Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Hannover

140

Hannover (Stadt).

schule, Karmarsch, von Hartzer, der Georgsplatz mit der Erzstatue Schillers von Engelhard, der Ägidienplatz, der Waterlooplatz, auf ihm die mit einer Viktoria gekrönte, 47 m hohe Waterloosäule und nahe bei demselben das Bronzestandbild des Generals v. Alten und das Leibnizdenkmal, der Welfenplatz, Friederikenplatz etc.

Unter den gottesdienstlichen Bauwerken (11 luther. Kirchen, eine reformierte und eine kath. Kirche, eine der Freien Gemeinde und eine Synagoge) verdienen Erwähnung: die restaurierte Marktkirche aus dem 14. Jahrh., mit interessanten Denkmälern, schönen Glasmalereien und Altären und dem höchsten (99 m) Turm der Stadt; die Neustädter Kirche mit einem zierlichen, 1700 erbauten Turm und dem Grabmal des Philosophen Leibniz; die 1333 erbaute Kreuzkirche mit alten Epitaphien und Denkmälern; die 1864 vollendete gotische Christuskirche, nach den Plänen des Baurats Hase aufgeführt; die hübsche kath. Kirche und die Schloßkirche (früher Kirche des Minoritenklosters) mit einer Kreuzigung von L. Cranach, einer Sammlung kunstvoller mittelalterlicher Kirchengeräte und Reliquien, die zum großen Teil von Heinrich dem Löwen 1172 aus Byzanz nach Braunschweig und von da 1671 durch den katholischen Herzog Johann Friedrich nach H. gebracht wurden, und einem kostbaren Evangeliarium aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrh., das im 14. Jahrh. Karl IV. aus Braunschweig nach Prag entführte; die Dreifaltigkeitskirche, schöner Ziegelbau aus dem Jahr 1880 vom Architekten Hehl; die Synagoge, ein dreischiffiger Zentralbau mit achteckiger Kuppel, wurde 1864 von Oppler erbaut. Groß ist die Zahl hervorragender Profanbauten. Die bedeutendsten derselben sind: das königliche Schloß (1630-40 erbaut, 1817 restauriert), ein umfangreicher, im Innern prachtvoll eingerichteter Bau mit großartigem Portal, jetzt Generalkommando des 10. Armeekorps; das Palais des Königs Ernst August mit dessen Privatbibliothek (32,000 Bände), Kupferstich-, Waffen- und Münzsammlungen (jetzt Oberpräsidium); das königliche Archivgebäude mit der 120,000 Bände und 2000 Manuskripte enthaltenden Bibliothek; das neue Gebäude des Landesdirektoriums; das königliche Reitinstitut; das Rathaus, ein unregelmäßiges, aus dem 15. und 16. Jahrh. stammendes, durch alte Skulpturen und Wahrzeichen interessantes Gebäude, 1882 renoviert, im Innern mit prachtvollen Wandgemälden von Schaper; das königliche Schauspielhaus (1852, von Caves), eins der größten Deutschlands; das alte Zeughaus, in dessen Nähe der Beghinenturm, ein Überbleibsel der alten, 1357 angelegten Befestigungen; das 1856 von Hase im romanischen Stil erbaute Museum mit Sammlungen des Historischen Vereins für Niedersachsen, der Naturhistorischen Gesellschaft und der an Gemälden und Skulpturen reichen Kunstsammlung; das (1886 noch im Bau begriffene) Kestner-Museum mit wertvollen Sammlungen etrurischer, römischer und griechischer Altertümer, Kupferstichen (120,000) etc.; das neue Justizgebäude, das Zellengefängnis u. v. a. Als ganz besonders hervorragend sind zu nennen der Bahnhof und das Welfenschloß. Der erstere wurde während der Jahre 1876-80 mit einem Kostenaufwand von 22,500,000 Mk. errichtet und gilt als Muster aller neuern Bahnhofsanlagen, das letztere, ein vollendeter Prachtbau, wurde an Stelle des ehemaligen Schlosses Montbrillant vom Hofbaumeister Tramm 1859 begonnen und nach der Annexion des Königreichs 1866 zur polytechnischen Hochschule umgebaut, der großartigste Schulbau Deutschlands. Unter den mittelalterlichen Privatgebäuden, die indessen mehr und mehr verschwinden, sind die Häuser: "Isern Pforte", die "Alte Kanzlei", das Leibnizhaus etc. immer noch wohl erhalten.

