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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Herodes Atticus

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Herodes - Herodes Atticus.

die Allgewalt der Söhne des Antipatros, der kurz zuvor durch einen treulosen Vertrauten vergiftet worden war; allein es gelang dem schlauen und gewandten H., die Gunst des Triumvirs in dem Grad zu gewinnen, daß dieser ihn nebst seinem Bruder Phasael zur Tetrarchenwürde erhob. Bald darauf brach aber Antigonos, von den Parthern unterstützt, von neuem in Judäa ein, und H. mußte ihm 40 ganz Judäa überlassen. Er floh hierauf nach Rom und erhielt hier durch Vermittelung seines Gönners Antonius durch einen Beschluß des Senats die Königswürde von Judäa. Von römischen Truppen begleitet, kehrte er nach Palästina zurück, setzte sich zuerst in den Besitz Galiläas und erstürmte 37 nach zweimaliger Belagerung Jerusalem, wo er Antigonos gefangen nahm und als erster Ausländer den jüdischen Thron bestieg. In dem Bürgerkrieg zwischen Antonius und Oktavian stand er anfangs auf seiten des erstern, trat aber nach der Schlacht bei Actium 31 zu der siegenden Partei über und wußte auch Oktavians Gunst zu erlangen, so daß ihn dieser nicht nur in seiner Würde bestätigte, sondern auch dem jüdischen Staate durch Trachonitis, Auranitis und Batanäa einen bedeutenden Zuwachs gab. H. regierte mit Klugheit und Energie, verfolgte aber aufs grausamste alle, die seiner Herrschaft gefährlich schienen. Er ließ nicht nur seine Gemahlin Mariamne, eine Enkelin des Hyrkanos II., nebst den übrigen Gliedern der hasmonäischen Dynastie, sondern auch seine mit Mariamne erzeugten Söhne Alexander und Aristobulos sowie eine große Anzahl ihm abgeneigter Juden hinrichten. Hierdurch sowie durch seine Aufnahme heidnischer Gebräuche und ausländischer Sitten (er baute Theater und Gymnasien, feierte zu Ehren des Kaisers die Ludi quinquennales und führte selbst eine Art Olympischer Spiele ein) entfremdete er sich die Herzen der Juden, und der von ihm errichtete prachtvolle Neubau des Salomonischen Tempels, die Herstellung vieler andrer nützlicher oder zur Zierde der Hauptstadt dienender Bauten und die Fürsorge für die Bedürfnisse des Volkes zur Zeit einer drückenden Hungersnot waren nicht vermögend, ihm die Sympathien der Juden zu gewinnen. Nachdem er mehreren meuchelmörderischen Angriffen auf sein Leben entgangen war, starb er an einer qualvollen Krankheit 4 v. Chr. (d. h. zwei Jahre nach der wirklichen Geburt Christi). Seine Geschichte ist ausführlich von Josephus in den Antiquitäten erzählt; der bethlehemitische Kindermord (Matth. 2, 16) wird von Josephus nicht erwähnt. Vgl. de Saulcy, Histoire d'Herode, roi des Juifs (Par. 1867).

2) H. Antipas (Antipatros), Sohn des vorigen und der Malthake, einer Samariterin, erhielt nach seines Vaters Tod gemäß dem Testament desselben Galiläa und Peräa als Tetrarchie und bemühte sich vergeblich, von Augustus die Königswürde zu erlangen. Er war der Landesherr Jesu (Luk. 23, 7). Anfangs war er mit Arete, der Tochter des arabischen Königs Aretas, vermählt, verband sich aber sodann mit Herodias, der Gemahlin seines Halbbruders Herodes, die ihn nach dem evangelischen Bericht (Matth. 14, 4) zur Hinrichtung Johannes' des Täufers verleitete. H. aber wurde von Aretas bald mit Krieg überzogen und erlitt eine solche Niederlage, daß nur die Einsprache der Römer seinem gänzlichen Sturz vorbeugte. Auf Andringen seiner eitlen und herrschsüchtigen Gattin reiste er nach dem Regierungsantritt des Kaisers Caligula zum zweitenmal nach Rom, um den Königstitel zu erlangen, der seinem Neffen Herodes Agrippa verwilligt worden; allein er wurde auf ebendessen Anklage hin 39 n. Chr. durch kaiserlichen Spruch seines Throns verlustig erklärt und erst nach Lyon in Gallien, dann nach Spanien verwiesen, wo er starb.

