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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Hydrostatik

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Hydrostatik.

allen Richtungen hin auszuweichen; der Druck, welchen ein beliebiges Stück der Gefäßwand auszuhalten hat, wird daher um so größer sein, von einer je größern Anzahl Flüssigkeitsteilchen dasselbe bedrängt wird, d. h. je größer das Flächenstück ist. Dieser Druck wirkt jedoch nicht nur auf die Gefäßwände, sondern herrscht überall im Innern der Flüssigkeit; ein in dieselbe gebrachtes dünnes Blechstückchen z. B. erleidet von beiden Seiten her den gleichen seiner Oberfläche proportionalen und zu ihr senkrechten Druck. Eine nützliche Anwendung von der allseitig gleichen Fortpflanzung des Druckes im Wasser macht man in der hydraulischen Presse (s. d.).

Wir haben bisher nur die Fortpflanzung eines auf die Flüssigkeit ausgeübten äußern Druckes betrachtet, ohne auf die Wirkungen Rücksicht zu nehmen, welche die Schwere der Flüssigkeit selbst hervorbringt. Vor allem ist klar, daß eine in einem oben offenen Gefäß enthaltene Flüssigkeit nur dann im Gleichgewicht sein kann, wenn ihre freie Oberfläche wagerecht ist, d. h. wenn die Richtung der Schwerkraft auf ihr senkrecht steht, da ja bei jeder andern Form der Flüssigkeitsoberfläche ein Herabfließen eines Teils der Flüssigkeit von den höhern nach den tiefern Stellen eintreten müßte, bis endlich der wagerechte Flüssigkeitsspiegel hergestellt wäre. Man kann sich ferner leicht überzeugen, daß auch in zwei (oder mehreren) Gefäßen, welche unten miteinander in Verbindung stehen, die Flüssigkeit sich immer in beiden gleich hoch (in dasselbe Niveau) einstellt, so daß beide Flüssigkeitsspiegel stets in derselben wagerechten Ebene liegen (kommunizierende Gefäße). Betrachten wir z. B. eine Gießkanne (Fig. 1), welche bis MN mit Wasser gefüllt ist, so wird die Oberfläche des Wassers im Ausgußrohr bei N genau in derselben wagerechten Ebene liegen wie der Wasserspiegel in der Kanne. Füllt man nun noch mehr Wasser in die Gießkanne bis zum Niveau PQ, so muß, da das unterhalb MN befindliche Wasser nach wie vor sein Gleichgewicht behauptet, die schiefe Wassersäule NN'Q'Q im Ausgußrohr der in der Kanne über MM' befindlichen Wassersäule MM'P'P das Gleichgewicht halten, d. h. der Druck, welchen jene Wassersäule auf ihre Grundfläche NN' ausübt, und welcher sich durch das darunter befindliche Wasser fortpflanzt, um gegen die Fläche MM' von unten nach oben zu wirken, muß gleich sein dem Druck, welchen das über MM' befindliche Wasser auf ein gleichgroßes Flächenstück nn' von oben nach unten ausübt. Der Druck, welchen das Flächenstückchen nn' auszuhalten hat, ist aber nichts andres als das Gewicht der lotrecht darüberstehenden Wassersäule; demnach ist auch der Druck, welchen die schiefe Wassersäule NQ auf ihre Grundfläche ausübt, gleich dem Gewicht einer lotrechten Wassersäule, welche man über dieser Grundfläche bis zur Ebene des Flüssigkeitsspiegels emporreichend denkt. Der Druck, welchen gleichgroße Flächenstückchen vermöge der Schwere der Flüssigkeit erleiden, hängt also nur von der lotrechten Tiefe des betrachteten Flächenstückchens unter dem Flüssigkeitsspiegel ab und ist dieser Tiefe proportional. In einer Flüssigkeitsmasse herrscht also in jeder wagerechten Ebene pro Flächeneinheit der gleiche Druck, und dieser Druck nimmt nach unten hin in demselben Verhältnis wie die Tiefe zu. Der Druck, welchen eine Flüssigkeit auf den wagerechten Boden eines Gefäßes ausübt, ist daher, ohne Rücksicht auf die Gestalt des Gefäßes, stets gleich dem Gewicht einer lotrechten Flüssigkeitssäule, welche man sich über dem Boden bis zum Flüssigkeitsspiegel errichtet denkt. In einem Gefäß, welches sich nach oben erweitert, ist hiernach der auf den Boden ausgeübte Druck kleiner, in einem nach oben enger werdenden Gefäß (z. B. in einer Flasche) größer als das Gewicht der im Gefäß enthaltenen Flüssigkeit. Diese durch Versuche leicht nachweisbare Thatsache erscheint auf den ersten Blick so seltsam, daß man sie das hydrostatische Paradoxon genannt hat. In der Realschen Presse (s. d.) findet dieses Verhalten praktische Verwertung.

