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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Holbäk; Holbeach; Holbein

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Holbäk - Holbein.

berüchtigtstes) Buch, das "Système de la nature" (Lond. [Amsterd.] 1770, 2 Bde.; deutsch von Schreiter, Frankf. 1783, 2 Bde.; Leipz. 1843), denselben eine (materialistisch-mechanische) metaphysische Grundlage zu geben versucht. Der Zusatz auf dem Titel: "ou des lois du monde physique et du monde moral" verrät deutlich, daß es dessen Verfasser (oder Verfassern), wie einst Spinoza mit seiner "Ethik", um die praktischen Konsequenzen wenigstens ebensoviel wie um die theoretische Welteinsicht zu thun war. Dasselbe erschien unter dem Namen des (zehn Jahre vorher verstorbenen) Akademikers Mirabaud und war seinem Inhalt nach, wie aus Diderots nachgelassenen Schriften erhellt, diesen teilweise wörtlich, wahrscheinlicherweise aber auch handschriftlichen Aufsätzen von La Grange, Naigeon u. a. entlehnt. Zweck desselben ist, zu beweisen, daß der Materialismus als Weltanschauung konsequent (was übrigens auch dessen diametralem Gegenteil, dem Idealismus Berkeleys, zugestanden wird) und wohlthätig sei. Ersteres gehe daraus hervor, weil ihm zufolge Moralisches und Physisches (Geist und Körper) dasselbe, das einzige Existierende die Materie und die von ihr unzertrennliche, auch derselben nicht erst mitgeteilte Bewegung sei. Zwecke gibt es daher ebensowenig wie moralische Beweggründe; alle Veränderung in der Natur geht durch wirkende Ursachen mit Notwendigkeit vor sich, und was die Psychologen Selbstliebe, Liebe und Haß nennen, ist nichts andres als die Bewegungsbedingungen, welche die Physiker Trägheit, Attraktion und Repulsion heißen. Wohlthätig aber wirke der Materialismus, weil er denjenigen, welcher weiß, daß alles Geschehende notwendig ist, von betrüglicher Hoffnung und quälender Furcht befreie und in der Gegenwart glücklich zu sein lehre. Statt durch Moralpredigen, lehrt er die moralisch Kranken dadurch zu bessern, daß er sie physisch gesünder zu machen sucht (der Arzt tritt an die Stelle des Seelsorgers); statt von den Menschen das Unmögliche zu fordern, daß sie, um sittlich zu handeln, gegen ihren Vorteil handeln sollen, lehrt er, daß sich die Gesellschaft am besten befindet, wenn jeder (durch sie) seinen Vorteil sucht; da letzteres jeder gern und, ohne gezwungen werden zu müssen, thut, so werden die Strafen immer seltener sein, welche, da alles aus Notwendigkeit geschieht, nicht darum verhängt werden, weil der Verbrecher frei und verantwortlich ist, sondern aus demselben Grund, aus welchem wir Flüsse, die beides nicht sind, doch eindämmen. Fanatiker der Konsequenz, Materialist aus "Humanität", flößte H. nicht nur Gleichgesinnten Verehrung, sondern auch offenen Gegnern, wie Rousseau, solche Achtung ein, daß ihn dieser zum Modell seines Herrn v. Wolmar (in der "Neuen Heloise") nahm. Die Kaiserin Katharina II. von Rußland zog ihn bei ihrer Gesetzgebung zu Rate. Er starb am Vorabend der Revolution, die er mit vorbereiten half, 21. Juni 1789. Vgl. Avezac-Lavigne, Diderot et la société du baron H. (Par. 1875).

Holbäk, dän. Amt auf der Insel Seeland, 1626 qkm (29,5 QM.) mit (1880) 93,340 Einw. Die gleichnamige Hauptstadt an der südlichen Bucht des Isefjords und der Eisenbahn Roeskilde-Kallundborg hat (1880) 3265 Einw.

Holbeach (spr. hollbihtsch), Stadt in Lincolnshire (England), im Zentrum der Fens (s. d.), mit (1881) 5190 Einw.