3) H. Agrippa I., König von Judäa, Bruder der Herodias, Enkel Herodes' d. Gr., Sohn des Aristobulos und der Berenike, kam kurze Zeit vor dem Tod seines Großvaters nach Rom, wo er mit dem nachmaligen Kaiser Claudius erzogen ward. Eine drückende Schuldenlast nötigte ihn später zur Flucht nach Palästina, doch kehrte er bald nach Rom zurück und erhielt von Tiberius die Obhut über seinen Enkel Tiberius Gemellus anvertraut. Der enge Verkehr zwischen ihm und dem nachmaligen Kaiser Caligula machte ihn jedoch dem argwöhnischen Tyrannen so verdächtig, daß er den Palast mit dem Kerker vertauschen mußte. Nach sechsmonatlicher Haft erlöste ihn der Regierungsantritt des Caligula nicht nur, sondern er sah sich plötzlich auch mit dem Diadem gekrönt und zum Beherrscher der Tetrarchien des verstorbenen Philippus und des Lysanias erhoben. Des Antipas Sturz vergrößerte sein Gebiet noch um dessen ganze Tetrarchie, und 41 n. Chr. erhob ihn sein Jugendgenosse Claudius zum Herrscher über das ganze Reich Herodes' d. Gr., weshalb er auch von jetzt an den Beinamen des Großen führte. Während einer kurzen Regierung that er viel zum Besten seines Staats. Aus Nachgiebigkeit gegen die Juden ließ er 44 Jakobus, den Bruder des Apostels Johannes, enthaupten, Petrus aber ins Gefängnis werfen (Apostelgesch. 12, 1 ff.). Er starb 44 in Cäsarea.

4) H. Agrippa II., Sohn des vorigen, war bei dessen Tod 17 Jahre alt und wurde deshalb auf Anstiften der Günstlinge des Kaisers Claudius von der Thronfolge ausgeschlossen, erhielt aber dafür das Fürstentum Chalkis, welches Agrippas I. Bruder Herodes besessen hatte, nebst der Aufsicht über den jerusalemischen Tempel und der Befugnis, den Hohenpriester zu wählen, vier Jahre später aber statt des genannten Fürstentums die ehemalige Tetrarchie des Philippus und Lysanias mit dem Königstitel. Später fügte Nero noch Tiberias, Tarichää, Julias und 14 andre benachbarte Flecken hinzu. H. that viel für Jerusalems Verschönerung, stand aber gleichwohl bei den Juden wegen seiner Willkür im Ab- und Einsetzen der Hohenpriester und andrer Fehlgriffe in geringer Achtung. Nach dem Ausbruch des jüdischen Kriegs hielt er treu zu den Römern, wohnte der Belagerung von Jerusalem durch Titus bei und starb um 100 n. Chr.

5) H. Philippus, Tetrarch, Sohn von H. 1) und der Kleopatra, machte sich in seinem Gebiet durch Weisheit und Gerechtigkeit verdient, erhob den Flecken Bethsaida durch Bauten und Ansiedelungen zum Rang einer Stadt, welche er Julias nannte, und starb nach 37jähriger friedlicher Regierung (34 n. Chr.) kinderlos, daher sein Land erst zu Syrien geschlagen, dann aber Herodes Agrippa I. zugeteilt wurde.

Herodes Atticus (genauer Tiberius Claudius Atticus H.), namhafter griech. Redner, geboren um 101 n. Chr. zu Marathon, erwarb sich schon früh durch Bildung und Redekunst die Gunst des Kaisers Hadrian, der ihn 125 zum Präfekten der freien Städte der Provinz Asien ernannte. Etwa 129 nach Athen zurückgekehrt, nahm er hier als gefeierter Redner und Lehrer der Beredsamkeit sowie durch seine großartige Freigebigkeit, die er mit Hilfe eines ungeheuern vom Vater ererbten Vermögens in der Unterstützung seiner Mitbürger und der Errichtung von öffentlichen Prachtbauten bethätigte, eine hervorragende Stel-^[folgende Seite]