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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Hermann

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Hermann.

2) Johann Gottfried Jakob, einer der größten Philologen, geb. 28. Nov. 1772 zu Leipzig, privatim vorgebildet durch Ilgen, bezog schon 1786 die Universität seiner Vaterstadt, um Jurisprudenz zu studieren, wandte sich aber immer mehr, besonders unter dem Einfluß des mit ihm verwandten Reiz, der Philologie zu, ging auf ein Semester nach Jena (1793/94), um unter Reinhold sich der Kantschen Philosophie zu widmen, habilitierte sich im Oktober 1794 in Leipzig durch Verteidigung der Schrift "De poeseos generibus", wurde 1798 außerordentlicher Professor der Philosophie, 1803, nachdem er 1802 die Berufung als Rektor der Schulpforta abgelehnt hatte, ordentlicher Professor der Beredsamkeit, 1809 auch der Poesie und starb als Senior der Universität 31. Dez. 1848. H. war das anerkannte Haupt der kritisch-grammatischen Schule, die in dem Verständnis der antiken Schriftwerke das Ziel der Philologie, in der Erforschung der Sprache das erste und unerläßlichste Mittel zur Erreichung desselben erkannte, und trat dadurch in einen gewissen Gegensatz zu der universalen Richtung Böckhs, von der aus ihm eine einseitige Auffassung zum Vorwurf gemacht wurde. Der Streit hierüber veranlaßte ihn zu der Schrift "Über Böckhs Behandlung der griechischen Inschriften" (Leipz. 1826) und der "Rezension von Herrn K. O. Müllers Eumeniden des Äschylos" (das. 1835) nebst "Rezension einer Antikritik und zweier Rezensionen von Herrn K. O. Müller" (das. 1839); doch hat auch diese Fehde allmählich gegenseitiger Anerkennung Platz gemacht. Auf einem mehr freundschaftlichen Austausch verschiedener Ansichten über Mythologie beruhte sein Schriftwechsel mit Creuzer: die "Briefe über Homer und Hesiodus" (Heidelb. 1817) und "Über das Wesen und die Behandlung der Mythologie" (Leipz. 1819). Seine Vorlesungen, meist exegetischer Natur, zeichneten sich durch seltene Lebendigkeit des Vortrags, Klarheit und Bestimmtheit der Darstellung, eine unübertroffene Methode aus; durch die 1799 gestiftete Griechische Gesellschaft sowie seit 1834 als Direktor des philologischen Seminars suchte er das Urteil seiner Schüler auch im engern Kreis zu wecken und zu schärfen. Von seinen schriftstellerischen Arbeiten sind gleich die ersten über antike Metrik bahnbrechend, indem er eine wissenschaftliche Theorie derselben auf Grund der Kantschen Lehre von den Kategorien, allerdings unter Übergehung der alten Rhythmiker und Musiker, aufstellte. Wir nennen: "De metris poetarum graecorum et romanorum" (Leipz. 1796); das "Handbuch der Metrik" (das. 1799); die reichen "Elementa doctrinae metricae" (das. 1816); die "Epitome doctrinae metricae" (das. 1818, 4. Aufl. 1869), ein im einzelnen bereicherter und berichtigter Auszug aus den "Elementa" für Vorlesungen. Vgl. Freese, De Hermanni metrica ratione (Halle 1820), und Geppert, Über das Verhältnis der Hermannschen Theorie der Metrik zur Überlieferung (Berl. 1835). Ferner ward H. der Begründer einer rationellern Behandlung der griechischen Grammatik, die auf eine bessere Gestaltung der Grammatik überhaupt, namentlich auch der deutschen, nicht ohne wesentlichen Einfluß geblieben ist. Hierher gehören: "De emendanda ratione graecae grammaticae pars I" (Leipz. 1801); die gehaltreichen Zusätze und Exkurse zu Vigers "De praecipuis graecae dictionis idiotismis liber" (das. 1802, 4. Aufl. 1834) und die "Libri IV de particula an ^[αν]" (das. 1831; auch "Opuscula", Bd. 4). Am glänzendsten bewährt sich Hermanns Meisterschaft in seinen Ausgaben, besonders der griechischen Dichter. Er vollendete nach Erfurdts Tod (1813) die von diesem begonnene Ausgabe des Sophokles bis 1825 und besorgte neue Auflagen der einzelnen Bändchen. Von Euripides edierte er zunächst einzelne Tragödien für seine Vorlesungen; eine Gesamtausgabe desselben erschien nur bis zum 8. Bändchen (Leipz. 1831-41: "Hecuba", "Iphigenia Aulica", "Iphigenia Taurica", "Helena", "Andromacha", "Cyclops", "Phoenissae", "Orestes"). Außerdem gab er heraus die "Nubes" des Aristophanes (Leipz. 1799 u. 1830), "Orphica" (das. 1805), die Homerischen Hymnen (das. 1806); von lateinischen Dichtern: des Plautus "Trinummus" (das. 1800, 2. Aufl. 1853) und "Bacchides" (das. 1845); von griechischen Prosaikern: des Aristoteles "De arte poetica" (das. 1802), das Lexikon des Photios (bloßer Textabdruck, das. 1808) und den Grammatiker Draco Stratonicensis nebst des Tzetzes "Exegesis in Homeri Iliadem" (das. 1812). Erst nach seinem Tod erschien seine Ausgabe der Bukoliker Bion und Moschos (Leipz. 1849) sowie die schon ein halbes Jahrhundert vorher von ihm beabsichtigte, nie aus den Augen gelassene Rezension des Äschylos (von seinem Schwiegersohn M. Haupt besorgt, das. 1852, 2 Bde.; 2. Aufl. 1859). Seine kleinern Aufsätze über die verschiedensten Gegenstände, meist in musterhafter lateinischer Darstellung, nur selten in der Muttersprache, sowie seine Oden und übrigen lateinischen, auch griechischen Gedichte und Nachbildungen, die einen wahrhaft klassischen Geist atmen, sind gesammelt in den "Opuscula" (Bd. 17, Leipz. 1827-39 von ihm selbst, Bd. 8, das. 1877 von seinem Enkel Theodor Fritzsche herausgegeben). "G. Hermanns lateinische Briefe an seinen Freund Volkmann" gab A. B. Volkmann (Heidelb. 1882) heraus. Vgl. O. Jahn, Gottfr. H. Eine Gedächtnisrede (Leipz. 1849); Köchly, Gottfr. H. Zu seinem hundertsten Geburtstag (das. 1874).

