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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kirchenstaat

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Kirchenstaat (14.-16. Jahrhundert).

mochten indes die weltliche Herrschaft des Papsttums im K. nicht aufrecht zu erhalten; ihre mit erpreßtem Geld geworbenen Söldner plünderten und verwüsteten nur das Land. Die feindlichen Adelsgeschlechter, an ihrer Spitze die mächtigen Familien Colonna und Orsini, wüteten in unaufhörlichen Fehden gegeneinander.

Eine Errettung aus dieser Not schien die Erhebung des Volkstribuns Cola di Rienzi 1347 zu bringen, der in Rom die Republik verkündete und es zum Haupt einer italischen Konföderation erheben wollte. Indessen waren die Erfolge des phantastischen, aber unpraktischen Schwärmers nur vorübergehende. Der Papst erklärte sich gegen ihn, und der eingeschüchterte Adel fand wieder den Mut zum Widerstand gegen die Willkürherrschaft Rienzis. Dieser flüchtete nach Prag zu Kaiser Karl IV., der ihn nach Avignon bringen ließ. Papst Innocenz VI. gab ihn 1353 dem Kardinal Albornoz bei, den er nach Italien sandte, um dem Unwesen der Feudalherren im K. ein Ende zu machen und die Autorität des Papstes daselbst herzustellen. Unterstützt von den tuscischen Städten und dem Volk, unterwarf Albornoz bald die Raubritter und setzte Rienzi in Rom als Senator ein. Doch verscherzte sich der Tribun durch tyrannische Willkür die Gunst des Volkes, das ihn in plötzlichem Aufstand erschlug (1354). Albornoz gab jetzt dem K. eine neue Verfassung, setzte für die einzelnen Kirchenprovinzen Rektoren ein und teilte das gesamte Gebiet in 100 Vikariate. Der Adel wurde aus den wichtigsten Ämtern verdrängt. Die Verfügungen früherer Päpste und die Lokalstatuten einzelner Städte wurden von Albornoz zu einem aus sechs Bänden bestehenden Kriminal- und Zivilkodex vereinigt, der, um die Mitte des 16. Jahrh. neu revidiert, unter dem Namen der "Ägidianischen Konstitutionen" (Egidianen) bis auf die Gegenwart gegolten hat. Doch brach die Anarchie im K. nach Albornoz' Tod wieder aus und konnte auch durch den vorübergehenden Aufenthalt Urbans V. (1367-70) und die Rückkehr Gregors IX. nach Rom (1377) nicht unterdrückt werden. Das Schisma, welches nach Gregors Tod 1378 ausbrach, war der Befestigung der päpstlichen Macht hinderlich. König Wladislaw von Neapel bemächtigte sich 1408 des ganzen Kirchenstaats; die Idee, Italien zu einigen und sich zum Kaiser zu krönen, schwebte vor seinem kühnen Geist: indes machten ihm der vom Konzil von Pisa 1409 neugewählte Papst Alexander V. und sein Nachfolger Johann XXIII. die Herrschaft streitig.

