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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kanada

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Kanada (Volksbildung, Erwerbszweige).

Proz.), 669,863 Schotten (15,4 Proz.), 254,319 Deutsche (5,9 Proz.), 108,547 Indianer (2,5 Proz.), 30,412 Holländer, 21,394 Afrikaner, 4388 Chinesen, 4214 Skandinavier, 1849 Italiener etc. Vergleichen wir diese Zahlen mit denen für das Jahr 1871, so finden wir, daß die Franzosen und Engländer um ein Geringes an Boden gewonnen haben, während die Zahl der Iren, Schotten und Deutschen im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung abgenommen hat. Die Nachkommen der namentlich aus der Normandie eingewanderten Franzosen, die sogen. Habitants, bilden demnach noch immer den relativ stärksten Bruchteil der Bevölkerung. Sie sitzen fast ausschließlich im untern K., auf beiden Seiten des St. Lorenz bis Montreal hinauf (in den sogen. Seigneurien), und haben trotz der langen Zeit und vielfacher Berührungen mit fremden Elementen in Charakter und Gewohnheiten ihre ganze Eigentümlichkeit bewahrt. Sie werden noch heute als anspruchslos, frugal, ehrlich, durchaus höflich, gefällig und sehr gastfrei geschildert. Dabei aber sind sie wenig unternehmend, halten fest am Althergebrachten und verstehen es, fremde Elemente von sich fern zu halten. Im W., wo sie als Voyageurs und Coureurs des bois weite Gebiete erschlossen haben, haben sie sich vielfach mit Indianern vermischt, als sogen. Métis oder Bois brûlés. Das wirklich fortschrittliche Element in K. wird durch die Engländer und namentlich die Schotten repräsentiert, denn wenn auch die Iren an Zahl überwiegen, so besteht doch die Hälfte derselben aus aus Ulster eingewanderten Protestanten, die sich naturgemäß den Schotten anschließen. Der aus der Mischung dieser angelsächsischen Elemente hervorgegangene Kanadier ist kräftig gebaut, mit breiten Schultern und hoch gewachsen. Er ist besonnen, ausdauernd und zuverlässig, und es fehlt ihm keineswegs an Unternehmungsgeist. Nationalspiel der Kanadier ist ein von den Indianern gelerntes Ballspiel, la Crosse genannt; Schlittschuh- und Schneeschuhlaufen sowie Bergabfahrten in indischen Schlitten (toboggans) sind beliebte Winterbelustigungen.

Die eingeborne ursprüngliche Bevölkerung ist im Vergleich mit den Eingewanderten und deren Nachkommen verschwindend klein, scheint aber nicht abzunehmen wie in den Vereinigten Staaten. Die arktischen Gestade bewohnen etwa 4000 Innuit oder Eskimo, den Rest des Gebiets verschiedene Indianerstämme. Die Tinneh oder Athabasken sitzen südlich von den Innuit, namentlich im Becken des Athabasca, und erstrecken sich bis jenseit des Felsengebirges an den Stillen Ozean. Die Algonkin hausen von Labrador bis zum Obern See und dem südlichen Teil des Nordwestgebiets, wo die Saulteaux, Kri, Blackfeet, Piegan und Blutindianer ihre Stammgenossen sind. Die Irokesen mit dem Reste der Huronen wohnen vom Atlantischen Ozean bis zum Obern See und haben die größten Fortschritte in der Kultur gemacht. Seit 1818 haben die Indianer weite Länderstrecken gegen eine Jahresrente und andre Vorteile an die Regierung abgetreten. Die Regierung zahlt pro Kopf jährlich 5 Doll., aber Häuptlinge erhalten 25 Doll., Älteste 15 Doll. Außerdem hat jede Familie von fünf Personen ein Anrecht auf 259 Hektar Land. Im J. 1885 lebten von 131,957 Indianern bereits 85,329 auf solchen Reservationen. Sie hatten 34,780 Hektar Land angebaut und besaßen 19,623 Pferde, 14,162 Rinder, 1984 Schafe und 8504 Schweine. Die Indianerschulen werden von etwa 4000 Kindern besucht. Die für indianische Zwecke verausgabte Summe belief sich 1885 auf 1,109,604 Doll. Seit 1885 haben Indianer auch das Stimmrecht unter den gleichen Bedingungen wie der Rest der Bevölkerung. Dem religiösen Bekenntnis nach zählte man 1881: 2,436,555 Protestanten (davon 676,165 Presbyterianer, 574,818 Anglikaner, 742,981 Methodisten), 1,791,982 Römisch-Katholische, 2392 Juden, 4478 Heiden, 2634 Personen "ohne Religion"; in 86,769 Fällen war die Religion nicht angegeben. Von den Katholiken lebten 1,170,718 (70 Proz.) in der Provinz Quebec. Die Anglikaner haben 14 Bischöfe, die Katholiken 4 Erzbischöfe und 16 Bischöfe. Staat und Kirche sind vollständig getrennt.

