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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Konsul

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Konsul (Handels- und Berufskonsuln in der Gegenwart).

die Leitung in den Senatssitzungen wie (mit Ausnahme der Tributkomitien) in den Volksversammlungen, ferner die Verwaltung der Gerichte und die Schätzung der Bürger wie die Einteilung derselben in Klassen (den sogen. census); in Kriegsfällen hatten sie die Heere auszuheben und den Oberbefehl zu führen. Die Teilung in die obliegenden Geschäfte zwischen ihnen geschah in der Weise, daß einem jeden, soweit möglich, ein bestimmt abgegrenzter Geschäftskreis zugewiesen wurde und im übrigen die Erledigung der laufenden Geschäfte von Monat zu Monat zwischen ihnen wechselte; hinsichtlich außerordentlicher Aufträge hatten sie sich entweder darüber untereinander zu vergleichen (comparare inter se), oder die Entscheidung wurde dem Los überlassen, oder es wurde auch der eine oder der andre durch Senatsbeschluß bestimmt. So geschah es namentlich auch im Fall eines Kriegs, der gewöhnlich von einem der Konsuln an der Spitze von zwei Legionen und einer gleichen Anzahl von Hilfstruppen geführt wurde; es kam aber auch vor, daß beide ins Feld zogen, wo dann entweder jeder von beiden den Oberbefehl über sein Heer unabhängig von dem andern führte, oder beide im Oberbefehl über das Ganze von Tag zu Tag wechselten. Zur Aufrechterhaltung ihrer Macht hatten sie das Recht, jeden Bürger (mit Ausnahme der Volkstribunen) ergreifen und ins Gefängnis setzen zu lassen (das Recht der prensio) und eine Geldstrafe (multa) über ihn zu verhängen; im Krieg empfingen sie mit dem militärischen Oberbefehl (dem imperium) eine völlig absolute Gewalt über das Heer, die auch das Recht über Leben und Tod in sich schloß. Dies war der ursprüngliche Wirkungskreis der Konsuln; im Lauf der Zeit aber erlitt derselbe mehrfache Einschränkungen. Schon im ersten Jahr der Republik (509) wurde den römischen Bürgern das Recht der Provokation eingeräumt, d. h. das Recht, von den Verfügungen und Maßregeln der Konsuln an die Volksversammlung zu appellieren. Dieses Recht wurde 494 durch die Einsetzung des Volkstribunats gesichert, und die Volkstribunen erwarben sich allmählich auch die Befugnis, in den Tributkomitien, in denen sie den Vorsitz führten, allgemein verbindliche Gesetze zu geben und den Senat zusammenzurufen; es kam sogar vor, daß sie kraft ihrer Amtsgewalt die Konsuln ins Gefängnis abführen ließen und sie selbst mit dem Tod bedrohten. Ferner ward 444 durch die Einsetzung der Zensur die Schätzung des Volkes (der Zensus) und 366 durch die Einsetzung der Prätur der wesentliche Teil der richterlichen Funktionen vom Konsulat abgetrennt. Unter den Kaisern sank die Macht der Konsuln neben der unumschränkten Herrschaft jener notwendig zu einem bloßen Schatten herab, daher es auch üblich ward, daß die Konsuln im Lauf des Jahrs mehrfach, zuletzt in der Regel alle zwei Monate, wechselten und statt des Konsulats häufig nur die Ehrenzeichen desselben (die insignia oder ornamenta consularia) verliehen wurden; diejenigen, welche das Amt zuerst im Jahr bekleideten, hießen alsdann ordinarii und hatten den Vorzug, daß das Jahr nach ihnen benannt wurde; die übrigen hießen suffecti. Dessenungeachtet dauerte das Konsulat im Westen bis 534 n. Chr., im Osten bis 541 fort, in welchem Jahr es zum letztenmal von einem Privatmann, Namens Basilius, bekleidet ward; seit dieser Zeit galt der oströmische Kaiser als Consul perpetuus. Was die Wählbarkeit anlangt, so war diese in der ältesten Zeit der Republik für das Konsulat wie für alle höhern obrigkeitlichen Ämter auf die Patrizier beschränkt. Indessen setzten die Plebejer schon 445 v. Chr. durch, daß es gestattet sein sollte, statt der Konsuln sogen. Konsulartribunen (tribuni militum consulari potestate) zu wählen, und daß zu diesem Amt auch Plebejer wählbar sein sollten, was jedoch meist durch die Intrigen der Patrizier verhindert wurde, und 367 wurde durch das Licinische Gesetz bestimmt, daß immer einer der Konsuln ein Plebejer sein müsse. Hierauf wurde, mit wenigen durch eine Verletzung des Gesetzes von seiten der Patrizier herbeigeführten Ausnahmen, immer die eine Stelle mit einem Patrizier, die andre mit einem Plebejer besetzt, bis in der Zeit nach dem zweiten Punischen Krieg der politische Unterschied zwischen Patriziern und Plebejern allmählich aufhörte und damit das Gesetz in Vergessenheit geriet. Die Wahl geschah in der republikanischen Zeit immer durch die Centuriatkomitien unter dem Vorsitz eines der Konsuln, in der Kaiserzeit durch den Senat, selbstverständlich aber nach dem Willen der Kaiser. Der Termin des Amtsantritts war lange Zeit ein wechselnder; 153 v. Chr. wurde er auf 1. Jan. festgesetzt. Die Ehrenzeichen bestanden in einem elfenbeinernen Stuhl, der Sella curulis, und in einer mit Purpur verbrämten Toga, der Toga praetexta, welche beiden jedoch die Konsuln mit den übrigen höchsten Obrigkeiten teilten, und in den zwölf Liktoren mit Rutenbündeln (fasces), welche ihnen bei jedem öffentlichen Erscheinen voranschritten. - Über die Erneuerung der Würde in Frankreich s. Konsulat.