Bis 1420 dauerten die Kämpfe zwischen den Neapolitanern, den Päpstlichen und kühnen Bandenführern um den Besitz des Kirchenstaats. Endlich glückte es Martin V., dem vom Konstanzer Konzil gewählten alleinigen Papst, einem Colonna, der seine Residenz wieder in Rom aufschlug, wie die Einheit der Kirche, so auch die weltliche Herrschaft des Papsttums in Italien herzustellen. Allerdings war das Land verwüstet und verarmt, und die Adelsgeschlechter und Stadtgemeinden hatten eine solche Unabhängigkeit erlangt, daß der K. nur dem Namen nach ein Staatsganzes war. Martin V. stützte sich auf seine Familie, die er mit Lehnsgütern und Würden überschüttete, erregte aber dadurch bei den andern Edelleuten Neid und Unzufriedenheit. Eugen IV. mußte daher bei seiner Wahl 1431 den Kardinälen durch eine Kapitulation versprechen, ohne deren Zustimmung keine Gebiete, Lehen oder Einkünfte des Kirchenstaats zu vergeben. Indes auch Eugen IV. war der Unbotmäßigkeit des Adels gegenüber ohnmächtig. 1434 wurde er selbst aus Rom vertrieben und brachte den größten Teil seines Pontifikats außerhalb des Kirchenstaats zu. Manche Teile des Kirchenstaats mußten an Große zu Lehen gegeben werden, so 1434-47 das Vikariat über die Mark Ancona an Franz Sforza von Mailand, 1443 das Vikariat über die Gebiete von Benevent und Terracina an Alfons I. von Neapel, und 1441 ging das wichtige Ravenna bei dem Aussterben der Polenta ganz an die Republik Venedig verloren. Papst Paul II. beschränkte endlich durch energisches Regiment etwas den zügellosen Adel und erweiterte den K. durch die Güter des Grafen Anguillara sowie durch Cesena und Petinaro mit ihren Gebieten. Sixtus IV. verlieh seinen Neffen, die sich durch mannigfache Bedrückungen allgemein verhaßt machten, große Gebiete und die wichtigsten Ämter. Um seine Söhne Franz und Cäsar Borgia zum Fürstenrang zu erheben, entriß Papst Alexander VI. vielen seiner Vasallen ihre Lehnsgüter. Zugleich verwickelte er den römischen Staat in verderbliche Kriege. Unterstützt durch die Neapolitaner und den Herzog von Urbino, bemächtigte sich Franz Borgia 1496 fast aller Städte und Ländereien, welche die Orsini besaßen; doch setzten sich diese mit Hilfe Frankreichs wieder in den Besitz der ihnen entrissenen Güter. Dagegen eroberte der päpstliche Feldherr die von den Franzosen besetzte Festung Ostia. Parteiungen aller Art rieben die Staatskräfte auf, und blutige Fehden waren überall an der Tagesordnung. Nach einem von Alexander VI. mit Frankreich errichteten Bündnis unterstützte diese Macht seinen Sohn Cäsar 1499 mit Truppen. Cäsar fiel in die Romagna ein, eroberte Imola und Forli, 1500 auch Pesaro, Rimini und Faenza und ward nach der Eroberung von Fano Herzog von der Romagna. Nach Alexanders VI. Tod fielen die Besitzungen, die er zu gunsten seiner Familie von dem römischen Staat getrennt hatte, an denselben wieder zurück.

Papst Julius II. (1503-13) schloß mit Frankreich und dem Kaiser 1504 ein Bündnis gegen die Republik Venedig und entriß derselben einige Städte, die sie in der Romagna besaß. Weit größere Erfolge hatte er, als er sich 1508 mit dem Kaiser, Frankreich und Spanien zur Liga von Cambrai vereinigte. Ludwig XII. von Frankreich zertrümmerte 1509 durch seinen Sieg bei Agnadello die Übermacht Venedigs, und nun fielen auch dessen letzte Besitzungen in der Romagna, sogar das wichtige Ravenna, dem Papste zu. Zwar gelang es Julius II. nicht, die Este aus Ferrara, dessen Vikariat sie vor zwei Jahrhunderten den Päpsten abgezwungen hatten, zu vertreiben, wohl aber vermochte er die Franzosen zur Räumung der Halbinsel zu nötigen. Ohne große Mühe gewann er jetzt Modena, Parma, Reggio und Piacenza, Städte, welche schon einmal zum K. gehört hatten. Noch nie war dessen weltliches Gebiet und politische Stellung so groß gewesen als unter Julius II.; die Italiener priesen ihn als Befreier von der Tyrannei der "Barbaren", und der Plan, Italien unter der weltlichen Herrschaft des Papsttums zu einigen, erschien nicht unmöglich. Aber schon unter Leo X. (1513-20) trat Karl V. der Vergrößerung des Kirchenstaats und der Erhöhung der weltlichen Macht des Papsttums in den Weg. Aus Rücksicht auf die ketzerische Bewegung in Deutschland schloß sich Leo X. 1520 dem Kaiser gegen Frankreich an. In dem nun entbrennenden Krieg erwarben die Päpste Perugia, Fermo und Ancona, verloren aber Reggio und Modena. Da der Friede von Madrid (1526) den Kaiser zum obersten Gewalthaber in Italien machte, so trat Clemens VII. mit Venedig, Florenz und Mai-^[folgende Seite]