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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Krakau

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Krakau (Geschichte).

eine kaiserliche Akademie der Wissenschaften (seit 1872), eine theologische Lehranstalt mit geistlichem Seminar, 3 Obergymnasien, eine Oberrealschule, eine Kunstschule, eine gewerblich-technische Akademie, eine Lehrer- und Lehrerinnenbildungsanstalt, eine städtische Gewerbe-, eine Handelsschule u. a. Auch hat K. einen Musikverein, eine Landwirtschaftsgesellschaft (mit Schule in dem nahen Dorf Czernichow), einen Forstwissenschaftlichen Verein, eine Gesellschaft der Musikfreunde, ein National- und ein Gewerbemuseum und ein Nationaltheater. An Wohlthätigkeitsanstalten besitzt K. das Hospital zu St. Lazarus mit Findelhaus, das von dem Fürsten Lubomirski gegründete ophthalmologische Institut, ein Spital zum Heiligen Geist mit Irrenanstalt, ein Krankenhaus der Barmherzigen Brüder, ein israelitisches Spital, ein Militärspital, 3 Waisenhäuser etc. Unter den milden Stiftungen verdienen noch erwähnt zu werden: eine aus zwei Stiftungen entstandene Anstalt, wo arme Schüler freie Wohnung und Heizung erhalten, und das Pfandleihhaus (Mons pietatis, seit 1584), mit dem die sogen. Erzbrüderschaft der Barmherzigkeit verbunden ist. K. ist Sitz des Oberlandesgerichts für Westgalizien, einer Bezirkshauptmannschaft, eines Landesgerichts, einer Polizeidirektion, einer Finanzbezirksdirektion, eines Hauptzollamtes, einer Berghauptmannschaft, eines römisch-katholischen Bistums, des Kommandos des 1. Korps und einer Handels- und Gewerbekammer. Außer den die ganze Stadt umgebenden Promenaden zeichnen sich als besuchte Erholungsorte aus: der botanische Garten, der Garten der Schützengesellschaft mit dem 1883 errichteten Denkmal Sobieskis und der sogen. Krakauer Park. Beliebte Punkte der Umgebung sind: der 2 km von der Stadt entfernte St. Bronislawaberg, auf dessen Gipfel 1820-23 dem polnischen Helden Kosciuszko ein Denkmal errichtet wurde, ein künstlich erhöhter Erdhügel, zu welchem man Erdreich von fast allen den Orten, wo Kosciuszko focht, siegte und erlag, herbeigeschafft hat; der Krokushügel, welcher besonders zahlreich am dritten Ostertag besucht wird; das zunächst dem Kosciuszkohügel gelegene anmutige Dorf Wola mit einem englischen Garten und das Dorf Lobzow, wo sich ein von Kasimir d. Gr. erbautes, aus den Ruinen größtenteils hergestelltes Palais nebst einem Garten mit dem angeblichen Grabhügel der Jüdin Esther (der Geliebten jenes Königs) befindet. Nach W. zu erhebt sich der hohe, dicht bewaldete Berg Bielany, auf dessen oberster Fläche ein Kamaldulenserkloster sich befindet. 3,7 km davon liegt das wegen seiner schönen Lage vielbesungene Dorf Mnikow in der sogen. Krakauer Schweiz.

