Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Heinrich

311

Heinrich (deutsche Kaiser: H. V.).

Bischöfe zu Mainz und zu Brixen erklärten Gregor VII. für abgesetzt und wählten in Clemens III. einen neuen Papst. Jetzt war die Zeit der Rache für H. gekommen. Er zog mit einem mächtigen Heer über die Alpen (1081), erhielt in Mailand die lombardische Königskrone, verwüstete das Land der Markgräfin Mathilde, eroberte Florenz und erschien Pfingsten vor Rom. Die Belagerung Roms ging aber nur langsam vorwärts, erst im März 1084 wurde er Herr der Stadt und ließ sich am Osterfest 1084 von Clemens III. zum römischen Kaiser krönen. Gregor VII. hatte sich in die Engelsburg geflüchtet und rief den Normannenherzog Robert Guiscard zu Hilfe. Auf die Kunde hiervon zog H. von Rom ab. In Mittelitalien kämpften nun die beiden Parteien miteinander ohne entscheidendes Übergewicht der einen oder andern.

In Deutschland war während Heinrichs Abwesenheit von der Fürstenopposition an Rudolfs Stelle im August 1081 Graf Hermann von Lützelburg in Bamberg zum König erhoben worden. Indes war der größte Teil der Deutschen jetzt H. günstiger gesinnt; auch die Sachsen und Thüringer unterwarfen sich ihm wieder (1085). Zwar verlor H. 11. Aug. 1085 die Schlacht bei Würzburg gegen seinen Gegner Hermann und den Herzog Welf von Bayern; aber die Mehrheit der deutschen Bischöfe ergriff 1085 auf einer Synode in Mainz für H. Partei, und in Süddeutschland hatte H. an Friedrich von Staufen, den er 1079 zum Herzog von Schwaben erhoben, einen wackern Vorkämpfer. So fiel das Übergewicht nach und nach auf die kaiserliche Seite. Der schwache Gegenkönig Hermann legte 1088 freiwillig seine Würde nieder. Von einem gefährlichern Feinde, dem Markgrafen Eckbert von Meißen, der sich selbst als Gegenkönig aufgestellt und H. in mehreren Gefechten geschlagen hatte, befreite ihn 1089 dessen Ermordung. In Deutschland schien damit die Flamme des Bürgerkriegs zu erlöschen. Unterdessen war auch Gregor VII. gestorben (25. Mai 1085), und der von seiner Partei erwählte Papst Viktor III. (1085-1088) und nach dessen baldigem Tod Urban II. (1088-1099) lagen in heftigem Kampf mit dem von H. eingesetzten Papst Clemens III. H. zog deshalb 1090 wieder nach Italien, eroberte Mantua und gewann über Welf, den Gemahl der Markgräfin Mathilde, mehrere Siege. Aber wenn H. gehofft hatte, dem Ende der Kämpfe nahe zu sein, so sollte er neue Enttäuschungen erleben. Tiefer als je wurde er gebeugt, als sein Sohn Konrad sich von der Gegenpartei gegen den Vater gewinnen ließ, von ihm abfiel und sich 1093 zum König von Italien krönen ließ, während sich zugleich die Lombarden in Verbindung mit dem Herzog Welf aufs neue erhoben. H. zog sich darauf thatenlos in die Gegenden östlich der Etsch zurück. Als Urban damals die abendländische Christenheit mit seinem Kreuzzugsruf zu kirchlichem Eifer entflammte, stand H. zur Seite, ohne Macht, die große kirchliche Bewegung, die den Sieg des Papsttums der Welt offen ankündigte, zu hemmen. Erst im Frühjahr 1097 kehrte er nach Deutschland zurück, gewann hier durch Zugeständnisse die mächtigsten Fürsten, unter ihnen selbst den Herzog Welf; sie erwählten sogar seinen zweiten Sohn, Heinrich, zu Köln (1098) zum deutschen König. Die Ruhe war in Deutschland für einen Augenblick wiederhergestellt. Aber der neue Papst, Paschalis II., that H. aufs neue in den Bann, und die Großen Bayerns bewogen 1104 seinen geliebtesten Sohn, Heinrich, die Waffen gegen den Vater zu ergreifen. So standen sich Vater und Sohn im Feld gegenüber; dem Vater hingen vornehmlich die Städte an, zu dem Sohn hielt die Mehrzahl der Fürsten. Endlich gelang es dem Sohn, den Vater zu überlisten; er geriet in die Gefangenschaft des Sohns und wurde gezwungen, 31. Dez. 1105 in Ingelheim seine Abdankung förmlich zu erklären. Er entkam zwar noch einmal der Haft, floh nach Lüttich und gedachte, den Verrat des Sohns zu bestrafen; ehe es aber zu neuem Krieg kam, starb H. 7. Aug. 1106 in Lüttich. Der Bischof von Lüttich ließ ihn einstweilen beisetzen; aber Heinrich V. befahl, den Leichnam nach Speier zu bringen, wo derselbe fünf Jahre lang in einer nicht geweihten Seitenkapelle des Doms in einem steinernen Sarg unbestattet stand, bis der Papst 1111 den Toten vom Bann lossprach und seine Beisetzung im Dom erlaubte. H. war vermählt zuerst seit 1066 mit Bertha, der Tochter des Markgrafen Otto von Susa, die ihm außer den genannten Söhnen Konrad (gest. 1101) und Heinrich eine Tochter, Agnes, Gemahlin des ersten staufischen Herzogs von Schwaben, gebar und 1087 starb, sodann seit 1089 mit Adelheid (Praxedis), der Tochter des russischen Fürsten Wsewolod, Witwe des Markgrafen Udo von der Nordmark, die 1095 starb. H. besaß treffliche Gaben des Geistes und Herzens. Er war treu und erkenntlich gegen seine wirklichen Freunde, ein Freund des Volkes dessen Bedrückern gegenüber, tapfer im Kampf und scharfsinnig im Rat, aber leidenschaftlich und jähzornig, rasch im Entschluß, aber nicht beharrlich in der Ausführung. Sein Charakter ist von seinen Gegnern, welche in der historischen Litteratur seiner Zeit das große Wort geführt, in der boshaftesten Weise entstellt und verleumdet worden. H. kämpfte für die Erhaltung der deutschen Königsmacht gegen die Unbotmäßigkeit der deutschen Fürsten und gegen die hierarchischen Tendenzen des Papsttums; seine Gegner waren Partikularismus und Ultramontanismus, und ihren vereinigten, mit Hinterlist und Gewalt ausgeführten Angriffen ist er erlegen. Gegen diese beiden gewaltigen Feinde das Reich und die Krone zu schützen, das war die Aufgabe, die ihm geworden, und die glücklich zu lösen Charakterfehler und ungünstige Umstände ihn verhindert haben. Gleichwohl hat er durch seinen Widerstand den Sieg des Papsttums erheblich verzögert und eine unbeschränkte Hierarchie unmöglich gemacht. Vgl. Floto, H. IV. und sein Zeitalter (Stuttg. 1855-57, 2 Bde.); Giesebrecht, Geschichte der deutschen Kaiserzeit, Bd. 3 (4. Aufl., Braunschw. 1876); Kilian, Itinerar Kaiser Heinrichs IV. (Heidelb. 1886).