Konsul (lat.), der von einem Staat zur Wahrung der Interessen seiner Angehörigen und seines Handels insbesondere in einem fremden Land und an einem fremden Handelsplatz bestellte Beamte. Der K. und die Behörde, welche er repräsentiert (das Konsulat), haben vorwiegend, aber nicht ausschließlich den Charakter einer handelspolitischen Magistratur. Von den Gesandten unterscheiden sich die Konsuln durch ihre mehr beamtliche als diplomatische Stellung und namentlich dadurch, daß der Gesandte der auswärtigen Staatsregierung gegenüber mehr die Interessen seines heimischen Staats zu vertreten, während der K. mehr die Interessen der Angehörigen seines Staats im Ausland wahrzunehmen hat. Das Konsulatswesen entwickelte sich zuerst namentlich in den Mittelmeergebieten und zwar dadurch, daß dort die Vorsteher von Handelsfaktoreien von ihren Landsleuten zur Schlichtung von Streitigkeiten und zur Wahrung sonstiger Interessen vielfach in Anspruch genommen wurden. Man bestellte sodann in der Folgezeit derartige Vertreter der Handelsinteressen von Staatsangehörigen im Ausland von Staats wegen, und regelmäßig wurden hiermit Kaufleute betraut. Erst in unserm Jahrhundert ist man nach dem Vorgang Frankreichs dazu übergegangen, berufsmäßige Vertreter der Handelsinteressen (Berufskonsuln) anzustellen. Das deutsche Konsulatswesen blieb dabei hinter England, Frankreich und Nordamerika erheblich zurück. Die Zersplitterung Deutschlands äußerte sich auf diesem Gebiet in der empfindlichsten Weise. Die Hansestädte, welche zwar ein erhebliches Interesse daran hatten, im Ausland gut vertreten zu sein, besaßen nicht die nötigen Mittel, um ein Konsularwesen nach französischem Muster einzurichten, und Preußen zeigte fast nur für die Auswahl von Männern Interesse, welche in der Levante die preußischen Handelsbeziehungen vertraten; für die geschäftsmäßige Tüchtigkeit der konsularischen Vertreter wurde nur wenig gesorgt. Erst mit der Gründung des Norddeutschen Bundes trat in dieser Hinsicht ein vollständiger Umschwung ein, und die