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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kaffeebaum

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Kaffeebaum (Bereitung des Kaffees, Diätetisches).

erforscht. Es entstehen dabei die gewöhnlichen empyreumatischen Stoffe und neben denselben eigentümliche Produkte (besonders Kaffeol, welches sehr starkes Kaffeearoma besitzt), während das Kaffein zwar unverändert bleibt, aber sich zum Teil verflüchtigt. Äther entzieht dem gerösteten Kaffee etwa 9 Proz., und der Rückstand gibt dann mit Wasser eine dunkelbraune, bittere Flüssigkeit ohne den Wohlgeschmack des Kaffees. Der ätherische Auszug enthält ein Fett, welchem das Aroma des Kaffees anhaftet. Letzteres verflüchtigt sich vollständig beim Kochen mit Wasser und scheint aus einem Öl zu bestehen, welches den allen Kaffeesorten gemeinsamen Geruch besitzt, und in geringerer Menge aus einem zweiten Öl, welches sich in den feinern Sorten etwas reichlicher findet. Kochendes Wasser entzieht dem gerösteten Kaffee um so mehr lösliche Bestandteile (12-37 Proz.), je stärker er geröstet war. Weiches Wasser (namentlich wenn man etwas Soda darin löst) nimmt mehr auf als hartes Wasser. Beim einmaligen Ausziehen von Kaffeemehl gibt dies etwa 10-12 Proz. lösliche Stoffe an das Wasser ab. Der erste Auszug besitzt hauptsächlich den Wohlgeschmack des Kaffees; spätere Auszüge schmecken bitter, adstringierend, unangenehm. Gebrannter Kaffee verändert sich sehr schnell, weil der aromatische Bestandteil leicht zersetzbar ist. Um ihn besser zu erhalten, hat man vorgeschlagen, den frisch gebrannten, noch heißen Kaffee in fein gepulvertem Zucker zu wälzen, damit die Bohnen sich mit einer schützenden Kruste überziehen; auch hat man frisch gebrannten Kaffee gepulvert, mit etwas Zucker gemischt und in Täfelchen zusammengepreßt, welche sich in Blechbüchsen gut aufbewahren lassen. Zum Zerkleinern des Kaffees dient bei uns die allgemein bekannte Kaffeemühle, welche ein möglichst feines Pulver liefern soll; im Orient aber zerstößt man den für jede Portion besonders gebrannten Kaffee im Mörser, übergießt das Pulver in der Tasse mit kochendem Wasser und trinkt die Mischung ohne weitern Zusatz. Bei uns trennt man dagegen das Kaffeepulver von dem Auszug und bereitet den Kaffee am besten durch Filtrieren, indem man das Pulver auf ein Papierfilter schüttet und siedendes (nicht nur heißes) Wasser darübergießt. Es ist wesentlich, daß das Wasser das Kaffeepulver gleichmäßig und vollständig durchdringt und wirklich mit Siedetemperatur aufgegossen wird. Diese Bedingungen müssen auch bei den Kaffeemaschinen erfüllt werden, und diejenigen Konstruktionen sind am meisten zu empfehlen, bei welchen das Pulver vor der Berührung mit dem Wasser durch den sich aus letzterm entwickelnden Dampf durchfeuchtet, gleichsam aufgeschlossen wird. Der Kaffeeauszug (das Getränk) ist ebenso wenig haltbar wie die gebrannten Bohnen; man hat aber versucht, ihn zu konzentrieren und so gleichsam ein Kaffeeextrakt herzustellen, welches bei Verdünnung mit heißem Wasser ein dem frischen Kaffee ersetzendes Getränk liefern sollte. Einen sehr starken Auszug, der eine beträchtliche Verdünnung erträgt, erhält man durch methodisches Auslaugen, indem man dieselbe Flüssigkeit wiederholt über frisches Pulver filtriert; ein brauchbares Kaffeeextrakt aber (etwa nach Art des Fleischextrakts) herzustellen, ist bisher nicht gelungen; die in den Handel gebrachten Präparate ließen immer sehr viel zu wünschen übrig.

