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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Hymenäos - Hyoscyamus.

enthalten. Acht tropisch amerikanische Arten. H. Courbaril L. (gemeiner westindischer Heuschreckenbaum, Algarroba, Jatai, Animebaum, s. Tafel "Industriepflanzen"), ein 20 m hoher Baum in Brasilien, Guayana, Kolumbien und auf den Antillen, welcher ein weit über 2000 Jahre geschätztes Alter erreicht. Der Stamm besitzt am untern Teil große Flügel und hat hier einen Umfang von mehr als 26 m, weiter oben, wo er cylindrisch wird, immer noch gegen 19 m. Das Holz ist schön braun, hart und dicht, wird in Südamerika als Nutzholz verwertet, auch nach Europa exportiert und unter dem Namen Algarroba in der Luxustischlerei und zu Drechslerwaren benutzt. Aus der dicken, leichten Rinde machen die Eingebornen Kanoes. Diese Art liefert auch den größten Teil des südamerikanischen Kopals, wurde aber von einigen Botanikern für die Stammpflanze des vorzugsweise Anime genannten Harzes gehalten. Andre Arten derselben Gattung liefern gleichfalls kopalartige Harze.

Hymenäos (griech.), s. Hymen.

Hymenium (griech., Fruchtlager), die sporentragende Schicht an den Fruchtträgern der Pilze und Flechten.

Hymenomyceten (griech., Hautpilze), Ordnung der Pilze (s. d.).

Hymenophyllaceen (griech.), Familie der Farne (s. d., S. 54).

Hymenopteren, s. Hautflügler.

Hymettos (jetzt Trelo-Vuni), Berg in Attika, südöstlich von Athen, ein langer, einförmiger Rücken, 1027 m hoch, im Altertum berühmt durch seinen trefflichen, bläulich schimmernden und namentlich bei den Römern beliebten Marmor und (wie jetzt noch) durch seinen Honig.

Hymne (griech. Hymnos), eine Gattung der begeisterten (ekstatischen) Lyrik, welche sich vom Dithyrambos (s. d.) dadurch unterscheidet, daß der verursachende Grund der Begeisterung kein sinnlicher (z. B. Wein-) Rausch, von der Ode (s. d.) aber dadurch, daß der Gegenstand der Begeisterung ein Göttliches (die Gottheit, ein Gott oder vergöttlichter Held) ist. Die Sänger solcher Hymnen hießen bei den Griechen Hymnoden. Als geistliche Gesänge finden sie sich in der Liturgie fast aller ältern und neuern Völker; bei den Indern (Hymnen des Rig-Weda), Hebräern (Psalmen), Griechen (die sogen. Orphischen und Homerischen Hymnen), Römern (das Lied der salischen Priester) und in der christlichen (griechischen und lateinischen) Kirche des Mittelalters, wo der griechische Bischof Hierotheos und der lateinische Hilarius von Poitiers die ersten Hymnen gedichtet haben sollen, denen dann Ambrosius (der "Ambrosianische Lobgesang"), Papst Gelasius, Gregorius I. u. a. nachfolgten. Der kirchliche Gebrauch der Hymnen ward bestätigt durch das vierte Konzil zu Toledo (633). 1029 erfuhren sie durch Papst Urban VIII. eine Umarbeitung. Mehrere derselben führen besondere Namen, wie die Hymni epistolici, welche bei der Messe vor der Epistel, die Hymni evangelici, welche vor dem Evangelium abgesungen werden, der Hymnus angelicus oder das Gloria in excelsis Deo, der Hymnus glorificationis oder das Gloria patri etc., der Hymnus Marianus oder das Magnifikat und der Hymnus trinitatis, das Dreimalheilig. Vgl. Daniel, Thesaurus hymnologicus (Halle 1841-56, 5 Bde.); Mone, Lateinische Hymnen des Mittelalters (Freiburg 1853-54, 3 Bde.); Hobein, Buch der Hymnen (2. Aufl., Halle 1870; neue Sammlung, Gütersl. 1881); Kayser, Beiträge zur Geschichte u. Erklärung der alten Kirchenhymnen (Paderb. 1886, Bde.). Unter den Neuern haben Italiener (Bernardo Tasso, Chiabrera), Franzosen (Ronsard, J. B. Rousseau, A. de Musset), Engländer (Prior, Thomson, Gray, Shelley), Deutsche (Klopstock, Herder, Platen u. a.) Hymnen gedichtet.