3) Friedrich Benedikt Wilhelm von, Nationalökonom, geb. 5. Dez. 1795 zu Dinkelsbühl, arbeitete erst als Gehilfe in einem Rechnungsamt, besuchte erst spät das Gymnasium zu Erlangen und studierte hierauf daselbst und in Würzburg Mathematik und Kameralwissenschaften. Nachdem er einer Privat-Erziehungsanstalt zu Nürnberg vorgestanden und seit 1821 als Lehrer der Mathematik am Gymnasium zu Erlangen, seit 1823 auch als Privatdozent im Kameralfach an der dortigen Universität thätig gewesen, wurde er Professor der Mathematik am Gymnasium und an der polytechnischen Schule zu Nürnberg, wo er bis 1827 blieb. Sein "Lehrbuch der Arithmetik und Algebra" (Nürnb. 1826, 2. Aufl. 1845) und die Schrift "Über polytechnische Institute" (das. 1826-1828, 2 Hefte) machten ihn bald in weitern Kreisen bekannt. Er bereiste darauf Frankreich und ward nach seiner Rückkehr außerordentlicher und 1833 ordentlicher Professor der Staatswirtschaft an der Universität zu München. In dieser Stellung schrieb er seine "Staatswirtschaftlichen Untersuchungen" (Münch. 1832, 2. Aufl. 1870), die ihm im Gebiet der volkswirtschaftlichen Litteratur einen bleibenden Namen sichern. Wiederholt zu wissenschaftlichen Reisen verwendet, wurde H. 1837 zum Mitglied des obersten Kirchen- und Schulrats, 1839 zum Direktor des Statistischen Bureaus, 1845 zum Ministerialrat im Ministerium des Innern und 1855 zum Wirklichen Staatsrat ernannt. 1848 in die konstituierende Nationalversammlung zu Frankfurt als Abgeordneter des ersten oberbayrischen Wahlbezirks gewählt, gehörte er dem linken Zentrum an und sprach hier wie auch später in der bayrischen Kammer für die deutsch-österreichische Zolleinigung. Eine große Zahl von Arbeiten Hermanns