Der durch die Schwere in einer Flüssigkeit hervorgerufene Druck wirkt nicht nur nach unten und seitwärts, sondern auch nach aufwärts, als sogen. Auftrieb. Um diesen nach oben wirkenden Druck nachzuweisen, kann man sich eines weiten, beiderseits offenen Glasrohrs bedienen, dessen unteres eben abgeschliffenes Ende mittels einer ebenen Metallscheibe verschlossen werden kann; dies geschieht, indem man die Scheibe mittels eines in ihrer Mitte befestigten, durch das Rohr hinaufgehenden Fadens gegen dessen untern Rand anpreßt. Taucht man nun das Rohr mit dem so verschlossenen Ende voran in Wasser, so wird die Scheibe, wenn man den vorher angespannten Faden losläßt, doch nicht abfallen, weil sie nun durch den Auftrieb gegen den Rand des Rohrs gedrückt wird. Gießt man jetzt Wasser in das Rohr, so fällt die Scheibe erst ab, wenn das Wasser im Innern nahezu dieselbe Höhe erreicht hat wie außerhalb. Dann ist nämlich der Druck von oben gerade so groß wie von unten, und die Scheibe fällt durch ihr eignes Gewicht.

Wird ein Körper, z. B. ein gerader Cylinder mit wagerechten Endflächen (ABCD, Fig. 2), unter eine Flüssigkeit getaucht, so erleidet jedes Teilchen seiner Oberfläche einen seiner Tiefe unter dem Flüssigkeitsspiegel entsprechenden Druck. Die auf die Seitenflächen wirkenden wagerechten Druckkräfte, welche paarweise einander gleich und entgegengesetzt sind, heben sich gegenseitig auf; dagegen ist der Druck, welcher auf die untere Endfläche nach aufwärts wirkt, größer als der Druck, den die obere Endfläche nach abwärts erleidet; jener ist nämlich gleich dem Gewicht einer Flüssigkeitssäule (ABEF), welche sich von der untern, dieser gleich dem Gewicht einer Säule (CDEF), welche sich von der obern Endfläche bis zum Spiegel erhebt. Es bleibt also ein nach aufwärts gerichteter Druck übrig, welcher dem Überschuß des erstern Gewichts über das letztere oder, was dasselbe ist, dem Gewicht einer Flüssigkeitssäule (ABCD) gleichkommt, welche denselben Raum einnimmt wie der untergetauchte Körper. Dieser nach aufwärts gerichtete Druck wirkt dem Gewicht des Körpers entgegen und läßt denselben daher um so viel leichter erscheinen. Wir sind hiermit zu dem nach seinem Entdecker benannten Archimedischen Prinzip gelangt: Ein in eine Flüssigkeit getauchter Körper verliert durch den Druck der umgebenden Flüssigkeit so viel von seinem Gewicht, als das Gewicht der von ihm verdrängten Flüssigkeitsmenge beträgt. Um diesen Satz, welcher übrigens nicht nur für cylindrische, sondern ganz allgemein

^[Abb.: Fig. 1. Gießkanne. Fig. 2. Auftrieb.]