Die Zahl der Einwohner ist seit 1864 bedeutend gestiegen. Damals betrug sie, das angrenzende Linden inbegriffen, 79,649, 1871 ohne dasselbe schon 87,641, 1880: 122,843, 1885 inkl. Militär 139,746 Seelen. Ihrer Religion nach zählte man 1880: 108,974 Evangelische, 10,130 Katholiken und 3450 Juden. In Bezug auf die Industrie nimmt H. unter den deutschen Städten einen hohen Rang ein. Hervorzuheben sind besonders: Eisengießerei und Maschinenfabrikation, Fabriken für Tabak, Leinenwaren, Pianinos, Wagen, Schokolade, Lampen, lackierte Waren, Strohhüte, Farben, Zündhölzer, Tapeten, Glas, Asphalt, Parfümerien, Stearinkerzen, Watte, Bronzewaren, Öfen; zahlreiche Etablissements zur Erzeugung von Messern und Nägeln, Bierbrauereien, Branntweinbrennereien etc. Der Handelsverkehr ist ein äußerst lebhafter, begünstigt durch die Lage der Stadt, durch Einmündung zahlreicher Straßen und mehrerer Eisenbahnen. H. bildet Knotenpunkt der Linien Braunschweig-Landesgrenze bei Peine-Löhne, H.-Kassel und H.-Altenbeken der Preußischen Staatsbahn, während wenige Kilometer von der Stadt entfernt andre wichtige Linien von verschiedenen Richtungen her einmünden. Eine mehrfach verzweigte Pferdebahn vermittelt den Verkehr in der Stadt und mit den angrenzenden Orten Linden und Herrenhausen. Der Handel befaßt sich vorzugsweise mit den dort erzeugten Fabrikaten, außerdem bilden Handelsartikel: Eisen-, Gummi- u. Zuckerwaren, Schokolade, Wein (besonders französische Rotweine), Geschäftsbücher, Kaffee, Reis, Häute und Felle, Steinkohlen, Pferde etc. Seit 1876 hat H. eine Hauptstelle der deutschen Reichsbank. Außerdem bestehen: eine Landeskreditanstalt, eine Bank für Handel und Gewerbe nebst andern Banken, eine Handelskammer, verschiedene Versicherungsgesellschaften, ein Handels- und Gewerbeverein, eine Börse sowie sehr besuchte Leder-, Garn-, Leinen-, Woll- und Gemüsemärkte. An Wohlthätigkeitsanstalten etc. besitzt H. 8 Zivilhospitäler und Krankenhäuser, ein Militärlazarett, Waisenhaus, Institut für hilflose Bürgerkinder, eine Blindenanstalt etc.

Unter den Bildungsanstalten steht die technische Hochschule (1886 mit 190 Studierenden und 175 Hospitanten) obenan. Außerdem befinden sich in H. 3 Gymnasien, 2 Realgymnasien, 2 höhere Bürgerschulen, eine Handelsschule, ein Lehrer- und ein Predigerseminar, eine jüdische Lehrerbildungsanstalt, ein Lehrerinnenseminar, eine Präparandenanstalt und eine Tierarzneischule; außerdem mehrere Bibliotheken und wissenschaftliche Sammlungen (s. oben). Eines hervorragenden Rufs erfreut sich das Theater. Von größern Zeitungen erscheinen dort: der "Hannoversche Kurier", die "Hannoversche Post" und die "Deutsche Volkszeitung". H. ist Geburtsort der Königinnen Luise von Preußen und Friederike von Hannover sowie des Astronomen Herschel, Ifflands, der beiden Dichter Schlegel, Leisewitz' u. a. An öffentlichen Behörden befinden sich hier: das Oberpräsidium der Provinz und die königliche Regierung des Regierungsbezirks H., ein Landeskonsistorium und ein Konsistorium, eine königliche Eisenbahn- und eine Oberpostdirektion, ein Landgericht (für die 16 Amtsgerichte zu Burgwedel, Hameln, H., Kalenberg, Koppenbrügge, Lauenstein,