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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Improvisieren - Inagua.

hören hierher. In Frankreich gab seit 1825 Eugène de Pradel improvisatorische Abendunterhaltungen und erntete vielen Beifall; ebenso in Holland de Clerq, der meist didaktische Gedichte vortrug, jedoch nie öffentlich auftrat. In Deutschland ist die Kunst der I. älter, als man gewöhnlich annimmt; schon die Minnesänger und Troubadoure, zum Teil selbst die Meistersänger, waren in der Kunst der I. wohl geübt. Aus neuerer Zeit sind die Dichter Burmann, ein Zeitgenosse der Karschin, und Daniel Schubart, ebenso Hoffmann von Fallersleben als Meister der poetischen Stegreifsdichtung hervorzuheben, wenn sie auch nicht als öffentliche Improvisatoren auftraten. Nicht unerwähnt dürfen wir auch unsre Alpenbevölkerung lassen, soweit sie mit dem Gesang ihrer Vierzeiler (Schnaderhüpfel etc.) die freie Dichtung aus dem Stegreif verbindet, sei es zu Liebes-, sei es zu Lust- und Streitgesängen. In dieser I. war Franz v. Kobell ein Meister. Nach dem Muster der Spanier und Italiener war der erste deutsche Improvisator O. L. B. Wolff (s. d.), der dann in M. Langenschwarz (geb. 1806) einen glücklichen Nachahmer fand. Letzterer versuchte sogar eine wissenschaftliche Theorie der I. in dem Buch "Die Arithmetik der Sprache, oder der Redner durch sich selbst" (Leipz. 1834) zu geben. Außer diesen beiden traten in Deutschland auf: K. Richter, Karoline Leonhardt-Lyser, Ed. Beermann, Eduard Volkert, dessen schönes Talent von Armut und Sorge erdrückt wurde (gest. 1865 in Schwabach), und als der jüngste bedeutende Improvisator Wilhelm Herrmann aus Braunschweig, der, wie Wolff, im lyrischen, epischen und dramatischen Fach, im Tragischen wie im Komischen Vortreffliches leistet. Von den übrigen Ländern der gebildeten Welt sind keine Improvisatoren bekannt geworden.

Improvisieren (franz.), aus dem Stegreif dichten, reden oder singen; s. Improvisation.

Impudént (lat.), unverschämt, schamlos; Impudenz, Impudizität, Unverschämtheit, Schamlosigkeit, Unzucht.

Impugnationsschrift (Anfechtungsschrlft), im frühern Zivilprozeß die Eingabe, in welcher der Beweisgegner seine Kritik der Beweisführung der Gegenpartei vortrug.

Impuls (lat.), Anstoß, Antrieb, Anregung zu etwas; Impulsion, Anstoßung, Antreibung; impulsiv, antreibend, anregend.

Impune (lat.), straflos; Impunität, Straflosigkeit.

Impurismus (lat.), Sprachunreinheit, Sprachmengerei, Gegensatz von Purismus (s. d.).

Imputieren (lat.), jemand etwas anrechnen, schuldgeben; imputabel, zurechnungsfähig, verantwortlich; mit Verantwortlichkeit verknüpft, moralisch schwerwiegend; Imputabilität, Zurechenbarkeit, Verantwortlichkeit; Imputation, Beschuldigung, Zurechnung (s. d.); imputativ, beschuldigend, eine Beschuldigung enthaltend.

Imrachor (arab.), "Stallmeister", Titel eines ehedem einflußreichen türkischen Hofbeamten.

