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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Konsul

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Konsul (das deutsche Konsularwesen).

Ausbildung des deutschen Konsulatswesens ist nicht die kleinste Errungenschaft der neuen Reichseinheit.

[Organisation des Konsulatswesens.] Die Konsuln haben keinen diplomatischen Charakter und nicht die Vorrechte der Gesandten. Man unterscheidet zwei Arten: Handelskonsuln (Wahlkonsuln, Konsuln im Ehrenamt, Consules electi), meist Kaufleute, die häufig dem Staat, in welchem sie residieren, als Unterthanen angehören, und Fachkonsuln (Berufskonsuln, Consules missi), wirkliche Beamte desjenigen Staats, welcher sie aussendet. Letztere sind zu ihrem Beruf besonders ausgebildet und vorbereitet, auch durch eine ausreichende Besoldung der Notwendigkeit eines andern Gewerbebetriebs überhoben, während die Handelskonsuln nur gelegentlich gewisse Gebühren beziehen. Dem Rang nach unterscheidet man Generalkonsuln, denen die Oberleitung der zu einem größern Bezirk gehörigen Konsulate und Vizekonsulate zusteht, Konsuln an wichtigen Handelsplätzen, Vizekonsuln an minder wichtigen Plätzen, aber den Konsuln im Range gleichstehend, und Konsularagenten, Privatbevollmächtigte der Konsuln, zu deren Ernennung die absendende Regierung ihre Zustimmung gegeben hat, ohne daß ihnen eine selbständige Ausübung der konsularischen Rechte zukommt. Zur Leitung der Büreaugeschäfte ist einem Generalkonsul oder einem wichtigern Konsulat zuweilen ein Kanzler beigeordnet; auch ist dem K. das nötige Hilfspersonal an Sekretären, Dolmetschen etc. beigegeben. Die Berufskonsuln müssen entweder juristische Bildung besitzen, oder eine Staatsprüfung (deutsches Prüfungsreglement vom 28. Febr. 1873) bestanden haben. Das deutsche Konsularwesen ist durch das nunmehrige Reichsgesetz vom 8. Nov. 1867 geordnet, nachdem schon die Verfassung des Norddeutschen Bundes die nachmals in die Reichsverfassung (Art. 56) übergegangene Bestimmung getroffen hatte, daß das gesamte Konsulatswesen unter der Aufsicht des Bundespräsidiums (des Kaisers) stehe, welcher die Reichskonsuln nach Vernehmung des Ausschusses des Bundesrats für Handel und Verkehr anstellt. Neue Landeskonsulate sollten nicht mehr errichtet werden; auch sind inzwischen die deutschen Landeskonsulate im Ausland beseitigt und nur noch Reichskonsulate dortselbst vorhanden. Dagegen haben die Einzelstaaten noch das Recht, Konsuln fremder Staaten bei sich zuzulassen. Innerhalb des fremden Staats kann der K. nämlich eine amtliche Thätigkeit erst nach Erteilung des Exequatur (in der Türkei Berat genannt), d. h. nach offizieller Zulassung durch die Staatsregierung und nach Anfertigung und Aushändigung einer hierauf bezüglichen Urkunde, beginnen. In manchen Ländern üben die Konsulate (Jurisdiktionskonsulate) über die Angehörigen ihres heimischen Staats auch eine besondere Gerichtsbarkeit (Konsulargerichtsbarkeit, Konsularjurisdiktion) aus. Dies geschah zuerst in der Türkei, woselbst den Konsuln christlicher Staaten durch besondere Verträge, welche Kapitulationen genannt wurden, eine Gerichtsbarkeit eingeräumt ward. Für das deutsche Konsulatswesen ist die Konsulargerichtsbarkeit durch Reichsgesetz vom 10. Juli 1879 geordnet. Neben verschiedenen Verordnungen und Spezialgesetzen, insbesondere dem Gesetz über das Gebührenwesen bei den deutschen Konsulaten vom 1. Juli 1872, sind ferner die hierauf bezüglichen Staatsverträge (Konsularverträge) von Wichtigkeit. Ein vollständiges gegenseitiges Konsularkartell besteht mit Österreich-Ungarn gemäß den Bestimmungen des Handelsvertrags vom 23. Mai 1881.

