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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Hut

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Hut (Technisches, Kulturgeschichtliches).

bildet. Am ausgedehntesten ist die Fabrikation der Filzhüte aus den Haaren von Kaninchen, Hasen, Ziegen, Kamelen, Vicunnas, Waschbären, Bisamratten, Affen, Fischottern und Bibern. Die natürliche Rauhigkeit der Wolle und andrer Säugetierhaare bewirkt, daß die Wollhaare, wenn sie wirr durcheinander liegen und einem mit schiebender Bewegung verbundenen Druck unterworfen werden, besonders unter Mitwirkung von Wärme und Feuchtigkeit (welche die Haare weicher und gefügiger machen) sich äußerst fest verschlingen. Wo die natürliche Beschaffenheit der Haare für diesen Zweck weniger geeignet ist, gibt man zunächst eine Beize mit einer Lösung von Arsenik und Sublimat. Das Haar wird dann zuerst "gefacht", d. h. auf eine aus dünnen Leisten bestehende Horde gebracht und mit dem Fachbogen, einer 1,9 bis 2 m langen, krummen Stange, deren Enden mittels einer Darmsaite verbunden sind, dadurch bearbeitet, daß man die Saite mit dem sogen. Knopfholz in Vibration setzt und gegen die Haare führt, wodurch diese kräftig auseinander geschnellt werden. Hierauf teilt man das Haar in zwei Teile, bearbeitet jedes "Fach" nochmals mit dem Fachbogen und formt daraus eine lockere, gleichmäßige Schicht von regelmäßig dreieckiger Form mit ausgebauchten Seiten. Diese wird mit dem Fachsieb bearbeitet, indem man dasselbe behutsam auf das gefachte Haar stellt und nach allen Seiten hin sanft drückt und reibt; dann schichtet man etwa 2-3 Paar Fache mit gut geleimtem Papier (Filzkern) übereinander, schlägt das Ganze in befeuchtete Leinwand und bearbeitet es durch Drücken und Reiben mit den Händen. Hat man die Fache umgelegt und die Operation wiederholt, so werden je zwei Fache durch Umschlagen der Kanten so miteinander vereinigt, daß sie eine große, kegelförmige Mütze bilden, und hierauf wird mittels Filzen und Walken eine bedeutende Verdichtung des Stoffes herbeigeführt. Dann formt man den H., indem man den Rand aufwärts biegt und die Spitze des Kegels so oft ein- und auswärts stülpt, bis sie als ein flaches, kreisförmiges Stück erscheint, welches von einer Anzahl konzentrischer Ringe oder Falten umgeben ist. Der so "in den Kranz geschlagene" H. wird wiederholt gewalkt, bis eine kreisrunde, völlig ebene Fläche, dem Boden des Hutes entsprechend, gebildet ist. Dann wird die Krempe gebildet und der fertige H. gewaschen, gefärbt, mit Schellacklösung gesteift und appretiert. Häufig plattiert (überzieht) man schlechteres Haar mit feinerm. In neuerer Zeit benutzt man eine Haarblasmaschine zur Reinigung des Rohmaterials, außerdem Fachmaschinen und Walkmaschinen und erzielt mit denselben befriedigende Resultate. Man hat auch anstatt der Bildung der einzelnen Hutfache durch den Fachbogen das Material, meist Schafwolle, als bandförmiges Vlies von einem Krempelcylinder unter ein Walzensystem gebracht, bei welchem ein Doppelkegel, auf vier konischen Walzen ruhend, sich um seine horizontale Achse dreht. Während des Drehens wickelt sich das Band in sich kreuzenden Lagen und der an den verschiedenen Stellen verlangten Filzdicke entsprechend auf den Doppelkegel und bildet, indem es denselben einhüllt, ein flockiges Gewirr und nach dem Durchschneiden in der Mitte zwei Fache, die nun auf Drahtgestelle gelegt werden und unter kupfernen Deckeln zum Filzen gelangen. Die cylinderförmigen seidenen Hüte bestehen aus einem Gestell von Filz, Pappe, Holzspänen etc., welches mit seidenem