[Geschichte.] Die Geschichte Krakaus (Cracovia, nach einigen das Carodunum des Ptolemäos) knüpft sich an die ältesten polnischen Sagen. Auf dem Berg Wawel gründete Krok (Krokus), der Stammvater des ältesten, in der Sage berühmten slawischen Fürstengeschlechts, um 700 seine Burg, zu deren Füßen die nach ihm benannte Stadt K. entstand. Dieselbe ward früh der Sitz eines Erzbistums, das aber 1060 in ein Bistum verwandelt und unter den Erzbischof von Gnesen gestellt wurde. Die Diözese des Bischofs erstreckte sich über die Woiwodschaften K., Sandomir und Lublin; außerdem war der Bischof seit 1443 zugleich souveräner Herr von Sewerien, dem Landstrich zwischen der Woiwodschaft K. und Schlesien. Den lebhaften Verkehr Krakaus mit Deutschland und die Ansiedelung von Deutschen beweist die Annahme des Magdeburger Stadtrechts 1257. Wenige Jahre zuvor (1241) war die Stadt von den Tataren erobert und größtenteils zerstört worden; dasselbe geschah noch zweimal, 1260 und 1281. Im J. 1291 kam K. an Böhmen. Diesem entriß es der König von Polen, Wladislaw Lokietek, wieder, erhob K. zur Residenz und ließ sich 1320 daselbst krönen. Von dieser Zeit an blieb es die Krönungs- und Begräbnisstadt der Könige von Polen (bis 1764). Dagegen verlegte Siegmund III. (1587-1632) die Residenz von K. nach Warschau, wo sie seitdem verblieb. 1525 belehnte König Siegmund I. in K. Albrecht von Brandenburg mit dem Herzogtum Preußen. Nach der Zeit der Reformation entstanden bürgerliche Unruhen zwischen Katholiken und Protestanten (seit 1591), und 1606 stürmten die erstern die protestantische Kirche. 1655 wurde die Stadt nach fünfwöchentlicher Belagerung von den Schweden erobert. Bei einer zweiten Eroberung durch die Schweden (1702) ging das königliche Schloß in Flammen auf. Nachdem hier 1768 die bekannte Krakauer Konföderation abgeschlossen worden war, wurden die Konföderierten daselbst von den Russen belagert und die Stadt mit Sturm genommen. Die Krakauer Akte vom 24. März 1794 wurde für Polen das Signal zur allgemeinen Erhebung. Von K. aus rückte Kosciuszko zu seinen ersten glücklichen Schlachten aus; mit ihm unterlag auch die Stadt und wurde bei der dritten Teilung des Reichs von 1795 an Österreich gegeben, welchem schon früher die Vorstadt Kasimierz zugefallen war. 1809 durch den Fürsten Poniatowski wiedergewonnen, bildete K. bis zum Sturz Napoleons I. einen Teil des Großherzogtums Warschau. Seiner Lage verdankte es K., daß es auf dem Wiener Kongreß (1815) unter dem Schutz von Österreich, Rußland und Preußen ein selbständiges Dasein erhielt. In dem neuen Freistaat K. waren die letzten Reste polnischer Unabhängigkeit enthalten; doch war der Umfang der Republik (1100 qkm oder 22 QM.) zu beschränkt, als daß die ihm zugestandene Souveränität mehr als eine bloß nominelle hätte sein können. Als im Dezember 1830 die Kunde vom Ausbruch des polnischen Aufstandes nach K. gelangte, schloß sich ein Teil der Bevölkerung der Bewegung an. Da sich bei dem traurigen Ausgang des polnischen Befreiungskampfes zahlreiche Flüchtlinge von Rozyckis Korps auf das Gebiet des Freistaats gerettet hatten, gab dies dem russischen General Rüdiger Anlaß, K. militärisch zu besetzen, um den Freistaat von allen revolutionären Elementen zu säubern. Darauf erschien im März 1833 eine Kommission von drei von den Schutzmächten ernannten Mitgliedern, welche aus der Verfassung alles entfernte, was der revolutionären Richtung des Volksgeistes irgend Nahrung geben konnte. Der Präsident konnte seitdem nur mit Zustimmung der Schutzmächte erwählt werden. Die Versammlungen der Volksvertreter, überwacht von den Residenten der Schutzmächte, fanden alle drei Jahre statt; Gegenstand der Beratung war ausschließlich das Budget. Die Miliz wurde einem österreichischen Major untergeordnet. Gleichwohl fand eine Menge polnischer Flüchtlinge in K. eine Freistätte. Als nun 1836 der Aufforderung der Schutzmächte an den Senat, dieselben auszuweisen, nicht Folge geleistet wurde, rückten im Februar 1836 österreichische, russische und preußische Truppen in K. ein. Darauf wurde die Verfassung einer abermaligen Durchsicht unterworfen und die Gewalt der Schutzmächte und ihrer Bevollmächtigten bedeutend vergrößert. Erst im Herbst 1837 wurde auch die österreichische Besatzung von K. zurückgezo-^[folgende Seite]