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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Handfeuerwaffen

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Handfeuerwaffen (Hinterlader: Blockverschlüsse, Cylinder- oder Kolbenverschlüsse).

hat. Spanien hat nach dem System I des amerikanischen Generals Berdan umgeändert (Tafel II, Fig. 4). Das Verschlußstück besteht aus zwei Teilen, von denen der vordere den Stoßboden bildet. Das Herausziehen der Patronenhülse geschieht bei diesen Systemen durch einen mit dem Scharnier verbundenen Extraktor beim Aufschlagen der Verschlußklappe. Die Hülse wird jedoch nur teilweise herausgezogen und muß durch eine ruckartige Bewegung des Gewehrs herausgeschleudert werden. Diese Scharnierverschlüsse eignen sich besonders zur Transformation, weil sie keine Durchbrechung oder Schwächung des Schafts erfordern. Für Neukonstruktionen eignen sich mehr die technisch vollkommnern

2) Blockverschlüsse, bei denen sich das Verschlußstück zum Öffnen um eine Achse nach hinten drehen läßt (System Remington), oder bei denen das um eine an seinem hintern Ende sitzende Achse drehbare Verschlußstück mit seinem vordern Teil, der den Stoßboden bildet, herunterfällt und so den Lauf öffnet, die sogen. Fallingblocks (Systeme Peabody, Martini-Henry, Werder). Ganz eigenartig ist das System des Amerikaners Remington (Tafel I, Fig. 5 u. 6). Es besteht aus zwei um starke Wellen drehbaren Hähnen B und C, von denen B das Verschlußstück, die Klappe C den Schlaghahn bildet, welcher mit seinem Kopf gegen den in der Klappe sitzenden Schlagstift schlägt und dadurch, daß er sich mit seiner obern kreisbogenförmigen Fläche unter die hintere Fläche der Klappe schiebt, das Zurückschlagen der letztern beim Abfeuern verhütet. Mit der Klappe ist ein Extraktionsschieber verbunden, welcher bei ihrem Zurückziehen die Patronenhülse ein wenig lüftet. Diese mangelhafte Extraktion ist eine Schwäche des sonst sehr soliden und einfachen Verschlusses. Die drei Griffe sind: 1) Aufziehen des Hahns: Spannen; 2) Aufziehen der Klappe: Öffnen und Ausziehen; 3) Vorziehen der Klappe: Schließen. Das in Schweden, Norwegen, Dänemark, Spanien, Ägypten, Griechenland und Amerika gebräuchliche System Remington ist wohl das verbreitetste aller Systeme. Für die eigentlichen Blockverschlüsse mit nach unten beweglichem Verschlußblock bildete das amerikanische Peabody-Gewehr den Ausgang. Tafel I, Fig. 7, zeigt das Gewehr geladen und fertig zum Abfeuern. Zum Öffnen wird der Bügel E nach unten und vorn bewegt, wodurch der Verschlußblock D nach unten gerissen wird. Hierbei schlägt er mit seinem Kopf auf den gabelförmigen Extraktor F, der die Patronenhülse aus dem Lager zieht und nach hinten wirft. Durch den Verschlußblock geht der Schlagstift, auf welchen der vom Verschlußmechanismus noch gesonderte Hahn schlägt. In dieser Trennung liegt die Schwäche des Systems. Es erfordert drei Griffe: 1) Aufziehen des Hahns: Spannen; 2) Vorstoßen des Bügels: Öffnen und Auswerfen; 3) Zurückziehen des Bügels: Schließen. Die Schweiz hat 15,000 Peabody-Gewehre beschafft. Der Verschlußblock mit der Drehachse an seinem hintern Ende und der mit dieser Konstruktion zusammenhängende, ausgezeichnet wirkende Extraktor sind das Bleibende für alle Blockverschlüsse geworden. Die Entwickelung dieses Systems mußte zunächst das Spannen des Hahns in den Verschlußmechanismus hineinziehen. Dies that Martini, Fabrikbesitzer zu Frauenfeld in der Schweiz (Tafel I, Fig. 8), der durch die mit dem Bügel verbundene Zugstange das Spannen des Hahns gleichzeitig beim Öffnen bewirken ließ. Da die hierzu erforderliche bedeutende Kraftanstrengung des Schützen das Gewehr zur Kriegswaffe ungeeignet machte, so verbesserte Martini sein System, indem er den Schlagstift in das Verschlußstück legte (Tafel I, Fig. 9 u. 10), so daß das Öffnen und Spannen Ein Griff wurde. Das Gewehr hat daher nur zwei Griffe: 1) Vorstoßen des Bügels: Öffnen, Auswerfen und Spannen; 2) Zurückziehen des Bügels: Schließen. Dieser Verschluß mit einem Lauf nach Henry ist unter dem Namen Henry-Martini-Gewehr in England eingeführt. - Der vollkommenste Verschluß dieses Systems wurde durch Werder, technischen Fabrikdirektor in Nürnberg konstruiert (Tafel II, Fig. 11 u. 12), indem er die weit ausgreifenden Bügelbewegungen des Henry-Martini-Gewehrs durch das Zurückziehen des hintern Abzugs ersetzte. Es sind also nur zwei Griffe erforderlich: 1) Vordrücken der Stütze: Öffnen und Auswerfen; 2) Aufziehen des Hahns: Spannen und Schließen. Dieses Gewehr, das sich im Krieg 1870/71 bewährte, ist, für die Anwendung der Patrone des deutschen Mauser-Gewehrs abgeändert, Waffe der bayrischen Landwehr.