Felbel überzogen wird. An die Felbelhüte schließen sich die Fabrikate aus Tuch- und andern Woll- oder Baumwollstoffen an. Die mechanischen oder Gibushüte werden aus einem feinen schwarzen, dichten Tibetstoff oder Atlas gefertigt und so mit einem Mechanismus versehen, daß sie sich platt zusammenklappen und durch einen Druck wieder ausspannen lassen, ohne dabei Falten zu bekommen. Nächst den Filz- und Seidenhüten finden die Strohhüte die ausgedehnteste Anwendung. Die echten Panamahüte kommen aus Granada und Ecuador und werden aus den Blätterrippen der dort heimischen palmenähnlichen Carludovica palmata geflochten. Die Blätter werden zu diesem Zweck vor der Entfaltung von Rippen und gröbern Fasern befreit, einen Tag lang der Sonne ausgesetzt und in kochendes Wasser getaucht, bis sie weiß werden. Dann läßt man sie an einem schattigen Orte trocknen, wobei sie noch vollständiger bleichen und zum Spalten und Flechten geeigneter werden. Diese Panamahüte zeichnen sich durch große Elastizität und Haltbarkeit aus, kommen indes jetzt nur noch wenig in den Handel, seitdem man auf dem Schwarzwald aus den importierten Blättern der Carludovica Hüte billiger und von gefälligerer Form als die aus Costarica fertigt. Es finden sich übrigens im Handel auch Panamahüte, sogen. Manilahüte, die mit Seide genäht, aber viel weniger haltbar als die echten Panamahüte sind. Die Maracaibo-, Chile- und die amerikanischen Palmhüte sind ebenfalls wenig haltbar. Weiteres s. Strohflechterei. Strohhüte, welche aus Strohbändern zusammengenäht werden, glättete man früher nur mit einem Bügeleisen; später preßte man den H. mit einem sechsteiligen Kegel mittels Keile in eine Form, jetzt aber wendet man hierzu Wasserdruck von 8-10 Atmosphären an. Man bringt den H. in eine entsprechend gearbeitete Zinnform, legt in denselben einen Kautschukbeutel von entsprechender Größe und bedeckt dann die Form mit einer schweren Platte, durch welche das Wasser in den Beutel tritt. Das Einpressen des Wassers geschieht unter Benutzung eines Akkumulators. Auf diese Weise wird ein H. in 1½ Minute fertig, während bei Handarbeit dazu 20 Minuten und mehr erforderlich waren. Hüte von Fischbein, im Schwarzwald gefertigt, sind von außerordentlicher Dauerhaftigkeit und elegant. Holz- oder Basthüte werden in Böhmen und im Schwarzwald aus Linden-, Pappel- und Weidenholz und Bast gefertigt, welchen man in feine Fäden zerschneidet. Zu den teuersten und feinsten Geflechten gehört das sogen. Paille de riz, wozu in Modena das Material mit besonderer Sorgfalt ausgewählt wird. Eine geringere Sorte Basthüte fertigt man in Paggio bei Mantua und versendet sie ohne Appretur und Pressung, welche ihnen in Paris oder Wien gegeben wird. Hüte aus Stroh, Seide und Pferdehaar werden auf dem Webstuhl besonders im Kanton Aargau, solche aus Pferdehaar und Manilahanf (mit Baumwolle und Seide) in Luzern, Aargau und Zürich auf dem französischen Lacetstuhl angefertigt. Wasserdichte Hüte werden durch Tränken gewöhnlicher Hüte mit Schellack oder Guttapercha erhalten; für Schiffer fertigt man solche Hüte aus geölter Leinwand (Südwester).

Kulturgeschichtliches. Die Sitte, den Kopf zu bedecken, findet sich schon im Altertum. Die Griechen trugen, jedoch nur bei einem längern Aufenthalt im Freien, Hüte oder Kappen, die sich auf drei Formen reduzieren lassen: 1) eine Kappe von Fell oder von Rindsleder, halbkugelförmig, vielleicht unter dem Kinn mit Riemen befestigt; 2) der mehr halbeiförmige oder konische Pilos (lat. pileus, Fig. 1), ein nur mit schmaler Krempe versehener H., z. B. der Schiffer und Hand-^[folgende Seite]