammten. Die Laufenburger teilten sich übrigens selbst wieder in zwei Linien und sanken dadurch noch mehr zur Unbedeutendheit herab. Die eine der beiden Linien erlosch mit dem Grafen Johann IV. 1408, die andre mit Graf Egno 1415. Die Landgrafschaft im Klettgau kam durch Johanns IV. Erbtochter Ursula an die Grafen von Sulz und später an das Haus Schwarzenberg. Die übrigen laufenburgischen Güter wurden zur Zeit des Aussterbens dieser Grafen bei der allgemeinen Umwälzung der Besitzverhältnisse meist zu den Gebieten der Schweiz herangezogen.

Die ältere habsburgische Linie, die 1273 mit Rudolf I., Albrechts des Weisen und einer Gräfin von Kyburg Sohn (geb. 1218), zu ihrer Weltstellung gelangte und ihre Entwickelung später außerhalb der ursprünglichen Heimat suchte und fand, erweiterte ihre schwäbischen Besitzungen hauptsächlich durch die kyburgische Erbschaft, welche Rudolf I., noch bevor er zum deutschen König gewählt war, zufiel und die Burgen Kyburg, Baden, die Städte Winterthur, Frauenfeld, Diessenhofen und die Landgrafschaft im Thurgau umfaßte. So ausgedehnte Besitzungen, wie sie die Habsburger in Schwaben in Zeit von einem halben Jahrhundert erwarben, legten den Gedanken nahe, das Herzogtum Schwaben nach dem Tode des letzten Staufers, Konradin, für die Familie zu erwerben; dadurch hätte der Arrondierungstrieb des Hauses einen Abschluß gefunden, und die Habsburger hätten sich auf Grund ihrer erblichen Besitzungen und Rechte zu einer Territorialgewalt ohnegleichen im obern Schwaben erheben können. Aber alle Bemühungen Rudolfs von H. in dieser Beziehung blieben fruchtlos, selbst nachdem er die deutsche Krone erworben. Der Versuch, einem seiner jüngern Söhne das Herzogtum Schwaben zu verleihen, scheiterte einerseits an dem Widerstand der die Interessen des Pfalzgrafen bei Rhein wahrnehmenden Kurfürsten, anderseits an der natürlichen Opposition, welche die niederschwäbischen Herren unter Führung der Grafen von Württemberg gegen die Wiederherstellung der alten Herzogsgewalt erhoben. Ja, infolge der Verwickelungen mit den die Reichsunmittelbarkeit beanspruchenden Gemeinden am Vierwaldstätter See, die zu dem Bunde derselben von 1291 und dann zur Gründung der Eidgenossenschaft führten, wurde das Haus H. in der Schweiz bis zum Ende des 15. Jahrh. allmählich und sowohl in gerichts- als auch in territorialhoheitlichem Sinn vollständig depossediert. Die Geschichte des Verlustes dieser Rechte und Besitzungen läßt sich bei einer ungeheuern Mannigfaltigkeit des Details insbesondere an vier Knotenpunkten übersichtlich darstellen und einigermaßen verständlich machen: 1) die thatsächliche Einbuße des Besitzes nach den unglücklichen Schlachten bei Sempach 1386 und Näfels 1388; 2) die Verluste infolge der Ächtung des Herzogs Friedrich mit der leeren Tasche von Tirol durch Kaiser Siegmund zur Zeit des Konstanzer Konzils; 3) die Verluste unter Kaiser Friedrich III. nach vergeblich ausgerufener französischer und burgundischer Hilfe; 4) die Verluste in der von Herzog Siegmund mit den Eidgenossen auf Grund französischer Vermittelung 1474 abgeschlossenen "ewigen Richtung". Die Einbußen der ersten Epoche betrafen, geographisch betrachtet, die Gebiete der innern Schweiz: Rothenburg, Sempach, Entlibuch, Vielensbach, Niederurnen, die Burgen Nidau, Büren, Unterseen, Bucheck etc. In der zweiten Epoche gingen auch die Besitzungen im Aargau mit der Feste Baden und der ganzen Grafschaft Kyburg, ferner Schaffhausen, Waldshut, Säckingen u. a. verloren. Endlich schloß sich auch die Stadt Rapperswyl, welche am längsten zu H. gehalten, den Eidgenossen an. Bald folgten die Abtretung von Sargans und der Rechte im Thurgau, der Verkauf von Winterthur, und endlich verzichtete Herzog Siegmund in der vorgenannten "ewigen Richtung" auf alles, was die Eidgenossen bis dahin erobert oder von dem