Die Volksbildung ist eine Provinzialangelegenheit oder dem Gemeinsinn der Bürger überlassen. Es gab 1885 etwa 750 höhere Schulen (mit Einschluß von 14 Universitäten mit 24 Colleges, welche Grade erteilen) und 15,000 Elementarschulen, die insgesamt von 968,103 Schülern besucht wurden. Der Durchschnittsbesuch erreichte jedoch nur 555,406 Schüler. Aus öffentlichen Mitteln werden 9,310,745 Doll. diesen Anstalten zugewendet. Unter den Universitäten sind die bedeutendsten in Montreal (seit 1821), Quebec (seit 1678), Toronto (1859), Halifax und Fredericton (Neubraunschweig). Von gelehrten Gesellschaften sind zu nennen: die Royal Society, eine Akademie der Wissenschaften (1882 gegründet), die Litterarhistorische Gesellschaft in Quebec und der Verein für Naturgeschichte in Montreal. Ihnen schließt sich an die 1882 gegründete Akademie der schönen Künste. Zeitungen und Zeitschriften erschienen 1885: 646, davon 71 täglich, 51 in französischer und 7 in deutscher Sprache.

[Erwerbszweige.] Im Zensus vom Jahr 1881 sind nur 1,390,606 Personen (37,8 Proz. der gesamten Bevölkerung) nach ihrer Beschäftigung klassifiziert. Von ihnen kamen auf Landwirtschaft 47,6 Proz., auf Gewerbe 20,7 Proz., auf Handel 7,7 Proz., auf häusliche Beschäftigungen (Dienstboten) 5,4 Proz., auf gelehrte Professionen und Künste 3,8 Proz. und auf andre 14,8 Proz. Die Landwirtschaft ist somit der wichtigste Erwerbszweig, und wenn wir bedenken, daß 1881 erst 61,155 qkm angebaut und 27,465 qkm Grasland vorhanden waren, so ist der fernern Entwickelung derselben noch ein weiter Spielraum gegeben. Abgesehen von den arktischen Inseln, waren von der gesamten Oberfläche (7,954,700 qkm) 2,9 Proz. in Privatbesitz übergegangen, und 1,1 Proz. waren landwirtschaftlich verwertet. Überhaupt gab es 403,491 Grundbesitzer, und in sämtlichen Provinzen, namentlich aber im NW., ist noch Land guter Qualität billig oder unter dem Homested-Gesetz umsonst zu haben. Abgesehen von der kleinen Prinz Edward-Insel, sind die südlichen Teile von Ontario und Quebec die eigentlichen Kulturbezirke der Dominion, denn hier liegen 72 Proz. des gesamten angebauten Landes. Es gedeihen unsre sämtlichen Getreidearten, und Weizen reift am Mackenziefluß bis 62° nördl. Br. Ontario ist namentlich seines vorzüglichen Obstes wegen berühmt und erzeugt neben Äpfeln und Pflaumen auch Pfirsiche und Aprikosen. Die Weinrebe ist mit Erfolg am Eriesee angepflanzt worden, und die Trauben reifen im Innern bis 52° nördl. Br. Außerdem gedeihen dort Sorghum, Bataten, spanischer Pfeffer und Tomaten. An Vieh zählte man 1881: 1,059,358 Pferde, 3,514,989 Rinder, 3,048,678 Schafe und 1,207,619 Schweine.

Von großer Wichtigkeit ist die Fischerei, sowohl in den Flüssen und den Seen als an den Meeres-^[folgende Seite]