[Amtsgeschäfte der deutschen Konsuln.] Nach dem deutschen Konsulatsgesetz sind die Reichskonsuln berufen, das Interesse des Reichs, namentlich in Bezug auf Handel, Verkehr und Schiffahrt, thunlichst zu schützen und zu fördern, die Beobachtung der Staatsverträge zu überwachen und den Angehörigen der Bundesstaaten sowie andrer befreundeter Staaten in deren Angelegenheiten Rat und Beistand zu erteilen. Die Konsuln, welche dem Reichskanzler und den im Land ihrer Residenz bestehenden Reichsgesandtschaften unterstellt sind, haben im einzelnen namentlich folgende Funktionen auszuüben:

1) Der K. hat über die in seinem Amtsbezirk wohnhaften und zu diesem Zweck bei ihm angemeldeten Deutschen eine Matrikel zu führen. Der Eintrag in dieselbe wendet den Verlust der Staats- und Reichsangehörigkeit ab, welcher außerdem nach dem Reichsgesetz vom 1. Juni 1870 infolge eines zehnjährigen Aufenthalts im Ausland eintritt.

2) Die Konsuln sind Polizei-, insbesondere Schifffahrtspolizeibehörden. Sie haben das Recht, Pässe auszustellen und die von ausländischen Behörden für Reisen in das deutsche Reichsgebiet ausgestellten Pässe zu visieren. Solange deutsche Handelsschiffe sich in ihrem Amtsbezirk befinden, üben die Konsuln über diese die Polizeigewalt aus; sie sorgen für die Wiederergreifung desertierter Mannschaften, überwachen die Beobachtung der hinsichtlich der Führung der Reichsflagge bestehenden Vorschriften und sind als Seemannsämter mit der An- und Abmusterung der Schiffsleute befaßt, indem ihnen auch im übrigen die Funktionen der Seemannsämter, z. B. die Aufnahme von Verklarungen, die Mitwirkung bei der Aufmachung der Dispache in den Fällen der großen Havarie und bei der Eingehung von Bodmereigeschäften, zustehen. Schiffsleute, welche auf See oder im Ausland ein Verbrechen begingen, haben sie der inländischen Strafgerichtsbarkeit zu überliefern.

3) Die Konsuln haben Deutsche, welche im Ausland hilfsbedürftig wurden, zu unterstützen, nötigen Falls für ihre Rückbeförderung in die Heimat zu sorgen. Doch soll nur in Fällen wirklicher und unverschuldeter Not Unterstützung gegeben und der Betrag derselben von etwanigen alimentationspflichtigen Verwandten bald wieder beigezogen werden.

4) Die Konsulate sind Standesämter, doch ist hierzu ein besonderer Auftrag des Reichskanzlers erforderlich. Sie haben das Recht der Beurkundung des Personenstandes und der Vornahme von Eheschließungen von Reichsangehörigen im Ausland. Von den Beurkundungen der Geburts- und Sterbefälle auf See haben sie Abschriften entgegenzunehmen.

5) Der K. ist Organ der freiwilligen Gerichtsbarkeit und Notariatsbeamter. Die Konsuln können Urkunden mit der Beweiskraft öffentlicher Urkunden ausfertigen und beglaubigen, auch Urkunden fremder Behörden legalisieren und Notariatsakte aufnehmen. Sie fungieren als Nachlaßbeamte in Ansehung der Hinterlassenschaft von Reichsangehörigen, welche in ihrem Bezirk versterben.

6) Der K. ist Hilfsorgan der Justizbehörden; er kann Zustellungen bewirken, kraft besonderer Ermächtigung des Reichskanzlers Zeugen verhören und Eide abnehmen und mit Genehmigung des Aufenthaltsstaats Zwangsvollstreckungen vornehmen. Die Konsuln haben Vergleiche zu vermitteln und auf Anrufen als Schiedsrichter zu fungieren.

7) Konsulargerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten wie in Strafsachen kann ein K. nur mit besonderer Ermächtigung des Reichskanzlers