Holbein, deutsche Künstlerfamilie, von deren Gliedern folgende hervorzuheben sind: 1) Hans, der ältere, Maler, geboren um 1460 zu Augsburg, bildete sich unter dem Einfluß von Martin Schongauer, erreichte aber, schnell fortschreitend und sich immer entschiedener losringend von altertümlicher Auffassungsweise, in seinen besten Werken eine große dramatische, mit klarer, leuchtender Farbenwirkung verbundene Lebendigkeit und Prägnanz des Ausdrucks. Seine Gestalten, ob auch in Füßen und Händen noch schwach, wissen sich natürlich zu bewegen; in genreartigen Episoden wird das Schalkhaft-Anmutige wie das Derbe und Humoristische zur Geltung gebracht; meisterhaft sind die im bildnistreuen Gesicht wie in Auftreten und Tracht aus des Künstlers eigner Zeit und Umgebung entnommenen Gestalten. Zu seinen besten Arbeiten gehören vier Flügelbilder aus der Geschichte Marias, von einem Altar aus der Abtei Weingarten (jetzt im Augsburger Dom) von 1493, die Reste eines ehemaligen Altars in der Dominikanerkirche zu Frankfurt a. M., Szenen aus Christi Passion von 1501 (jetzt daselbst im Städelschen Institut), die Flügel eines Altars aus Kloster Kaisheim, 16 Szenen aus der Passion und der Geschichte Marias von 1502 in der Münchener Pinakothek, die Basilika Santa Maria Maggiore (1499) und St. Paul vor den Mauern (um 1504) mit dem Bildnis des Malers und seiner beiden Söhne. So trefflich indessen diese Werke sind, so schritt doch H. immer weiter fort, und in den Gemälden: Epitaph des Bürgermeisters Schwartz, bei v. Stetten in Augsburg, Katharinenaltar (1512) in der Galerie zu Augsburg, Sebastiansaltar (1515-16) in der Pinakothek zu München erreicht er unter dem Einfluß der italienischen Renaissance eine große Kraft des Ausdrucks, Schönheit des Kolorits und seelenvolle Durchbildung. Vortrefflich sind auch seine zahlreich vorkommenden Zeichnungen; in Basel, Berlin und Kopenhagen findet man Skizzenbücher von ihm, unter denen das Berliner das wertvollste ist. Vgl. A. Woltmann, H. Holbeins des ältern Silberstiftzeichnungen (Nürnb. 1876). Sein 1515 von ihm selbst gezeichnetes Bildnis, ein prächtiger Kopf mit langem Haar und Bart, besitzt der Herzog von Aumale. H. zog trauriger Vermögensverhältnisse wegen um 1517 aus Augsburg nach dem Elsaß und starb 1524 außerhalb seiner Heimat.

2) Hans, der jüngere, der berühmteste Maler der Familie, Sohn des vorigen, geb. 1497 zu Augsburg, bildete sich dort unter dem Einfluß seines Vaters und Hans Burgkmairs und siedelte schon um 1514 nach Basel über, wo sich im Museum ein Madonnenbild von ihm mit dieser Jahreszahl befindet. Im J. 1515 bemalte er eine Tischplatte mit Darstellungen aus Schwänken (Zürich, Stadtbibliothek) und fertigte eine Reihe von Federzeichnungen zu dem "Lob der Narrheit" von Erasmus in einem Exemplar, das sich jetzt im Baseler Museum befindet. Aus dem Jahr 1516 haben wir Bücherholzschnitte, ferner das Aushängeschild eines Schulmeisters im Baseler Museum, ebendaselbst die Brustbilder des Bürgermeisters Jakob Meyer zum Hasen und seiner Hausfrau, dann das bereits von großer Meisterschaft zeugende Bildnis des Malers Hans Herbster in der Galerie von Mr. Baring zu London. Im folgenden Jahr war H. in Luzern, wo er das jetzt nicht mehr bestehende Haus des Schultheißen Jakob v. Hertenstein außen und innen mit Wandbildern schmückte. Vielleicht, daß H. auch einen Schritt in die Lombardei that; nächst den indirekten Einwirkungen von Italien, die er schon in Augsburg, der Stadt deutscher Renaissance, empfangen, sind auch die Einflüsse des Andrea Mantegna, die aber auch durch dessen Kupferstiche und die alten Holzschnitte vermittelt sein können, sowie auch direkte Einflüsse des Leonardo da Vinci und der römischen