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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Johanna

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Johanna.

Heiratsgut, die Champagne, überfiel, zog sie selbst mit einem Heer ihm entgegen, schlug ihn bei Comines und nahm ihn gefangen. Sie starb Anfang April 1305 in Vincennes. Von ihren sieben Kindern wurden die drei ältesten Söhne, Ludwig X., Philipp V. und Karl IV., nacheinander Könige von Frankreich. 2) J. I., Königin von Neapel, aus dem ältern Haus Anjou, älteste Tochter des Herzogs Karl von Kalabrien, Sohns des Königs Robert von Neapel, und der Marie von Valois, ward 1326 geboren und nach dem Tod ihres Vaters (1328) am zügellosen Hof ihres Großvaters Robert erzogen, der sie frühzeitig an den damals siebenjährigen ungarischen Prinzen Andreas, der Ansprüche auf den Thron von Neapel hatte; vermählte (1332). Nach dem Tod Roberts (1343) bestieg J. den Thron und ließ, als Andreas, auf die ungarische Partei und den Papst gestützt, sich ebenfalls krönen lassen wollte, diesen 21. Aug. 1345 im Kloster Aversa ermorden. Als sich aber die Großen zu Neapel, an ihrer Spitze Karl von Durazzo, erhoben, ließ J., um sich und ihren Geliebten Ludwig von Tarent, den sie mitten unter den Unruhen 1346 zu ihrem Gemahl erhob, zu retten, die Mitschuldigen am Mord grausam hinrichten. Gleichwohl rückte Andreas' Bruder Ludwig von Ungarn 1348 mit einem Heer an und nahm die Hauptstadt sowie das ganze Reich in Besitz. J. floh in die Provence. Erst nach dem Abzug des Ungarnkönigs im August 1348 kehrte sie nach Neapel zurück, nachdem sie dem Papst Avignon für nur 80,000 Gulden überlassen und ihn dadurch zu ihrer Lossprechung von aller Schuld am Mord ihres Gemahls vermocht hatte; 1350 willigte auch Ludwig in einen Friedensvertrag, kraft dessen J. im Besitz Neapels blieb. 1352 wurden J. und ihr Gemahl von dem päpstlichen Legaten feierlich gekrönt. Das Land war indessen erschöpft, die innern Fehden dauerten fort, Söldnerbanden verwüsteten das Land, die Königin und ihr Gemahl waren ohne Ansehen. Da starb Ludwig von Tarent (1362), und J. heiratete Jakob von Mallorca, der aber die meiste Zeit in Spanien zubrachte und 1375 starb. Da Johannas eigne Kinder inzwischen gestorben waren, bestimmte sie ihre Nichte Margarete, Tochter des Prinzen Karl von Durazzo, zur Nachfolgerin und vermählte sie 1368 mit Karl dem Kleinen von Durazzo, dem Sohn von Margaretes Oheim Ludwig von Gravina. Karl der Kleine stand jedoch im Einverständnis mit Ludwig von Ungarn, der von neuem Ansprüche auf Neapel erhob. Um gegen ihn eine Stütze zu erhalten, vermählte sich J. 1376 mit dem Obersten ihrer Söldner, Otto von Braunschweig, und verlieh ihm das erledigte Fürstentum Tarent. Als aber Papst Urban VI., den sie durch Anerkennung des Gegenpapstes Clemens VII. gereizt hatte, sie in den Bann that und absetzte und Ludwig von Ungarn und Karl von Durazzo zum Kriege gegen sie ausrief, setzte J. 1380 den Herzog Ludwig von Anjou, Sohn des Königs Johann des Guten von Frankreich, zum Erben ein und bat ihn um schleunige Hilfe. Ehe dieser jedoch erscheinen konnte, hatte Karl von Durazzo 16. Juli 1381 die Hauptstadt erobert und die Königin mit ihrem Gemahl gefangen genommen. Bewegungen unter den neapolitanischen Großen zu gunsten Ludwigs von Anjou, der mit einem Heer aus Oberitalien aufgebrochen war, bestimmten Karl, J. 22. Mai 1382 auf dem Schloß Muro in Basilicata erdrosseln zu lassen. So endete diese zwar von Sinnlichkeit und heftigen Leidenschaften durchglühte, aber schöne, geistvolle und hochgebildete Fürstin, eine Schülerin Petrarcas und hochgefeiert von Gelehrten und Dichtern, nachdem sie in der letzten Zeit mit Klugheit und Energie regiert hatte.

