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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kautschuk

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Kautschuk (Verarbeitung, vulkanisiertes K.).

und Alkohol löslichen Stoffen. An der Luft und besonders am Licht wird K. oberflächlich hart und brüchig, in sehr dünner Schicht bildet es allmählich eine harzartige Masse. Es schmilzt bei 120°, bleibt nach dem Erkalten weich und klebrig und wird auch in sehr dünner Schicht erst nach langer Zeit wieder fest, über 200° zersetzt es sich und brennt mit leuchtender, rußender Flamme. Bei der trocknen Destillation gibt es wässerige Produkte, wenig ätherisches Öl, dann ein Gemenge flüssiger Kohlenwasserstoffe (Kautschuköl, Kautschucin, Faradayin, Heveen).

Verarbeitung.

Die Verarbeitung des Kautschuks gründet sich auf seine Eigenschaft, durch Kneten im erwärmten Zustand zu erweichen und eine sehr plastische, kaum elastische Masse zu bilden, welche die ihr gegebene Form beibehält. Man zerkleinert das K. auf Schneideladen oder durch eine schnell rotierende, mit Zähnen besetzte Trommel, reinigt die Schnitzel mit alkalischen Laugen, reinigt sie weiter durch Bearbeiten zwischen Walzen unter Zufluß von Wasser und verwandelt sie dann auf einer Knetmaschine mit erwärmten geriefelten Walzen in eine kompakte Masse, aus welcher unter einem einige Tage anhaltenden, sehr starken Druck und bei 50° homogene Blöcke gebildet werden. Diese Blöcke zerschneidet eine rotierende Messerscheibe unter Zufluß von Wasser in Blätter (Patentblätter), welche die Basis für die ganze übrige Fabrikation abgeben. Man stellt solche Platten auch durch Walzen her, indem man das gereinigte K. auf 40-50° erhitzt und zwischen Walzen, die durch eingeleiteten Wasserdampf auf 80-100° erhitzt werden und nach und nach enger und enger gestellt werden, wiederholt hindurchgehen läßt. Wenn diese Platten die Walzen verlassen, kleben sie sehr stark, und man bestreut sie daher vor dem Aufrollen mit Talk oder zieht sie durch kaltes Wasser. Mit naßgehaltenen Scheren und Messern kann man aus den Platten beliebige Stücke schneiden, die durch Vereinigung der frischen Ränder zu allerlei Gebrauchsgegenständen geformt werden. Sehr dünne Platten erhält man auch durch wiederholtes Aufstreichen eines Breies aus K. und Naphtha auf ein Gewebe, welches mit einer Mischung aus Melasse und Gelatine überzogen ist.

