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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Jeannette; Jean Paul; Jean Potage; Jebna

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Jeannette - Jebna.

auf dem Weg öffneten alle Festungen, besonders Troyes, ihre Thore, und 16. Juli zogen Karl VII. und seine Retterin in Reims ein, wo der König am nächsten Tag durch den Erzbischof feierlich gesalbt und gekrönt wurde. J. wohnte, mit ihrem Banner in der Hand, der Feier bei. Ihr Vater, Oheim und ältester Bruder waren gleichfalls herbeigeeilt. Als einzige Belohnung erbat sie sich die Befreiung der Bewohner Domremys von allen Steuern. Außerdem wurden sie und ihre Familie in den Adelstand erhoben. Das war der Höhepunkt ihres Lebens und Wirkens. Ihr weiteres Ziel war nun, Frankreich gänzlich zu befreien. Aber sie war fortan auf die Hilfe und den Beirat der Heerführer angewiesen, die, und vor allen der König, sich neidisch auf ihren Ruhm und unfähig zeigten. Nach der Krönung zogen Karl und J. nach dem Norden, wo Compiègne und Beauvais sich ohne Kampf ergaben. Aber Paris, das entschieden auf seiten der Engländer stand, griff man vergebens an; die Jungfrau, von den mißgünstigen Kriegsführern nicht genügend unterstützt, wurde 8. Sept. am Schenkel schwer verwundet und mußte den Sturm aufgeben. Dieser erste Mißerfolg, der sie mit den trübsten Ahnungen erfüllte, wurde für ihr Ansehen verhängnisvoll. Man zog sich gegen ihren Willen zurück bis hinter die Loire, und für den Winter wurde das Heer aufgelöst. Die Engländer rüsteten frühzeitig 1430, um die durch die Jungfrau erlittenen Verluste wieder einzubringen, während Karl VII. abermals in seine gewöhnliche Trägheit und Ausschweifung versunken war. J. verließ den unwürdigen Schwelger und schützte mit einer kleinen Schar die Städte des südlichen Teils der Ile de France vor den englischen Angriffen. Da hörte sie, daß Burgunder und Engländer Compiègne bedrängten. Mit geringer Begleitung warf sie sich in die Feste, wagte einen Ausfall, wurde aber gefangen genommen (23. Mai 1430). Vier Monate brachte J. in vergleichsweise milder Gefangenschaft in dem Schloß Beaurevoir des Herrn v. Ligny zu, dem sie zuerst in die Hände gefallen war. Von seiten des französischen Königs wurde kein Versuch gemacht, sie, sei es durch Lösegeld, sei es durch Gewalt, zu befreien! Um so thätiger waren ihre Feinde. Die große Masse der Engländer hielt sie für eine Hexe; die englischen Großen waren zwar von solch abergläubischer Ansicht frei, wollten sie aber den schmählichen Tod des verurteilten Verbrechers sterben lassen, um so alle Welt von der Nichtigkeit ihres vorgeblichen himmlischen Auftrags zu überzeugen. Die Engländer zwangen also den Herrn von Ligny, J. für 10,000 Livres ihnen auszuliefern. Vergebens suchte J. sich ihrem traurigen Schicksal durch einen Sprung von den Felsenmauern ihres Kerkers zu entziehen; blutig, bewußtlos fand man sie unten liegen, aber ohne ernstlichere Beschädigung. Auf vielen Umwegen nach Rouen gebracht (Dezember 1430), ward sie hier der Zauberei und Ketzerei angeklagt und mit der Leitung des Prozesses der Bischof von Beauvais, Peter Cauchon, beauftragt, ein gewissenloser, ehrgeiziger Mann, welcher durch die Engländer Erzbischof von Rouen zu werden hoffte. Mitte Februar 1431 begann der offizielle Prozeß. Die Anklageschrift stellte die abscheulichsten Verleumdungen wider sie auf; man beschuldigte sie der gröbsten Ausschweifungen: frech maße sie sich an, was strengstens in der Heiligen Schrift untersagt sei, die Kleidung des andern Geschlechts