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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kosaken

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Kosaken (Ethnographisches etc.; Geschichtliches).

erst in der zweiten Hälfte des 14. Jahrh. auftretenden K. historisch sowenig nachweisen, als man über den Ursprung der K. selbst im klaren ist. Mit Sicherheit läßt sich nur angeben, daß Menschen energischen und kühnen Charakters, denen aus verschiedenen Gründen die Heimat zu eng wurde, sich in der bis dahin gänzlich unbewohnten Wildnis zwischen der Südgrenze der slawischen und der Nordgrenze der tatarischen Besitzungen ansiedelten. Gerade dieser Anfang hat dem Kosakentum die ihm eigne Signatur aufgedrückt. Unterhalb der Stromschnellen des Dnjepr ließen sich vorzugsweise Kleinrussen nieder, während am Don zuerst K. großrussischen Stammes erschienen. So bildeten sich die beiden Hauptabteilungen der Ukrainischen oder kleinrussischen und der Donischen K. Besonders günstig für die Ausbreitung des Kosakentums war das 17. Jahrh. Die 1592 erfolgte Aufhebung der Freizügigkeit der Bauern veranlaßte viele, sich unter den K. niederzulassen. Das Erlöschen des Moskauer Zarengeschlechts aus dem Haus Rurik und die damit verbundenen Unruhen sowie die vom Patriarchen Nikon vollzogene Reinigung der Kirchenbücher führten dann den K. Massen neuer Unzufriedener zu.

Die K. sprechen größtenteils den großrussischen Dialekt, nur von den Tschernomorischen K. wird der kleinrussische gesprochen. Gegenwärtig bilden die K. einen wichtigen Teil des russischen Heers. Die verschiedenen Abteilungen (Donische, Kubanische, Tereksche, Astrachanische, Orenburgische, Uralische, Sibirische, Semiretschinskische, Transbaikalische, Amurische) haben eine Friedensstärke von 51,946 Mann mit 94 Geschützen und 38,707 Pferden und eine Kriegsstärke von 145,325 Mann mit 212 Geschützen und 138,036 Pferden. Die 51,946 Mann der Friedensstärke verteilen sich auf 44½ Regimenter, 257 Sotnien zu Pferd, 20 Sotnien zu Fuß und 20 Batterien mit 1984 Offizieren und 49,962 Mannschaften, worunter 4629 Nichtkombattanten; die 145,325 der Kriegsstärke auf 132½ Regimenter, 800 Sotnien zu Pferd, 60 Sotnien zu Fuß und 34 Batterien mit 3356 Offizieren und 141,969 Mannschaften, worunter 13,422 Nichtkombattanten. Jeder Kosak ist militärpflichtig. Die Dienstzeit ist nicht in allen Stämmen gleich, dauert jedoch nicht über 25 Jahre. Bei den Donischen K. wird dieselbe in drei Klassen geteilt. Die erste, die vorbereitende, dauert 3 Jahre; in diese tritt jeder Kosak mit dem erreichten 18. Lebensjahr. Im ersten Jahr muß er sich equipieren, in den beiden andern militärischen Übungen obliegen. Darauf werden die jungen K. in die Regimenter verteilt und treten hiermit in die zweite Dienstperiode ein, die 12 Jahre dauert, und nach welcher sie der Reserve zugezählt werden. Bei den Terekschen und Kubanischen K. muß jede Staniza (Kosakendorf) einen gewissen Prozentsatz jährlich an Rekruten stellen. Alle K. sind in drei Kategorien geteilt, von denen in Friedenszeiten sich die erste, d. h. ein Drittel aller K., im aktiven Dienst in den Regimentern befindet, während die beiden andern sich in den Stanizen aufhalten. Während der Dienstzeit erhalten die K. von der Regierung Gehalt, Menage und Furage; dagegen müssen sie Waffen, Uniformierung, Pferde und Sattelzeug selbst anschaffen. Die Bewaffnung besteht aus Pike, Kosakenbüchse, Kosakensäbel und der Nogaika, einer kurzen Lederpeitsche, an deren Ende gewöhnlich eine Bleikugel eingenäht wird. Die Offiziere ergänzen sich fast ausschließlich aus dem Kosakenadel, stehen aber, was Ausbildung betrifft, den regulären Offizieren weit nach. Der erste Rang, der nach abgelegtem Examen (es bestehen mehrere Schulen für die Ausbildung von Kosakenoffizieren) erlangt wird, ist der Chorúndshy (Sekondeleutnant); dann folgen Ssótnik (Premierleutnant), Issaúl (Rittmeister oder Hauptmann) und Woisskowói Starschiná (Heeresältester, s. v. w. Major); die höhern Rangstufen sind dieselben wie im regulären Militär. Der Oberbefehlshaber heißt Ataman, doch kommt dieser Titel jedem, der irgendwo den höchsten Posten einnimmt, zu, z. B. Ataman der Staniza, Ataman des Stammes etc. Jeder Kosak hat das Anrecht auf einen Landteil von durchschnittlich 30 Deßjätinen (gegen 27 Hektar), der ihm erblich verbleibt, und die Ausnutzung der Gemeindeweiden. Durch die schon seit vielen Menschenaltern immer fortgeerbte besondere Lebensweise hat sich beim Kosaken ein ganz besonderer Typus gebildet. Von Jugend auf gewöhnt, mit Waffe und Pferd umzugehen, dabei mit außergewöhnlicher Schärfe des Gesichts und Gehörs begabt, ist er wie geschaffen zum Vorpostendienst sowie zum Krieg mit den asiatischen Völkern. Weder Luxus noch Bequemlichkeit kennend, hält er die größten Strapazen aus. Seinen russischen Gott und Kaiser im Herzen, ist er das blinde Werkzeug seiner Führer. Seine Wachsamkeit ist zum Sprichwort geworden. Außerdem sind Gutmütigkeit, sorgloser, heiterer Sinn und äußerste Gemütsruhe dem Kosaken eigentümlich, während ihm der Trieb zu einer regelmäßigen Thätigkeit völlig abgeht. Die K. besitzen einen reichen Schatz von Heldengesängen, Liedern und Legenden; ihre sich meist in Molltönen bewegenden Gesänge haben viel Melodie. Die nachfolgende, Schnitzlers 1862 erschienenem Werk "L'empire des Tsars" entnommene Ausstellung, welche sämtliche K. auf 1,681,633 Seelen berechnet, bedarf zwar einer Erhöhung der Ziffern, gibt aber doch eine anschauliche vergleichende Übersicht des numerischen Bestandes der K. in den verschiedenen russischen Landesteilen:

