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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kanalisation

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Kanalisation (unterirdische Abzüge für Regen- und Abfallwasser).

Sicherheitsventile bei Dampfkesseln, unentbehrlich. Sie münden in bestehende Wasserläufe und sind beim Eintritt in dieselben durch hängende Klappen geschlossen, welche sich erst öffnen, wenn das Wasser im Innern der Kanäle höher steht als im Fluß. Niemals empfiehlt es sich, natürliche Wasserläufe in unterirdische Abzugskanäle hineinzuleiten oder gar in solche zu verwandeln, da sie stets für den größten Wasserzufluß eingerichtet werden müßten und, abgesehen von den zu hohen Kosten, bei kleinerm Wasser ihren Zweck als Spülkanäle verfehlen würden. Dagegen sind solche Wasserläufe zur Hergabe von Spülwasser mit großem Vorteil zu benutzen.

Die unterirdischen Abzüge sollen möglichst wasserdicht sein und werden in der Regel unter den städtischen Straßen angelegt. Sie müssen tiefer liegen als die Kellersohlen, um auch die Keller entwässern zu können und dieselben vor dem Rückstauen zu bewahren. Nicht gern legt man die Kanäle deshalb weniger als 3 m tief unter das Straßenpflaster. Bei dieser Tiefe erhalten sie außerdem die nötige frostfreie Lage. Neben den Kanälen zieht das Grundwasser, indem es dem Gefälle derselben folgt, nach den tiefsten Stellen, von wo es weiter durch den Untergrund sickert und endlich in den natürlichen Wasserläufen abfließt. So dienen die Kanäle zugleich zu einer höchst wohlthätigen Drainierung des Untergrundes. Indem sie das Grundwasser bis fast auf den Wasserspiegel der Flüsse senken und gleichmäßig auf diesem Stand erhalten, machen sie den Boden der Stadt gesünder und feuchte Keller trocken. In undurchlässigem Boden befördert man die Drainierung, indem man die Kanäle von außen mit einer Kiesschüttung umgibt oder auch Drainröhren neben ihnen einlegt. Die größern Kanäle, in welchen die kleinern sich vereinigen, werden gewöhnlich aus guten, glatten Klinkern in Zement ausgeführt; auch hat man sie unter Umständen mit Vorteil aus Beton angefertigt. Sie erhalten im Querschnitt die Form eines auf die Spitze gestellten Eies, damit zu Zeiten geringen Zuflusses das Wasser in der unten nur schmalen Sohle möglichst zusammengehalten wird, um Sinkstoffe leichter mit sich fortspülen zu können. Die kleinern Abzüge unter 0,5 m Weite bestehen am besten aus glasierten Steingutröhren. Die Verbindung erfolgt durch Muffen, welche mit fettem Töpferthon gedichtet werden. Die kleinsten Straßenröhren sollen nicht unter 24 cm lichte Weite haben. In breiten Straßen legt man mit Vorteil für jede Häuserreihe ein besonderes Rohr an. Das Längengefälle der Kanäle und Röhren muß oft auf das geringste Maß beschränkt werden, da wenigstens die untern Teile der Städte meistens in flachem Terrain liegen, so daß die Straßen sich nicht weit von der wagerechten Lage entfernen. Damit nun die in die Kanäle gelangenden Unreinigkeiten sich hier nicht ablagern, sondern mit dem Wasser fortgespült werden, gibt man den größern Kanälen gern ein Gefälle von nicht weniger als 1 m auf 2000 m Länge. Ist man gezwungen, geringere Gefälle bis 1 auf 3000 anzuwenden, so legt man von Strecke zu Strecke Spülthüren an, welche das Wasser etwa 1 m hoch aufstauen, um dann beim plötzlichen Öffnen der Thüren die unterhalb gelegene Strecke durch die verstärkte Strömung rein zu spülen. Den Röhren gibt man gern ein Gefälle von nicht unter 1 auf 300 und von mindestens 1 auf 400. Die einzelnen Röhrenstrecken legt man sowohl im Grundriß, als der Höhe nach gern in geraden Linien an, so daß man hindurchsehen kann, wenn am andern Ende mit einer Lampe hineingeleuchtet wird. An jedem Brechpunkt wird ein Einsteigebrunnen angeordnet, aus welchem man die Reinheit der Röhren überwachen kann. Diese Brunnen vermitteln zugleich die notwendige Ventilation in den Abzügen, damit die darin enthaltene Luft entweichen kann, wenn die Abzüge mit Wasser gefüllt werden. Setzt man die aus einem solchen Brunnen abführende Röhre mit einer Klappe zu, so kann man das Wasser im Brunnen anstauen, um es durch Fortnahme der Klappe mit vermehrter Geschwindigkeit zum Reinspülen der Röhre zu verwenden. An den obern sogen. toten Enden der Röhren hat man Vorkehrung zu treffen, den Brunnen zuweilen mit besonderm Spülwasser, sei es aus der Wasserleitung oder aus einem nahen Wasserlauf, zu füllen.