5) H. V., Sohn des vorigen, geb. 8. Jan. 1081, ward schon 1098, als sein älterer Bruder, Konrad, sich gegen den Vater empört hatte, zum römischen König erwählt und 1104 von den unversöhnlichen Gegnern Heinrichs IV. zu offener Empörung verleitet. Nachdem er den Vater 31. Dez. 1105 zur Abdankung gezwungen, wurde er 6. Jan. 1106 in Mainz zum König erklärt, allgemein aber erst nach Heinrichs IV. Tod anerkannt. Des Vaters Anhänger ließ er für ihre Treue büßen, so die Stadt Köln durch eine Geldstrafe und den Herzog von Lothringen durch den Verlust seines Herzogtums. Dem neuen König gelang es in Deutschland bald, den Frieden herzustellen; aber sein Versuch, die deutsche Lehnshoheit über Böhmen, Ungarn und Polen faktisch zu erneuern, schlug fehl. Da H. als Geschöpf der päpstlichen Partei 1104 und 1105 aufgetreten war, hatte man gehofft, er werde bald den Investiturstreit beendigen. Diese Hoffnung erwies sich sofort als eitel. Papst Paschalis II. sprach das römische Prinzip, daß kein Laie mehr die Investitur erteilen dürfe, noch einmal sehr bestimmt aus auf der Synode zu Guastalla (1106);