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Industrieaktien - Industrielle Arbeiterfrage.
lich gerechtfertigt, wenn der Staat die Produkte auf diese Weise billiger oder besser dem Bedarf entsprechend erhalten oder wenn er nur so auf die sichere Befriedigung seines Bedarfs rechnen kann. Vgl. Haushofer, Der Industriebetrieb (Stuttg. 1874); Bourcart, Die Grundsätze der Industrieverwaltung (Zür. 1874); Grothe, Bilder und Studien zur Geschichte der I. (Berl. 1870); "Buch der Erfindungen" (8. Aufl., Leipz. 1883 ff., 8 Bde.); v. Scherzer, Weltindustrien (Stuttg. 1880).
Industrieaktien sind die Aktien, welche als Entgelt für die einer Aktiengesellschaft von deren Gründern überlassenen Sachen oder geleistete Dienste gewährt werden. Man versteht darunter auch Aktien von industriellen Unternehmungen, allgemein Industriepapiere.
Industrieausstellungen, s. Ausstellungen.
Industriebahn, s. Nebenbahnen.
Industriebörsen, Börsen für den Absatz von Industrie-Erzeugnissen.
Industriehalle, s. v. w. Bazar (s. d.).
Industrielle Arbeiterfrage. Die i. A. ist die soziale Frage für die im gewerblichen Großbetrieb (Fabriken, Salinen, Berg- und Hüttenwerke, größere Hausindustrielle und Handwerksunternehmungen) beschäftigten Lohnarbeiter, somit ein Teil der oft schlechthin als "soziale Frage" bezeichneten Arbeiterfrage (s. d.). Die besondere Behandlung derselben an dieser Stelle wird sich nur auf eine Charakterisierung der verschiedenen reformbedürftigen Mißstände wirtschaftlicher und moralischer Natur und der zu ihrer Beseitigung geeigneten Maßregeln erstrecken.
Materielle, wirtschaftliche Übelstände.
Dieselben können zunächst darin bestehen, daß das Einkommen dieser Klassen, welches fast ausschließlich Arbeitseinkommen (vgl. Arbeitslohn) ist, nicht genügend sichergestellt ist (Verschiebungen in der Produktion, Änderungen in Technik und Verkehr, Erfindungen, Krisen, welche Arbeiter entbehrlich machen; Gefahr der Erkrankung für Arbeiter, infolge deren der Verdienst auf einige Zeit in Wegfall kommt, etc.), daß dasselbe nicht zureicht, um den der errungenen Kulturstufe entsprechenden notwendigen Lebensbedarf zu decken, und daß es keine Aussicht auf Steigerung bietet. Das thatsächliche Einkommen der Lohnarbeiter ist außerordentlich verschieden. Unzweifelhaft reicht bei vielen Arbeiterklassen der Lohn hin, um bei sparsamer und wirtschaftlicher Lebensweise ein wirkliches Kulturleben und oft auch noch die Ansammlung von Ersparnissen zu ermöglichen. Es ist vielfach höher als das von kleinen Handwerkern und Beamten. Doch gibt es in fast allen Industriezweigen auch Arbeiter, deren Lohn bei einer mittelstarken Familie nur gerade die Befriedigung der dringendsten Bedürfnisse in dürftigster Weise, bei starker Familie aber nicht einmal diese gestattet; es ist dies die Klasse der sogen. mechanischen, der ungelernten Lohnarbeiter, des eigentlichen Proletariats. Nur für sie gilt das sogen. eherne Lohngesetz, welches von den meisten Sozialisten fälschlich als für alle Lohnarbeiter bestehend behauptet wird (vgl. Arbeitslohn). Doch liegt die Ursache der Unzulänglichkeit des Lohns nicht darin, daß letzterer durch freien Vertrag bestimmt wird, sondern sie liegt einerseits in der geringen Arbeitsfähigkeit dieser Personen, anderseits darin, daß in der Regel infolge übermäßiger Volksvermehrung ein Mehrangebot von Arbeitskräften vorhanden ist und nun diese Arbeiter durch ihre eigne Konkurrenz den Lohn herabdrücken. In andern Klassen wird das geringe Einkommen nur bei besonders kinderreichen Familien zum Übelstand. In beiden Fällen sind die Bedrängten an den ungünstigen Einkommensverhältnissen nicht schuldlos.
