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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Hugenotten

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Hugenotten (Erlaß und Aufhebung des Edikts von Nantes).

er sah sich genötigt, 25. Juli 1593 zur katholischen Kirche überzutreten. Auch als König scheute er sich anfangs, seine katholischen Unterthanen durch Begünstigung der Reformierten vor den Kopf zu stoßen; lange zauderte er, den H. ihre Rechte durch ein neues Edikt gesetzeskräftig zu bestätigen; endlich, 13. April 1598, erließ er das Edikt von Nantes, welches in 91 öffentlichen und 51 geheimen Artikeln die Rechte der H. teils bestätigte, teils erweiterte. Es war eine Wiederholung der frühern Friedensedikte von 1563, 1570, 1577, mit vollem Ernst auf eine definitive Befriedigung beider Religionsparteien gerichtet; es garantierte den Reformierten die freie Ausübung ihrer Religion in ganz Frankreich, einige Städte, wie z. B. Reims und Soissons, ausgenommen, wo besondere Verträge Heinrichs mit den Katholiken die allgemeine Religionsfreiheit verhinderten; es gab ihnen ferner das Recht zum Abhalten von Synoden, bewilligte ihnen eine jährliche Staatsunterstützung von 45,000 Thlr. zur Unterhaltung ihrer Prediger, die Aufnahme ihrer Kranken und Armen in die öffentlichen Spitäler, eröffnete ihnen Zutritt zu allen Ämtern und Würden und räumte ihnen die Besetzung der Rechtskammern der Parlamente, welche die Streitigkeiten zwischen Katholiken und Protestanten entschieden (Chambres mi-parties), zur Hälfte ein; endlich sollten sie ihre Sicherheitsplätze noch acht Jahre lang behalten. Die Parlamente waren mit diesem Edikt sehr unzufrieden, es erhob sich eine lebhafte Agitation gegen dasselbe; aber König Heinrich blieb standhaft und setzte zuerst bei dem Pariser Parlament die Eintragung desselben in die Akten durch (Februar 1599).

Wiewohl Ludwig XIII., als er sich 1614 für volljährig erklärte, das Edikt von Nantes bestätigte, ließen sich die H. doch in ihrem Mißtrauen gegen den mit einer Spanierin vermählten König von dem nach politischer Macht strebenden Adel verleiten, die Empörung des Prinzen Heinrich II. von Condé zu unterstützen; sie beruhigten sich, als 4. Mai 1616 der Vertrag von Loudun ihnen ihre Rechte und Freiheiten von neuem garantierte. Allein schon 1617 bewog der Klerus den König zu einem Edikt, welches die katholische Religion in dem rein protestantischen Béarn wieder einführte und außerdem den Reformierten daselbst zumutete, alle seit 50 Jahren besessenen Kirchengüter wieder herauszugeben. Als dasselbe nicht befolgt ward, zog 1620 der König selbst nach Béarn und setzte die Ausführung seines Edikts mit Gewalt durch. Die Reformierten sahen in diesem Verfahren eine Verletzung der eigenartigen Stellung Béarns, ein Attentat auf den Protestantismus; sie versammelten sich zu weiterer Beratung in La Rochelle, stellten die Prinzen von Rohan und Soubise an ihre Spitze, und im Mai 1621 begann der Krieg von neuem. Mehrere feste Plätze wurden von den untüchtigen Befehlshabern der H. ohne Widerstand an die Königlichen übergeben; nur St.-Jean d'Angely, welches Soubise verteidigte, und Nérac wurden erst nach harter Belagerung überliefert. Den starken Platz Montauban, welchen der Marquis La Force verteidigte, belagerte der König ebenfalls lange vergeblich. Im nächsten Feldzug fielen aber wieder einige Städte teils durch Verrat, teils durch die Untüchtigkeit der Unterbefehlshaber der H. in seine Hände. Gleichwohl erhielten letztere im Frieden von Montpellier 21. Okt. 1622 eine allgemeine Amnestie und die Rückgabe der eingezogenen Güter zugesichert; nur sollte ihnen fernerhin nicht gestattet sein, ohne vorher eingeholte Genehmigung seitens des Königs ihre Versammlungen zu halten. Da jedoch der Hof mehrere Friedensbedingungen nicht hielt, so suchten die H. ihr Recht mit Gewalt durchzusetzen. Unter der Führung von Soubise siegte ihre Flotte 1625 über zwei königliche Flotten, die Richelieu gegen Rochefort gesandt hatte, wurde dagegen im September von Montgomery gänzlich geschlagen. Durch die Vermittelung der Engländer und Holländer kam hierauf 5. Febr. 1626 ein neuer Friede zu stande. Die H. brachen jedoch den Frieden bald wieder und wurden vom König von England im Juli 1627 mit einer Flotte unterstützt. Diese englische Flotte leistete nicht viel; auch konnte der Herzog von Rohan La Rochelle nicht zu Hilfe kommen, da er von dem Prinzen von Condé in Languedoc beschäftigt wurde. Am 10. Aug. begann die Belagerung von La Rochelle. Am 8. Nov. mußten die Engländer die Insel Ré räumen, und die im Mai sowie im September 1628 erscheinenden neuen englischen Hilfsflotten mußten unverrichteter Sache wieder absegeln. Am 28. Okt. 1628 ergab sich endlich die Stadt. Dem Fall dieser stärksten Schutzwehr der H. folgte bald der der andern, weniger bedeutenden nach. Im Süden sah sich der Herzog von Rohan 27. Juni 1629 genötigt, den Vertrag von Alais einzugehen, worin die Schleifung der Festungswerke von Castres, Montauban, Nîmes und Usez ausbedungen, dagegen den H. Amnestie und freie Religionsübung gewährt wurde. Mit dem Verlust ihrer Sicherheitsplätze waren aber die H. so gut wie wehrlos gemacht; die Erfüllung der andern Friedensbedingungen war ganz in die Willkür des Königs gegeben.

