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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Hansa

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Hansa (Organisation).

"Morgensprache" verlesen wurden und meist Abgeschiedenheit von der englischen Welt bezweckten. Oft wurden die Hanseaten zeitweilig im Genuß ihrer Privilegien durch Englands Kriege mit dem Ausland und durch lästige städtische Abgaben, welche die eifersüchtigen Seestädte London, Hull etc. erhoben, gestört, und zur Zeit der Bürgerkriege konnten sie ihre Handelsniederlassungen nur mit außerordentlicher Mühe vor dem Verfall schützen. In den Niederlanden waren die Hansen ebenfalls bemüht, Handelsfreiheiten auf den dortigen Märkten zu erringen, da sie hier nur die Produkte des Nordens und Nordostens gegen orientalische Waren umtauschen konnten; allerdings fanden sie hier nicht den Neid wie an andern Orten, wohl aber Konkurrenz und freiere Verwendung des Kapitals und der Arbeit, weshalb sie in Flandern keinen so entschiedenen Einfluß auf den Handel und Verkehr und keine Privilegien vor andern Völkern erlangen konnten. Nach Brügge brachten die Hanseaten die Produkte des Nordens und vertauschten oder verkauften sie hier, die Blütezeit des brüggeschen Kontors dauerte bis gegen Ende des Mittelalters, wo Verhältnisse eintraten, die einen Umschwung des hanseatischen Handels mit sich brachten. Während der Unruhen in Flandern zog sich der Handel nach Antwerpen. Auch andre niederländische Städte wurden von den Hanseaten besucht, und mit den holländischen, seeländischen und westfriesischen Städten standen sie bis in das 15. Jahrh. in enger Verbindung; erst nach ihrer Trennung vom Bunde trieben die holländischen Städte einen unabhängigen Aktivhandel. Der Verkehr mit Frankreich scheint weniger lebhaft gewesen zu sein. Aus den ihnen von Ludwig XI. und Karl VIII. erteilten Privilegien geht hervor, daß sich die Hanseaten zahlreich in den Häfen von La Rochelle, Harfleur und Honfleur einfanden; aber die Art ihres Verkehrs ist wenig bekannt, wahrscheinlich stand er unter der Leitung des brüggeschen Kontors. Im 15. Jahrh. entstanden Faktoreien in La Rochelle und Bordeaux, die aber bald wieder eingingen. Aus Portugal bezogen die Hanseaten Südfrüchte, Salz etc. und importierten besonders Schiffbauholz; 1452 erhielten sie von Alfons V. eine Niederlassung in Lissabon. Verbindungen mit Spanien bestanden seit der letzten Hälfte des 14. Jahrh.; im 15. Jahrh. wurden dieselben zwar infolge von Zerwürfnissen unterbrochen, jedoch 1443 wieder angeknüpft. Im ganzen war aber der Handel der Hanseaten großen Beschränkungen unterworfen. Ein reger Verkehr muß dagegen zwischen den Hansestädten und dem Innern Deutschlands stattgefunden haben, doch sind die Nachrichten über denselben nur spärlich. Die Fische der Seestädte wurden nach dem Binnenland geführt, dagegen aus diesem andre Produkte bezogen. Direkte Wege bestanden zwischen Hamburg, Lübeck und Frankfurt a. M.; ein Hauptwarenzug bewegte sich über Magdeburg nach Dresden und Böhmen. Basel und Straßburg sowie Ulm und Regensburg standen mit den Hanseaten in ununterbrochener direkter Verbindung, da Donau-Rhein Hauptstraße für Mitteleuropa war. Ein großes Gebiet des hanseatischen Binnenhandels zog sich von Danzig nach Wien und Venedig; als Hauptruhepunkt dieses Warenzugs diente Trentschin an der Waag, denn hier endete die preußische Straße, welche über Oberschlesien und Jablunka ging und Bernstein für den Donauhandel lieferte, der später über Antwerpen und Brügge versendet wurde. Die wichtigste Niederlassung war in Litauen Kowno (Kauen), wo alle Straßen Litauens und Rußlands zusammenführten. Auch in Kowno wohnten die Kaufleute in Höfen, und zwar waren es meist preußische und namentlich Danziger; Haupthandelsartikel war Salz, das aus Livland, Polen und Rußland hierher gebracht wurde. Auch mit Tuch, Seidenzeugen, Heringen, Zucker etc. trieb die Faktorei Handel im großen. Ausfuhrartikel waren: Holz, Asche, Wachs, Pelzwerk, rohes Leder, Hanf und Garn. Der Handel mit Litauen blühte bis zum Ende der Ordensherrschaft; die Verbindung mit Polen wurde anfangs von Thorn, Kulm, Elbing, Braunsberg aus bewerkstelligt, später bemächtigte sich Danzig des polnischen Handels, bis ihn endlich die Konkurrenz Königsbergs an sich riß.