zu tragen; eine Schülerin und Anbeterin des Teufels und aller bösen Geister, lasse sie sich doch als eine Heilige Gottes verehren. J. antwortete mit bewunderungswürdiger Geistesgegenwart und klarem Verstand; indessen die Engländer und Cauchon hatten ihr Verderben beschlossen. Nach unsäglichen körperlichen und Gemütsleiden mußte sie 24. Mai 1431 ihr Urteil hören: lebendig verbrannt zu werden, wenn sie ihre Sünden nicht abschwöre. Die schreckliche Aussicht aus den Scheiterhaufen, der Anblick des Henkers, der auf sie wartete, erschütterten endlich diese heldenmütige Seele; sie unterzeichnete mit einem Kreuz eine kurze allgemeine Abschwörungsformel. Nun wurde sie begnadigt, d. h. zu ewigem Gefängnis bei Brot und Wasser. Man befahl ihr, der Abschwörung gemäß Frauenkleider anzulegen und zu behalten. Sie versprach es. Aber um sich vor den rohen Zudringlichkeiten ihrer Wächter zu retten, griff sie wieder zu der Männertracht. Sie wollte überhaupt die entsetzlichen Qualen des Gefängnisses nicht mehr ertragen und nahm in Gegenwart der Richter ihre Abschwörung, als von der Furcht erpreßt, zurück. Dahin hatte man sie bringen wollen: sie war nun eine rückfällige Ketzerin, die nichts mehr retten konnte. Am 30. Mai 1431 wurde sie auf dem Markt in Rouen zum Scheiterhaufen geführt, den sie mit Mut und festem Gottvertrauen bestieg. Sie war erst 19 Jahre alt. Erst 1450 ließ Karl VII. ihren Prozeß einer Revision unterziehen, die nach sechsjährigen genauen Untersuchungen und Verhören mit der Erklärung ihrer Unschuld endigte; ihr Andenken wurde durch feierliche Prozession und Errichtung eines Denkmals auf der Stätte ihrer Hinrichtung geehrt. In diesem Jahrhundert wurden ihr in Domremy und Orléans mehrfache Standbilder errichtet. Ihre Heiligsprechung, in neuester Zeit hauptsächlich von dem Bischof Dupanloup (s. d.) von Orléans betrieben, wurde in Rom abgelehnt. Ihr Leben und ihre Thaten haben mehreren Dichtern, namentlich Chapelain, Southey, Lebrun, de Charmettes, Dumenil, Soumet u. a., Stoff zu poetischer Bearbeitung geliefert; die berüchtigtste ist Voltaires freches Machwerk "La pucelle d'Orléans", die edelste Schillers Trauerspiel "Die Jungfrau von Orléans". Die sehr weitläufige ältere Litteratur über J. ist nicht mehr zu gebrauchen seit Jules Quicherats "Procès de condamnation et réhabilitation de J. d'A." (Par. 1841-49, 5 Bde.; vollständige Quellen- und Aktensammlung). Von neuern Bearbeitungen vgl. Desjardins, Vie de J.d'A. (3. Aufl., Par. 1885); Wallon, J. d'A. (5. Aufl., das. 1879, 2 Bde.); Hase, Die Jungfrau von Orléans (2. Aufl., Leipz. 1861); Eysell, Johanna d'Arc (Regensb. 1864); Vallet de Viriville, Procès de condamnation de J. d'A. (Par. 1867); O'Reilly, Les deux procès de J. d'A. (das. 1868); Michelet, J.d'A. (5. Aufl., das. 1879); Baumgarten, Geschichte der Jungfrau von Orléans (Koburg 1879); Boucher de Molandon, Premlère expédition de J. d'A. (Orléans 1874); Bouteiller und Braux, La famille de J. d'A. (Par. 1878); St. Luce, J. d'A. à Domremy (das. 1886); Semmig, Die Jungfrau von Orléans und ihre Zeitgenossen (Leipz. 1885); Kummer, Die Jungfrau von Orléans in der Dichtung (Wien 1874).

Jeannette (franz., spr. schanett), Hannchen; Jeannettenkreuz (croix à la J., auch bloß J.), ein an einem Samtband um den Hals getragenes kleines Kreuz mit einem Herzen darüber.

Jean Paul, ursprünglich Schriftstellername für Jean Paul Friedrich Richter (s. d.).

Jean Potage (franz., spr. schang potahsch, "Hans Suppe"), Spitzname der Franzosen mit Bezug auf ihre Vorliebe für Suppen und Saucen.

Jebna, Stadt, s. Jamnia.