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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kongruenz; Kongruieren

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Kongruenz - Kongruieren.

Zentralamerika und mehrerer südamerkanischer Republiken; auch Bezeichnung für die zu gemeinsamer Beratung zusammentretenden parlamentarischen Körperschaften in Frankreich, den Senat und die Deputiertenkammer; auch Versammlung von Bevollmächtigten oder von Häuptern mehrerer unabhängiger Staaten zur Verhandlung und Beschlußfassung über gemeinsame Interessen. Von einer Konferenz (s. d.) wird ein K. meist insofern unterschieden, als auf ersterer nur Beratungen ohne Beschlußfassung stattfinden; doch ist der Sprachgebrauch in dieser Hinsicht kein feststehender. Nehmen die Fürsten selbst an den Verhandlungen eines Kongresses teil (Monarchenkongresse), so werden durch die unmittelbare Verständigung der Staatsoberhäupter untereinander, besonders durch Wegfall der Instruktionseinholung, oft schnelle Resultate erzielt. Wichtig ist die Wahl des Ortes, der bequem liegen muß und keinem Mitglied ein Übergewicht geben darf. Man wählt daher gern neutrale Gebiete oder erklärt den Ort des Kongresses für die Zeit der Verhandlungen für neutral (wie 1807 Tilsit). Durch den sogen. Präliminarkongreß werden die Vorfragen über die Geschäftsform, das Präsidium u. dgl. erledigt, nachdem die Prüfung der Vollmachten vorgenommen worden ist. Die Rangfolge der Gesandten und der ihnen beigegebenen Geschäftsmänner richtet sich nach der bestehenden diplomatischen Ordnung. Früher entstanden über diese Frage vielfache Streitigkeiten, seit 1815 hat man über die Reihenfolge bei Unterschriften u. dgl. unbeschadet des Ranges das Alphabet entscheiden lassen. Da der K. möglichst rasche Verständigung durch mündliche Verhandlungen zum Zweck hat, eine Entscheidung durch Stimmenmehrheit aber dem Wesen unabhängiger Staaten widerstreitet, so finden vor der entscheidenden Beratung in der Plenarsitzung vorbereitende vertrauliche Besprechungen und schriftliche Erörterungen statt, welche durch gegenseitige Zugeständnisse und Verzichtleistungen die wünschenswerte Einigung in nähere Aussicht stellen. Sind die den K. beschäftigenden Angelegenheiten sehr ausgedehnt, so bildet er verschiedene Ausschüsse, welche über die ihnen zugeteilten Gegenstände vorbereitende Beratungen (Kommissionssitzungen) halten. Die endlichen Beschlüsse werden in einer Haupturkunde (Kongreßakte, Schlußakte) zusammengestellt und von den Hauptbevollmächtigten unterzeichnet. Wenn man von dem Namen und von der modernen Form der Kongresse, wie sie sich seit dem Westfälischen Frieden ausgebildet hat, absieht, so hat es schon in den ältesten Zeiten Kongresse gegeben. Die Geschichte Griechenlands kennt viele derartige Versammlungen, weniger die römische. Im Mittelalter waren die Kirchenversammlungen ungefähr das, was allmählich die Kongresse wurden; stark mit weltlichen Elementen vermischt war namentlich die Kirchenversammlung zu Konstanz (1414-18), auf welcher der Kaiser selbst mit 26 Fürsten und 180 Grafen erschien. Den ersten rein diplomatischen K. finden wir in dem zu Cambrai 1508, beschickt von dem Kaiser Maximilian I., dem französischen König Ludwig XII., dem König von Spanien, Ferdinand von Aragonien, und dem Papst Julius II., zum Bündnis gegen die Republik Venedig. Einer der wichtigsten ist der zu Münster und Osnabrück (1644-48), der zum Abschluß des Westfälischen Friedens führte. Den Krieg zwischen Frankreich und Spanien beendigte der Pyrenäische K. (1659). In die Periode Ludwigs XIV. gehören die Kongresse zu Oliva (1660), die nordischen Verhältnisse betreffend, zu Breda (1667), durch welchen der Krieg zwischen England und Holland (1664-67) beendigt wurde, zu Aachen (1668), zu Köln und Nimwegen (1674 und 1676-79), zu Ryswyk (1697), zu Utrecht (1712-1713), zu Rastatt und Baden (1713-14), zu Antwerpen (1715), auf welchem der Barrieretraktat (s. d.) zu stande kam, zu Passarowitz (1718), auf Aaland, zu Stockholm und Nystad (1718-21). Der K. von Aachen (1748) beendigte den achtjährigen österreichischen Erbfolgekrieg, der zu Hubertusburg (1763) den Siebenjährigen Krieg. Den Gegensatz zwischen Österreich und Preußen betraf auch der K. zu Teschen (1779). Der amerikanische Unabhängigkeitskrieg veranlaßte den K. zu Paris (1782), die niederländische Insurrektion den K. zu Reichenbach und Sistova (1790-1791); den französischen Revolutionskriegen gehören an die Kongresse zu Pillnitz (1791), Rastatt (1797-1799), Amiens (1801-1802) und Erfurt (1808), letzterer der erste Monarchenkongreß. In die neuere Zeit fallen die Kongresse zu Wien (1814-15), Paris (1815), Aachen (1818), Karlsbad (1819), Wien (1819 bis 1820), Troppau (1820), Laibach (1821), Verona (1822) sowie die uneigentlich Konferenzen genannten Kongresse zu Dresden (1851), Paris (1856), Zürich (1859), London (1864) und der Frankfurter Fürstentag (1863). Aus der neuesten Zeit ist der Berliner K. (vom 13. Juni bis 13. Juli 1878) behufs Regelung der orientalischen Angelegenheiten von besonderer Wichtigkeit. Auch die Congokonferenz in Berlin (1884/85) hatte mehr den Charakter eines Kongresses.