^[Liste]

Don 793758 Ural 67002

Kuban 156745 Sibirien 73432

Terek 254415 Transbaikalien 100839

Wolga 16446 Irkutsk 8568

Asow 9405 Jenisseisk 7514

Donau 11766 Tobolsk 6084

Orenburg 175659

^[Leerzeile]

Die Truppe zu Tobolsk besteht heute nicht mehr, dafür sind am Amur mehrere Posten errichtet.

Geschichtliches.

Die Amur-K. wurden 1859 aus einem Teil der Sabaikal-K. (s. unten), aus regulären Soldaten und am Amur angesiedelten Bauern organisiert. Sie stellen im Krieg 6 Sotnien zu Pferd und 6 Sotnien zu Fuß, im ganzen 2160 Mann mit 1103 Pferden, im Frieden je 2 Sotnien zu Fuß und zu Pferd, mit 685 Mann und 353 Pferden, welche hauptsächlich den Wachtdienst an der chinesischen Grenze versehen. Die Asowschen K. am Asowschen Meer wurden 1865 als Kosakenkorporation ganz aufgelöst und mit den Donischen vereinigt. Die Astrachanischen K. werden 1691 zum erstenmal erwähnt; sie gingen zum größten Teil aus Altgläubigen hervor, die vom Don gegen die Wolga vordrangen. Im J. 1730 siedelte man zum Schutz gegen die räuberischen Kalmücken 1000 Kosakenfamilien vom Don an die Wolga über, die ihr Land in den Gouvernements Astrachan und Saratow erhielten. Sie stellen im Frieden 1 Reiterregiment zu 692, im Krieg 2 Reiterregimenter zu 1338 Mann.

Die Donischen K. existierten schon im 15. Jahrh., doch ist über ihre Entstehung nichts Sicheres bekannt. Das offizielle Datum ihres Ursprungs wird durch