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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Herrenbreitungen - Herrenrecht.

hat ein Amtsgericht, eine schöne gotische (vormals Chorherrenstifts-) Kirche, eine Schloßruine, Möbel-, Möbelstoff- und Strickgarnfabrikation, starken Hopfenbau und (1885) 2661 meist evang. Einwohner. - H. war von 1247 bis 1382 Sitz einer Linie der Pfalzgrafen von Tübingen, worauf es durch Kauf an Württemberg überging; es erlitt 1733 durch starke Erdrisse viele Beschädigungen. Das dortige weltliche Chorherrenstift wurde 1436 gestiftet, 1481 in ein Haus der Brüder des gemeinsamen Lebens umgewandelt und 1534 aufgehoben.

Herrenbreitungen, Dorf im preuß. Regierungsbezirk Kassel, Kreis Schmalkalden, an der Mündung der Truse in die Werra, hat ein Schloß (bis 1559 wichtiges Benediktinerkloster), eine evang. Pfarrkirche und (1885) 764 Einw.

Herrenburg, Johann Andreas, Maler, geb. 1824 zu Berlin, erhielt den ersten Unterricht in der Kunst von dem Landschaftsmaler Biermann und machte dann zu seiner weitern Ausbildung Reisen durch Deutschland, Frankreich und Italien. Als er 1845 auch nach Athen kam, bewog ihn König Otto von Griechenland, die Denkmäler des Altertums auf dem Peloponnes zu erforschen; von da begleitete er eine für künstlerische und wissenschaftliche Zwecke unternommene türkische Expedition nach Kleinasien, Palästina und Persien. Auf Cypern stellte er geographische Forschungen an und lieferte die erste vollständige Spezialkarte dieser Insel. Nachdem er noch Ägypten, Nubien und Abessinien bereist hatte, kehrte er 1848 nach Berlin zurück und führte nun seine zahlreichen Skizzen zu landschaftlichen und Architekturbildern aus. Dahin gehören: eine Straße in Kairo, die Ebene von Theben in Ägypten, ein Blick auf Sidon, Motiv vom Weißen Nil, eine Straße in Bagdad, die Küste von Paphos, Abuschehr am Persischen Meerbusen, das auf feine Sonnenwirkung angelegte Motiv vom Comersee, das Effektbild der Kolosse des Memnon u. a. 1855 zog er nach Dresden und malte auch mehrere nordische Landschaften oder Bilder der alten klassischen Architektur, unter andern: die Akropolis von Athen, das Theater von Taormina, Tempel der Isis auf Philä und das römische Forum.

Herrendienste, s. Fronen.

Herrenfall (Hauptfall, Thronfall, Veränderung in der herrschenden Hand), im Lehnrecht der Wechsel in der Person des Lehnsherrn, im Gegensatz zum Lehnsfall (Nebenfall) oder der Veränderung in der dienenden Hand, d. h. in der Person des Lehnsträgers, welch letzterer in beiden Fällen zur Lehnserneuerung verpflichtet war. S. Lehnswesen.

Herrengrund (ungar. Urvölgy), Dorf im ungar. Komitat Sohl, mit (1881) 1187 Einw., bedeutendem Kupfer-, Silber- und Antimonbergwerk, großer Wasserleitung und berühmtem, 1605 entdecktem Zementgewässer, welches Eisen in Kupfer verwandelt.

Herrenhaus, in manchen Gegenden Bezeichnung für die Wohnung der Gutsherrschaft; in Preußen und in Österreich die offizielle Bezeichnung für die Erste Kammer.