Kongresse als frei gebildete Wanderversammlungen von Berufsgenossen, von Gelehrten und Dilettanten irgend einer Disziplin, zur gegenseitigen Belehrung oder zur Agitation zu gunsten der Durchführung gemeinsamer Interessen oder gesetzgeberischer Forderungen, sind eine Einrichtung, die namentlich in Deutschland tiefe Wurzeln geschlagen hat. Theologen der verschiedensten Richtungen, Juristen, Ärzte, Spezialisten für medizinische Fächer, Naturforscher, Anthropologen, Geographen, Schriftsteller, Numismatiker, Forstmänner, Elektriker, Orientalisten, Friedensfreunde, Armenpfleger, Volkswirte verschiedener Richtungen, Philologen, Germanisten, Journalisten, Landwirte, Bierbrauer, Handwerker etc., sie alle haben ihre Kongresse, Wanderversammlungen, "Tage" und Verbände. In jüngster Zeit hat man sogar Skat- und Kegelspielerkongresse abgehalten. Auf einigen Kongressen werden nur Vorträge gehalten, auf andern schließen sich an die Vorträge Diskussion und Resolution. Die Resultate dieser Versammlungen für das öffentliche Leben werden allerdings oftmals überschätzt; indessen ist diese Sitte namentlich um deswillen von Wichtigkeit, weil sie das Interesse an derartigen Angelegenheiten in Kreise hinausträgt, die sich denselben sonst verschließen.

Kongruenz (lat), in der Geometrie s. v. w. Gleichheit und Ähnlichkeit oder Übereinstimmung in Größe und Gestalt. Das Zeichen für die K. (^[]) ist zusammengesetzt aus dem für die Gleichheit (=) und dem für die Ähnlichkeit (~). In der Arithmetik besteht nach der von Gauß ("Disquisitiones arithmeticae") eingeführten Bezeichnungsweise die K. zweier Zahlen darin, daß diese Zahlen bei der Division mit einer gewissen dritten Zahl, welche der Modul heißt, gleiche Reste geben. Das Zeichen für diese K. ist ^[=]. Weil also z. B. 17 und 9 bei der Division mit 4 denselben Rest 1 geben, so ist 17 ^[=] 9 (mod. 4) und auch 17 ^[=] 1 (mod. 4), 9 ^[=] 1 (mod. 4).

Kongruieren (lat., kongruent sein), übereinstimmen, zusammenpassen; sich decken, gleich und ähnlich sein.