Hymnik (griech.), Hymnendichtung, Hymnenpoesie; hymnisch, hymnenhaft, der H. eigen.

Hymnoden (griech.), s. Hymne.

Hymnograph (griech.), Hymnendichter.

Hymnologie (griech.), Lehre von den religiösen und geistlichen Liedern sowie deren Dichtern und Sammlungen (s. Hymne); auch s. v. w. Doxologie (s. d.); Hymnolog, Hymnenkundiger, -Kenner.

Hymnus (griech. Hymnos), s. Hymne.

Hyoscyamin C15H23NO3 ^[C<sub>15</sub>H<sub>23</sub>NO<sub>3</sub>], Alkaloid, findet sich im Bilsenkraut (Hyoscyamus niger), in der Belladonna (Atropa Belladonna), im Stechapfel (Datura Stramonium) und in der australischen Duboisia myoporoides, wird erhalten, indem man die zerstoßenen Samen mit Äther entfettet, dann mit Alkohol und wenig Salzsäure auszieht, das Filtrat verdampft, den Verdampfungsrückstand durch Schütteln mit Petroleumäther entfärbt, mit Ammoniak übersättigt und mit Chloroform ausschüttelt. Letzteres nimmt das H. auf, und wenn man es mit Wasser auswäscht, so hinterläßt es beim Verdampfen reines H. Dies ist farblos, kristallinisch oder amorph, riecht feucht widerlich betäubend, schmeckt scharf und unangenehm, löst sich in Wasser, Alkohol und Äther, schmilzt leicht, ist flüchtig und bildet leicht kristallisierbare Salze. Die Angaben über die Eigenschaften des H. sind noch schwankend und die Beschaffenheit der im Handel befindlichen Präparate ungleich. Es wirkt ähnlich wie Atropin, erweitert aber schon in geringerer Dosis die Pupille schneller und anhaltender; innerlich ist es als beruhigendes, schlafmachendes Mittel, besonders auch in der Psychiatrie, empfohlen worden.

Hyoscyamus Tournef. (Bilsenkraut), Gattung aus der Familie der Solanaceen, narkotische, häufig schmierige, einjährige oder perennierende Kräuter mit grobbuchtig gezahnten bis fiederspaltigen, selten ganzrandigen Blättern, oft einseitswendigen, sitzenden oder gestielten, meist vielblütigen, wickelartige Infloreszenzen bildenden Blüten mit trichterförmiger, unregelmäßig fünflappiger Blumenkrone und zweifächeriger, vom bleibenden Kelch eingeschlossener Kapsel mit zahlreichen kleinen Samen 8 oder 9 Arten in Europa, Mittelasien und Nordafrika. H. niger L. (schwarzes Bilsenkraut, Hühnertod, Saubohne, Zigeunerkorn, Rindswurz, s. Tafel "Giftpflanzen II"), bis 60 cm hoch, ein- und zweijährig, mit schmierig-zottigem Stengel u. Blättern und schmutzig gelben, violett netzaderigen, im Schlunde dunkelvioletten Blüten, findet sich durch fast ganz Europa, in Sibirien, auf dem Kaukasus, in Nordindien, Nordamerika und Brasilien, auf Schutthaufen, an Wegen, Hecken etc. Blätter und Samen sind offizinell. Die Blätter riechen widerlich betäubend, schmecken fade, bitterlich und enthalten, wie die ölig, widrig, bitter und scharf schmeckenden Samen, als wesentlichen Bestandteil Hyoscyamin. Das Bilsenkraut ist narkotisch-giftig und hat in seiner Wirkung manche Ähnlichkeit mit Belladonna und Stechapfel, wird auch gegen dieselben Krankheiten wie Belladonna benutzt. Zu äußerlichem Gebrauch dient mit Bilsenkrautblättern gekochtes Baumöl, welches aber wohl nur als fettes Öl wirkt. H.-Arten wurden schon im Altertum als Heilmittel benutzt; Dioskorides erwähnt den südeuropäischen H. albus L., welcher auch im Mittelalter