Die allgemeine Verbreitung des Kaffeegenusses erklärt sich aus der eigentümlichen günstigen Wirkung des Kaffees auf den menschlichen Organismus. Dieselbe wird durch das Kaffein und die empyreumatischen Röstprodukte, aber auch durch die Kaffeegerbsäure und das flüchtige Öl, welches das Aroma des Kaffees bedingt, hervorgebracht. Doch ist diese Wirkung um so weniger vollständig zu erklären, als sie scheinbar einen Widerspruch in sich enthält. Der Kaffee regt nämlich das Gefäß- und Nervensystem zu einer größern Thätigkeit an und verlangsamt anderseits die Umsetzung der Formbestandteile des Körpers. Eine mittlere Dosis (15 g), als Aufguß heiß getrunken, beschleunigt den Puls, erzeugt ein Gefühl von Wärme (großenteils nur durch das heiße Wasser), setzt die Zahl der Atemzüge herab, regt die geistigen Fähigkeiten an, so daß man leichter denkt und arbeitet, verscheucht den Schlaf, erzeugt oft eine Empfindung von allgemeinem Wohlbehagen und vermehrt stark die Absonderung von Urin, während die Ausscheidung von Harnstoff und Kohlensäure herabgesetzt wird. Der Kaffeeaufguß enthält selbst nur wenig Nahrungsstoff, aber die Erfahrung lehrt, daß Arbeiter beim Genuß von Kaffee weniger stickstoffhaltige Nahrung bedürfen als ohne denselben; Soldaten haben, gestärkt durch Kaffee, Strapazen ertragen, die sie ohne diesen nicht ausgehalten haben würden. Daß der Kaffee die Verdauung anrege und die Beschwerden einer reichlichen Mahlzeit verringere, ist eine irrtümliche Annahme; starker Kaffee wirkt im Gegenteil störend auf die Verdauung. Das Wohlbehagen, welches die unmittelbar nach Tisch genossene Tasse Kaffee thatsächlich hervorbringt, ist vielleicht nur durch die angenehme psychische Anregung zu erklären. Der Kaffee beschränkt auch die Neigung zu Spirituosen und verscheucht den Rausch. Während der Thee vorzugsweise die Urteilskraft erweckt und ihrer Thätigkeit ein Gefühl von Heiterkeit zugesellt, wirkt Kaffee zwar auch auf das Denkvermögen erregend, verhilft aber auch der Einbildungskraft zu viel größerer Lebhaftigkeit. Die Empfänglichkeit für Sinneseindrücke wird durch den Kaffee erhöht, daher einerseits die Beobachtung gesteigert, auf der andern Seite aber auch die Urteilskraft geschärft, und die belebte Phantasie läßt sinnliche Wahrnehmungen durch Schlußfolgerungen rascher bestimmte Gestalt annehmen. Es entsteht ein gewisser Drang zur Produktivität, ein Treiben der Gedanken und Vorstellungen, eine Beweglichkeit und Glut in den Wünschen und Idealen, welche mehr der Gestaltung bereits durchdachter Ideen als der ruhigen Prüfung neuentstandener Gedanken günstig ist. "Der Kaffee", sagt Jean Paul, "macht feurige Araber, der Thee zeremonielle Chinesen." Die verdünnten Aufgüsse, wie sie gewöhnlich getrunken werden, haben meist nur eine sehr geringe Wirksamkeit; habitueller Genuß starken Kaffees aber beeinträchtigt etwas die Verdauung, erzeugt gewöhnlich Neigung zur Verstopfung (bisweilen das Gegenteil) und läßt allmählich eine gewisse nervöse Reizbarkeit hervortreten. Nach langem Gebrauch kann der Kaffee, wie Alkohol, zu einem notwendigen Bedürfnis werden, dessen Entbehrung schädliche Folgen, namentlich Unlust und Unfähigkeit zu angestrengter geistiger Arbeit, bedingt. In großer und sehr starker Gabe erzeugt der Kaffee Herzklopfen, starke Pulsbeschleunigung, Kongestionen nach dem Kopf, starke psychische Erregung, weiterhin allgemeines Zittern, Angst, Unruhe. Schädliche Folgen des Kaffeegenusses treten am ehesten bei Kindern und Personen, welche als nervös bezeichnet werden, auf; am zuträglichsten erweist er sich bei Erwachsenen, die nicht leicht erregbar, nicht zu Kongestionen nach dem Kopf disponiert sind. Als Arzneimittel dient Kaffee gegen Erbrechen, akuten Darmkatarrh nach Durchnässungen, bei dem durch narkotische Substanzen in Vergiftungsfällen