Richelieu, dem es nur um Vernichtung der partikulären Privilegien und der Macht des Adels sowie um Herstellung einer alles umfassenden Regierungsgewalt zu thun war, ließ allerdings die Religionsfreiheit der H. unbeschränkt, und ebenso verfuhr nach ihm auch Mazarin. Die H. wurden zu Staatsämtern zugelassen und zeigten sich als tüchtige Bürger. Die Regierung Ludwigs XIV. folgte anfangs denselben Grundsätzen. Aber als der König sich in seinem spätern Lebensalter der Frömmelei zuwandte, bewirkte der Einfluß der Frau v. Maintenon und seines Beichtvaters La Chaise, daß den H. seit 1681 die bis dahin genossene Rechtsgleichheit mit den Katholiken nach und nach wieder entzogen wurde; ja, nach Colberts Tod 1683 unterlagen sie neuen Bedrückungen. Die Regierung betrieb ihre Bekehrung mit Mitteln der Gewalt. Militärische Einquartierungen überzogen diejenigen, die widerstrebten. Es wurden Dragoner ausgeschickt, um die H. durch gewaltsame Verfolgung in den Schoß der katholischen Kirche zurückzuführen (Dragonaden, s. d.) Viele wurden ermordet; andern wurden ihre Kinder mit Gewalt entrissen, um im katholischen Glauben erzogen zu werden. Viele protestantische Kirchen wurden niedergerissen, die protestantischen Prediger aber auf die Galeeren gebracht oder, oft auf grausame Weise, ermordet. Endlich (22. Okt. 1685) ließ sich Ludwig XIV. zur Aufhebung des Edikts von Nantes bewegen. Eine große Anzahl von H. floh trotz der Besetzung der Grenzen mit Militär nach der Schweiz, nach Deutschland, den Niederlanden und England. Im ganzen verließen etwa 200,000 gewerbfleißige Menschen Frankreich ("Refugiés", s. d.). Im Ausland wurden sie wegen ihrer Kunstfertigkeit in Gewerben gut aufgenommen und trugen viel zur Hebung der Industrie in ihrer neuen Heimat bei.

Nach der Aufhebung des Edikts von Nantes wurden aber noch strengere Maßregeln gegen die H. ergriffen: die Ehen derselben wurden für nich-^[folgende Seite]