Von den Straßen gelangt das Regenwasser durch Rinnsteinabzüge (engl. gullies) in die Kanäle und Röhren. Dieselben bestehen aus einem in der Erde aufgeführten Behälter zum Auffangen der schweren Sinkstoffe, als Sand, Dachsteinstücke u. dgl. Das aus dem obern Teil dieses Behälters nach dem Straßenabzug führende Rohr erhält einen später näher zu beschreibenden Wasserverschluß, um üble Dünste von der Straße abzuhalten. Das in den Häusern gebrauchte Küchen-, Wasch- und Badewasser wird durch ein 16 cm weites senkrechtes Rohr, am besten aus Gußeisen, welches durch alle Stockwerke führt und über dem Dach des Hauses in die freie Luft mündet, hinabgegossen. Unten, am besten unter der Kellersohle, schließt sich ein zweites Rohr an, welches aus Steingut bestehen kann und mit einem Gefälle von 1 auf 50 in den Straßenabzug führt. In den Straßenabzug mündet es durch einen gekrümmten Ansatz in schräger Richtung ein und zwar nach derjenigen Seite gebogen, nach welcher der Straßenabzug fließt, damit die regelmäßige Strömung nicht durch das seitwärts zufließende Wasser eine Störung erleidet. In den Häusern befinden sich in jedem Stockwerk die erforderlichen Ausgüsse für das gebrauchte Wasser. Damit die Luft aus den Kanälen durch diese Ausgüsse nicht in das Innere der Häuser gelangen kann, ist an einer jeden solchen Stelle ein Wasserverschluß anzubringen. Es ist dieses ein nach Art eines umgekehrten Hebers nach unten und wieder hinaufgebogenes Rohr, dessen beide Schenkel durch das im untern Teil des Hebers zurückbleibende Wasser luftdicht abgesperrt werden. Damit beim Ausgießen von Wasser die Luft im Fallrohr nicht zusammengepreßt oder nach Umständen auch verdünnt werden kann, wo sie dann in beiden Fällen die Wasserverschlüsse zeitweise leeren und dadurch unwirksam machen würde, ist die oben bereits angedeutete freie Kommunikation des Fallrohrs mit der äußern Luft durchaus notwendig.

Mit dem gebrauchten Hauswasser wird trotz aller polizeilichen Verbote unter allen Umständen eine große Menge Urin fortgegossen, und dieser ist unter allen verunreinigenden Stoffen bei weitem der schlimmste. Man entledigt sich seit längerer Zeit auch gern der viel weniger schädlichen festen Abtrittsstoffe, indem man sie in sogen. Wasserklosetten, fein zerteilt und mit vielem Wasser verdünnt, ebenfalls durch die städtischen Abzüge fortschwemmt. In allen Fällen, in denen über den endlichen Verbleib der städtischen Abflüsse richtig disponiert ist, hat sich diese Methode, die Fäkalstoffe aus den Städten zu entfernen, nicht nur als die wohlfeilste, sondern auch als die in jeder Beziehung vorteilhafteste bewährt. Diese sonst sehr schwer zu behandelnden Stoffe verschwinden im Augenblick ihres Entstehens aus dem Bereich des Hauses