Imst, Marktflecken in Nordtirol, an der Mündung des Gurglthals in das obere Innthal und an der Arlbergbahn, 720 m ü. M., hat eine schöne Pfarrkirche und die sogen. Grabkapelle mit alter Freskomalerei, eine ehemalige Burg (Stein am Rosen), jetzt Amtshaus, mehrere Klöster, eine Handwerkerschule, (1880) 2413 Einw., welche sich mit der Fabrikation von Papier und Holzstoff, mit Spinnerei und Weberei in Wolle und Baumwolle, Bierbrauerei und Gerberei beschäftigen, und ist Sitz einer Bezirkshauptmannschaft und eines Bezirksgerichts. 2 km von I. liegt Brennbüchl (s. d.) mit der Königskapelle. I. war früher der Hauptsitz der Kanarienvögelzucht; es ist Ausgangspunkt für Touren ins Pitzthal und ins obere Lechthal und hat Postverbindung über den Fernpaß nach Reutte und Füssen (Bayern). - Schon 764 einer Stadt gleich (Oppidum Humiste), erhielt I. dennoch erst 1282 von Meinhard II. Stadtrecht. Am 7. Mai 1822 brannte es fast gänzlich ab. In der Nähe zeichnen sich als lohnende Aussichtspunkte aus: der Kalvarienberg, der pyramidale Tschürgant (2299 m), der Muttekopf (2766 m), der Venetberg (2509 m).

Imtiazorden, s. Nischan-i-Imtiaz.

Imvros (bei den Alten Imbros), türk. Insel im Ägeischen Meer, nordwestlich von der Dardanelleneinfahrt, zum Wilajet der Inseln des Weißen Meers gehörig, 255 qkm (4,6 QM.) groß, mit fruchtbaren Thälern, Kohlenlagern und zwei bewaldeten Bergstöcken, deren nördlicher (Hagios Ilias) bis 597 m ansteigt, zählt an 6000 griech. Einwohner, welche viel Fischerei treiben. An der Nordküste lag die alte Stadt I., deren Stelle der jetzige Hauptort, Kastro (Sitz eines griechischen Metropoliten), einnimmt.

In, lat. Präposition, dem deutschen in gleichbedeutend, in Zusammensetzung mit Verben die Richtung wohin oder die Einbegreifung anzeigend; in Zusammensetzung mit Substantiven, Adjektiven und Adverbien ist in Partikel und hat eine verneinende Bedeutung (gleich dem deutschen un); vor Labialen und vor m lautet es: im, vor s: ir.

In, in der Chemie Zeichen für Indium.

Inabstinenz (lat.), Unenthaltsamkeit.

In abstracto (lat., "im abgezogenen [Sinn]"), s. v. w. an sich, im allgemeinen, ohne jede Beziehung zu einem andern Begriff gedacht; Gegensatz: in concreto (s. d.). Vgl. Abstrakt und Konkret.

Inacceptabel (lat.), unannehmbar.

Inachos, der älteste König von Argos, eigentlich der Gott des gleichnamigen Flusses, Sohn des Okeanos und der Tethys, Vater des Phoroneus und Ägialeus. Er galt für einen Ureinwohner des Landes und soll die Argiver nach der Deukalionischen Flut von den Bergen in die Ebene geführt und diese wohnlich gemacht haben, indem er die Gewässer derselben in den nach ihm benannten Fluß zusammenleitete. Nach ihm heißt Argos daher öfters das "Land des I." In dem Streit zwischen Poseidon und Hera über den Besitz von Argos entschied er zu gunsten der letztern und brachte ihr Opfer dar, worauf ihm der erzürnte Poseidon das Wasser nahm, so daß er außer der Regenzeit ein trocknes Bett hat.

Inadäquat (lat.), unangemessen, unpassend.

Inädifikation (lat., "das Hineinbauen"), das Errichten eines Gebäudes auf einem Grundstück, wodurch das erstere Accession (s. d.) des letztern wird, so daß das Eigentumsrecht an dem Gebäude dem Eigentümer des Grundstücks zukommt (Superficies solo cedit), unbeschadet der etwanigen Entschädigungsansprüche desjenigen, welcher den Bau auf fremdem Grund und Boden aufführte.

Inagua (Henagua), eine der Bahamainseln (s. d.), flach und von Lagunen durchzogen, mit wenigen, bis zu 40 m ansteigenden Hügeln; meist Weideland mit nur wenig Wald und Gebüsch. I. ist 1723 qkm (31,3 QM.) groß, hat etwa 1500 Einw. und ist Sitz eines deutschen Konsulats. An der Westküste liegt das Städtchen Mathewtown, in dessen Nähe ergiebige Salinen; dabei Klein-I., 94 qkm (1,7 QM.) groß.