Über der innern Organisation und dem Umfang der alten H. liegt noch manches Dunkel. In der "Kölnischen Konföderation" wurde zwar eine Art von Bundesverfassung 1364 festgesetzt; doch löste sich dieselbe bald wieder auf, und die Städte traten nach wie vor zu Tagsatzungen zusammen, wie es eben die Bedürfnisse der drei großen Gruppen oder des Gesamtbundes erheischten, bald zum Zweck der Ordnung auswärtiger Angelegenheiten, bald zum Ausgleich innerer Streitigkeiten. Die oberste Gewalt der H. lag in den Händen der Stadtdeputierten, die, nicht bloß aus dem Kaufmannsstand gewählt, eine beratende Versammlung bildeten. Dieselbe diskutierte die zu ergreifenden Maßregeln, bestimmte den Geldbeitrag eines jeden Mitgliedes der H., vertrat den Bund den auswärtigen Mächten gegenüber und untersuchte und schlichtete unter den einzelnen hanseatischen Städten entstandene Streitigkeiten. Sie trat mindestens alle drei Jahre, zur Zeit der Blüte des Bundes alljährlich in irgend einer Stadt zusammen, am häufigsten in Lübeck, dem Vorort des Bundes, wo auch die Archive aufbewahrt wurden. In den von Lübeck ausgehenden Zusammenberufungsschreiben waren die wichtigsten Angelegenheiten bezeichnet, welche in Beratung genommen werden sollten. Die gefaßten Beschlüsse wurden dem Senat des Hauptbezirksortes mitgeteilt, welcher dann die übrigen zu ihm gehörenden Hansestädte davon in Kenntnis setzte. Bei den Versammlungen selbst pflegte ein Bürgermeister von Lübeck den Vorsitz zu führen. Der Bund übte besondere Justizgewalt und belegte mit dem größern und kleinern Bann, was man "verhansen" nannte. Die Hansestädte erwarben gern ein Stadtterritorium, das sie ihr Eigentum nannten; aber sie ließen darin niemals eine Handlung oder ein Gewerbe außer der Landwirtschaft blühen, denn Monopole zu pflegen war ihr Hauptzweck; selbst die Vorstädte ließen sie selten zu vollem Bürgerrecht gelangen. Wer in die H. treten wollte, mochte der Antragende eine Landschaft oder eine Stadtgemeinde sein, mußte eine Art von Selbständigkeit besitzen, welche ein Landesherr wohl schützen, aber nicht leiten durfte. Daher finden wir im Hansabund nur solche Residenzen deutscher weltlicher und geistlicher Landesherren, welche zugleich von ihren Landesfürsten mit einem bedeutenden Maß bürgerlicher Freiheit begabt waren. Solange die H. mächtig war, entschied sie allein, ob ein Pfahl- oder Hafengeld von den ein- oder ausgeführten Gütern andrer Hansegenossen in dieser oder jener Stadt erlegt werden solle oder nicht. Die Fürsten münzten oft unter dem Stempel der Hansestädte, doch nur mit Zustimmung derselben, wie sie denn überhaupt während der Blütezeit des Bundes abhängiger von diesem waren als er von ihnen. Die H. des Mittelalters kannte den Wechselhandel, der freilich noch sehr einfach war, aber keine niederländischen Assekuranzen. Die Lombarden vertrieb man mit