Herrenhausen, Dorf, nordwestlich bei Hannover und mit diesem durch eine Pferdeeisenbahn verbunden, hat eine Bierbrauerei, eine Eisenbahnwerkstätte und (1885) 1762 meist evang. Einwohner. Zwischen H. und Hannover breitet sich der Gutsbezirk H. aus, der neben dem Welfenschloß jetzt königliche technische Hochschule (s. Hannover), das Lustschloß H., die Sommerresidenz der ehemaligen Könige von Hannover, einschließt und in dem Entschädigungsvertrag vom 29. Sept. 1867 dem König Georg V. und seinen Erben verblieb, jetzt aber von einer preußischen Kommission verwaltet wird. Zum Schloß H., in dem am 3. Sept. 1725 ein Allianzvertrag zwischen Hannover (England) und Preußen abgeschlossen wurde, führt von der Stadt Hannover eine 1995 m lange, 36,5 m breite vierfache Lindenallee. Neben dem Schloß befinden sich das Welfenmuseum, der Marstall und die Bildergalerie. Der große, im französischen Geschmack gehaltene Garten enthält ein Gartentheater, Fontänen und Wasserwerke, eine große Orangerie in dem mit ausgezeichneten Fresken gezierten Galeriegebäude. Auf der entgegengesetzten Seite des Schlosses liegt der Berggarten, einer der besteingerichteten botanischen Gärten, mit zahlreichen Palmen- und Gewächshäusern; dabei das königliche Marmormausoleum mit den Grabdenkmälern des Königs Ernst August und seiner Gemahlin (von Rauch).

Herrenlose Sachen (Res nullius), Sachen, welche in niemandes Eigentum stehen. Dazu gehören zunächst diejenigen Sachen, welche überhaupt in niemandes Eigentum stehen können, die sogen. Res extra commercium, die dem Verkehr entzogenen Sachen. Von Natur gehören zu diesen die Res communes omnium (Sachen, welche allen gemeinsam sind), nämlich Luft, vorbeifließendes Wasser und das Meer (aër, aqua profluens et mare); durch positive Gesetzgebungen sind ihnen im römischen Recht hinzugefügt worden die Res divini juris, namentlich die Res sacrae, d. h. die den Göttern geweihten Sachen, und die Res religiosae, Orte, wo ein Toter rechtmäßig und bleibend beerdigt war. Bei uns gehören dagegen die Res divini juris entweder der Kirche, oder einer städtischen Behörde, Korporation, oder Einzelnen an, ebenso stehen die bei den Römern dem Verkehr entzogenen Res publicae und die Res universitatis, die zum öffentlichen Gebrauch bleibend bestimmten Sachen eines Staats oder einer Gemeinde, heutzutage im Eigentum dieser letztern. Gleiches gilt von den Res sanctae der Römer, umfriedeten Sachen, wie Mauern und Stadtthoren, deren Verletzung oder Beschädigung besonders stark geahndet und gestraft wurde. In einem besondern Sinn gebraucht man Res nullius von solchen Sachen, bei welchen zwar ein Eigentum zulässig ist, die aber zufällig in niemandes Eigentum stehen. Von ihnen gilt der Grundsatz: Res nullius cedit occupanti, d. h. wer die herrenlose Sache mit der Absicht, dieselbe sich zuzueignen, in seine Gewalt bringt, wird Eigentümer derselben (s. Okkupation). Zu diesen Sachen rechneten die Römer wilde Tiere, bei uns nicht jagdbare Tiere, z. B. Mäuse, in ihrer natürlichen Freiheit, Sachen, die in der Gewalt der Feinde sich befinden, Schätze und deserierte oder derelinquierte Sachen (res derelictae et pro derelictis habendae), d. h. von ihrem bisherigen Eigentümer ohne Übertragung auf einen andern absichtlich aufgegebene Gegenstände. So kann z. B. jedermann ein von mir weggeworfenes Stück Papier von der Straße aufheben und sich aneignen. Das deutsche Recht zählt namentlich noch hierher die verlornen Sachen, wenn der Finder den Fund bei der Obrigkeit angezeigt hat, von derselben eine öffentliche Bekanntmachung erfolgt ist und der Eigentümer binnen bestimmter Zeit sich nicht gemeldet hat.

Herrenpilz, s. Champignon.

Herrenrecht (Droit de seigneur), das vermeintliche mittelalterliche Recht der Grundherren, den Töchtern ihrer Hörigen vor dem Bräutigam beiwohnen zu dürfen. S. Jus primae noctis.