Einzelne Arbeiter können sich wohl zu Unternehmern emporschwingen (Krupp, Borsig etc.), auch kann ein kleiner Teil zu den bessern und einträglichern Stellungen eines Vorarbeiters, Aufsehers, Meisters in den Fabriken gelangen. Doch hat der bei weitem größere Teil der industriellen Arbeiter schon frühzeitig die höchste Stufe des Einkommens erreicht und keine Aussicht, ein höheres zu erlangen. Nun kann aber bei eintretender Arbeitsunfähigkeit (Krankheit, Alter, Tod) das Einkommen ganz in Wegfall kommen, wenn nicht die Arbeiter, bez. ihre Familien dagegen durch Unterstützungskassen, Versicherungsanstalten oder sonst (Invalidenversorgung) geschützt sind. Endlich ist hervorzuheben, daß isolierte, d. h. nicht in Gewerkvereinen organisierte, Lohnarbeiter in der Regel von den vorübergehenden günstigen Konjunkturen aus dem Produktenmarkt ihres Industriezweigs keinen Vorteil haben, unter den ungünstigen aber mit leiden. Vgl. über thatsächliche Löhne unter andern: Ducpétiaux, Budgets économiques des classes ouvrières en Belgique (Par. 1855); K. Marx, Das Kapital (3. Aufl., Hamb. 1883); Engels, Die Lage der arbeitenden Klassen in England (Leipz. 1848); Le Play, Les ouvriers européens (2. Aufl., Par. 1877-79, 6 Bde.); Böhmert, Arbeiterverhältnisse und Fabrikeinrichtungen der Schweiz (Zürich 1873, 2 Bde.); Fries, Die wirtschaftliche Lage der Fabrikarbeiter in Schlesien (1876); Jacobi, Über die Arbeitslöhne in Niederschlesien ("Zeitschrift des Preußischen Statistischen Bureaus" 1868).
Weitere Übelstände können darin bestehen, daß auf Kosten von Gesundheit und Sittlichkeit die Arbeitszeit zu lange bemessen ist und keine genügenden Ruhetage (Sonntage) gewährt werden. Zwar ist je nach der Art der Arbeit und der Anstrengung die berechtigte Grenze der Arbeitszeit verschieden für die verschiedenen Arbeiterklassen, doch dürfte im allgemeinen bei eigentlicher Fabrik- und Bergwerksarbeit die Forderung einer zehnstündigen wirklichen Arbeit, also eines nur zwölfstündigen Arbeitstags (zwei Stunden Ruhepausen), nicht unbillig sein. Sonntagsarbeit sollte nur da stattfinden, wo die Technik einen ununterbrochenen Betrieb erheischt, und hier auch nur in der Weise, daß ein regelmäßiger Schichtwechsel vor sich geht und die Arbeiter nur einen Sonntag um den andern arbeiten. Gesetzgebung (über Kinder- und Frauenarbeit), Agitation der Arbeiter (Gewerkvereine) und humanitäre Bestrebungen haben zwar schon manche Besserung erzielt, doch ist die Arbeit noch nicht überall in wünschenswerter Weise geregelt. In Deutschland ist die Regel eine zehn- bis elfstündige wirkliche Arbeitszeit, in der Textilindustrie steigt sie nicht selten bis 12 und 13 Stunden, und regelmäßige Sonntagsarbeit besteht auch noch vielfach da, wo die Technik sie nicht gebieten würde. Auch Nachtarbeit sollte nur da stattfinden, wo sie aus technischen Gründen unentbehrlich ist, und dann mit regelmäßigem Schichtwechsel, so daß die Nachtarbeiter einer Woche die Tagarbeiter in der nächsten sind. Die Art der Beschäftigung kann Sittlichkeit, Gesundheit und Leben gefährden, indem die Arbeit allzu eintönig und einförmig ist, in ungesunden Räumen unter Einatmung schädlicher Stoffe, ohne genügende Sicherung gegen gefährliche Maschinen etc. stattfindet (s. Gewerbekrankheiten) oder auch männliche und weibliche Arbeiter, Erwachsene und Kinder zusammen arbeiten.
Viel Material zur Würdigung dieser Übelstände