Die Verwendbarkeit des Kautschuks wird wesentlich dadurch beeinträchtigt, daß er bei 0° ganz hart, bei 30-50° aber schon sehr weich ist, sowie durch die verhältnismäßig geringe Widerstandsfähigkeit gegen manche chemische Agenzien. Durch eine eigentümliche Verbindung des Kautschuks mit Schwefel werden aber diese Übelstände zum großen Teil beseitigt, und dies sogen. vulkanisierte K. hat deshalb für die Technik eine viel größere Wichtigkeit erlangt, als sie das nicht vulkanisierte jemals besaß. Taucht man K. bei 115-120° 2-3 Stunden in geschmolzenen Schwefel, so nimmt es 10-15 Proz. Schwefel auf. Ebenso kann man es durch Einkneten von Schwefelblumen oder mit Hilfe einer Lösung von Schwefel in Schwefelkohlenstoff mit Schwefel imprägnieren, ohne daß es seine Eigenschaften wesentlich ändert. Erhitzt man aber dieses schwefelhaltige K. auf 132-140°, so wird es in wenigen Minuten umgewandelt und bildet nun das vulkanisierte K., welches sich bei -20° wie bei einer 100° übersteigenden Temperatur gleich elastisch zeigt und den Lösungsmitteln und chemischen Agenzien in hohem Grade widersteht. Zur Darstellung desselben werden die, wie oben angegeben, gereinigten Schnitzel durch Walzen vereinigt und die zusammenhängenden Blätter alsbald mit gewaschenen Schwefelblumen bestreut, zusammengerollt und wieder unter Zusatz von Schwefel zwischen geheizten Walzen ausgewalzt, bis 12-24 Proz. Schwefel gleichmäßig mit dem K. gemischt sind. Vermischt man Kautschuklösungen mit Schwefel, oder wendet man von vornherein ein mit Schwefel gesättigtes Lösungsmittel an, so hinterbleibt beim Verdampfen des Lösungsmittels eine Masse, die sich ganz wie das mit Schwefel imprägnierte K. verhält. Aus der letztern werden alle Artikel, wie aus gewöhnlichem K., dargestellt, da sie sich noch genau wie dieses verhält, namentlich auch sich in beliebige Formen drücken und an frischen Rändern miteinander vereinigen läßt. Die geformten Sachen werden einer Temperatur von etwa 120-130° ausgesetzt (gebrannt), welche hinreichend lange einwirken muß, um die Stücke vollständig zu durchdringen. Die richtige Wahl der Temperatur und der Zeitdauer bilden den Schwerpunkt der ganzen Fabrikation. Früher erhitzte man die Gegenstände in gemauerten Kammern, die vom Fußboden aus geheizt wurden; jetzt werden meist eiserne Kessel angewandt, in welche man gespannten Dampf leitet. Da die Gegenstände hierbei bedeutend erweichen, muß man sie über Formen brennen und, um das Ankleben zu vermeiden, mit Talkpulver bestreuen; dicke Platten werden, damit sie sich nicht verziehen, zwischen Eisenplatten gelegt, dünne mit einer Kattunzwischenlage auf eine Trommel gewunden etc. An Stelle des Schwefels hat man auch schwefelhaltige Präparate, wie Schwefelbaryum, Schwefelcalcium, Kermes (Schwefelantimon), unterschwefligsaures Bleioxyd oder künstliches Schwefelblei, zum Vulkanisieren angewandt, um besondere Eigenschaften des Fabrikats zu erzielen; außerdem aber setzt man dem vulkanisierten K. feines Bimssteinpulver zu, damit es auch Tintenstriche vom Papier wegnimmt, oder Kreide, Zinkoxyd und andre Dinge, um eine billige und hellere Ware zu gewinnen. Diese Zusätze (bis 40 und 50 Proz.) verschlechtern das Fabrikat sehr wesentlich und können unter Umständen gefährlich werden (Zinkoxyd in Saugröhren für Kinder). Nach einer andern Methode vulkanisiert man das K., indem man es in mit Schwefelkohlenstoff verdünntes Schwefelchlorür taucht, und zwar je nach der Stärke der Stücke nur wenige Sekunden oder einige Minuten, und dann rasch in einem warmen Luftstrom trocknet. Dicke Stücke werden wiederholt in die vorteilhaft mit mehr Schwefelkohlenstoff gemischte Flüssigkeit getaucht; das Brennen fällt hierbei ganz fort. Lösungen mischt man mit der Schwefelungsflüssigkeit und läßt sie dann eintrocknen. Diese Methode gewährt manche Vorteile und wird deshalb für gewisse Artikel in den meisten Fabriken angewandt. Statt des Schwefelkohlenstoffs benutzt man dabei häufig sorgfältig gereinigtes Petroleum. Endlich ist auch eine vortreffliche Methode zu erwähnen, nach welcher man die Gegenstände drei Stunden in einer auf 140° erhitzten Lösung von Drei- oder Fünffach-Schwefelcalcium (25° B.) liegen läßt.

Das vulkanisierte K. besitzt eine graue Farbe, zeigt sich durch Temperaturunterschiede wenig veränderlich; es klebt nicht auf frischen Rändern, riecht unangenehm (soll den Geruch verlieren, wenn man es mit einer Schicht tierischer Kohle bedeckt und 3-6 Stunden lang auf 50-80° erhitzt), ist für Flüssigkeiten viel weniger durchdringlich als reines K., wird bei längerer Einwirkung höherer Temperaturen spröde und schwärzt Metallgegenstände unter Bildung von Schwefelmetall. Es quillt in Lösungsmitteln wenig