3) Die Cylinder- oder Kolbenverschlüsse werden charakterisiert durch den in der Laufachse vor- und zurück beweglichen Verschlußcylinder oder Verschlußkolben, welcher den Schloßmechanismus enthält. In dieser Systemsgruppe geschieht die Entzündung entweder durch eine Zündnadel oder durch einen Schlagbolzen, die in der Laufachse liegen und (ausgenommen das System Beaumont) auf ihrem Schaft von einer Spiralfeder umgeben sind, welche beim Spannen zusammengedrückt wird und beim Abfeuern Nadel oder Bolzen nach vorn schnellt und so durch Anstich oder Schlag die Entzündung bewirkt. Die verschiedenen Konstruktionen unterscheiden sich daher hauptsächlich durch den Mechanismus zum Spannen; bei den ältern sind hierzu ein oder mehrere besondere Griffe erforderlich, während bei den neuern das Spannen gleichzeitig mit dem Öffnen geschieht, daher Selbstspanner. Der Verschlußcylinder (Kammer) wird mittels der Kammerwarze, die als Handhabe dient, bewegt und beim Schließen nach rechts gedreht.

Alle Kolbenverschlüsse gehen von dem Dreyseschen Zündnadelgewehr aus, dem ersten wirklich kriegsbrauchbaren Hinterladungsgewehr. Obgleich es jetzt durch neuere Konstruktionen technisch weit überholt ist, wird ihm doch in der Geschichte des Waffenwesens für alle Zeit ein hervorragender Platz gewahrt bleiben (Tafel II, Fig. 13). Das Öffnen kann erst nach dem Zurückziehen des Schlößchens in der Kammer geschehen, das Spannen nach dem Schließen durch Vorschieben desselben. Der Verschluß des französischen Chassepot-Gewehrs (Tafel II, Fig. 14) ist nur eine Modifikation des Dreyseschen, darin bestehend, daß das Spannen dem Öffnen schon vorangeht. Die drei Griffe sind: 1) Zurückziehen des Nadelbolzens: Spannen; 2) Zurückziehen der Kammer: Öffnen; 3) Vorschieben derselben: Schließen. Aus ihm ist unter Anlehnung an das System Mauser (s. unten), namentlich in Bezug auf Einrichtung der Selbstspannung, das System Gras hervorgegangen, das als M/74 in Frankreich eingeführt wurde. Schon vor dem Krieg von 1870/71 beginnt die Übergangszeit von der Papier- zur Metallpatrone. Erstere hat den Vorzug größerer Einfachheit und der Billigkeit; sie wurde aber kompliziert, als man genötigt war, sie mit Liderungsmitteln zur Gasdichtmachung des Verschlusses zu verbinden, und erreichte den angestrebten Zweck dennoch nur unvollkommen. Zu dem Blockverschlußsystem war die Metallpatrone unentbehrlich, daher ging die Entwickelung beider Hand in Hand. Als man aber fand, daß die Me-^[folgende Seite]