3) J. II., Königin von Neapel, Tochter Karls des Kleinen von Durazzo, geb. 1371, verlebte wegen der fortdauernden Parteikämpfe der Häuser Anjou und Durazzo eine unruhvolle Jugend, vermählte sich 1389 mit dem Erzherzog Wilhelm von Österreich, kehrte aber nach dessen Tod 1406 an den Hof ihres Bruders Wladislaw, der 1400 den Thron bestiegen, nach Neapel zurück und ergab sich hier, dem Beispiel ihres Bruders folgend, allen Ausschweifungen. Als Wladislaw 1414 mit Tod abgegangen war, ward sie 6. Aug. als J. II. zur Königin ausgerufen. Auch als solche setzte sie ihr zügelloses Leben fort, bis sie sich 1415 mit Jakob von Bourbon, Grafen de la Marche, vermählte. Dieser ließ den allmächtigen Günstling Johannas, Pandolf Alopo, enthaupten und riß alle Gewalt an sich, machte sich jedoch bei den neapolitanischen Großen bald verhaßt, mußte schon 1417 der königlichen Gewalt wieder entsagen und sich mit dem Fürstentum Tarent begnügen und starb 1438 als Franziskaner. Der Condottiere Sforza, als Großconnetable, und Giovanni de Caraccioli waren jetzt die entschiedenen Günstlinge der Königin. Allein die gegenseitige Eifersucht beider rief bald neue Wirren hervor. Sforza trat in die Dienste Ludwigs III. von Anjou, der Ansprüche auf Neapel machte und einen Einfall in das Königreich unternahm, während J. den König Alfons V. von Aragonien adoptierte und um Hilfe anrief. Er erschien und hielt 7. Juli 1421 seinen Einzug in Neapel. Das anmaßende Betragen des Aragoniers, der den übermütigen Caraccioli gefangen nehmen ließ, erregte indes bald das Mißtrauen der Königin, und sie zog sich in das Kastell von Capua zurück, wo er sie sofort belagerte. Durch Sforza befreit, erklärte sie hierauf Alfons aller Erbansprüche auf Neapel verlustig und nahm 1423 Ludwig III. von Anjou an Sohnes Statt an, durch dessen Waffen die Hauptstadt wieder in ihre Hände kam. Doch behauptete sich Alfons in einem Teil des Reichs, und der Bürgerkrieg dauerte fort. Nach Ludwigs Tod 1434 übertrug J. dessen Ansprüche auf seinen Bruder René von Anjou. Sie starb 2. Febr. 1435.

4) Die Päpstin J. wurde, wie die Sage berichtet, als die Tochter eines englischen Missionärs zu Mainz (nach andern zu Ingelheim) geboren. Sie erwarb sich durch ihre Neigung zu den Wissenschaften sowie durch ihre Schönheit bald den Ruf eines Wunders der Zeit, entfloh mit einem Mönch aus dem Kloster Fulda in männlicher Kleidung nach England und bereiste später Frankreich, Italien und Griechenland, wo sie in Athen sich griechische Bildung aneignete, bis ihr Geliebter starb. J. ging nun nach Rom, unter dem Namen Johann Anglicus die männliche Rolle fortspielend, legte daselbst eine Schule an und wurde nach dem Tod Leos IV. (855) wegen ihrer Gelehrsamkeit, Frömmigkeit und Sittsamkeit einstimmig vom Klerus und von dem Volk als Johann VIII. auf den päpstlichen Stuhl erhoben. Nachdem sie fast zwei Jahre zur allgemeinen Zufriedenheit regiert hatte, kam sie während eines öffentlichen Aufzugs auf der Straße zwischen dem Amphitheater und der Klemenskirche nieder, gab jedoch vor Scham auf der Stelle samt ihrem Kinde den Geist auf. Auf dem Platz ihrer Niederkunft wurde eine Kapelle nebst Denksäule errichtet; doch vermieden seitdem die Päpste bei der Krönung und bei Prozessionen die Stelle beim Kolosseum, wo dieser Vorfall stattgehabt hatte. Um indessen für die Zukunft einem ähnlichen Skandal vorzubeugen, mußte sich fortan jeder Papst vor