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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Krasicki; Krasinski

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Krasicki - Krasinski.

Krasicki (spr. -ssítzki), Ignaz, Graf, berühmter poln. Dichter und Schriftsteller, geb. 3. Febr. 1735 zu Dubiecko, besuchte die Schule in Lemberg, widmete sich dem geistlichen Stand und studierte 1760-1761 in Rom, wo ihn jedoch die theologischen Studien weniger anzogen als die Erinnerungen und Denkmäler des Altertums. Nach Polen zurückgekehrt, wurde er zum Ehrendomherrn ernannt und erlangte die Freundschaft des jungen Grafen Stanislaus Poniatowski, bei dessen Königskrönung er die Festpredigt hielt. 1766 wurde er zum Fürstbischof von Ermeland ernannt und hielt sich nun abwechselnd in der fürstbischöflichen Residenz Heilsberg und in Warschau auf, wo er die litterarischen Zeitschriften mit Satiren und Fabeln versah und sich als freigebigen Förderer der Kunst und Wissenschaft erwies. Infolge der ersten Teilung Polens preußischer Unterthan, hielt er sich nunmehr vielfach in Sanssouci auf, wo ihm Friedrich d. Gr. die einst von Voltaire bewohnten Gemächer anweisen ließ. Er wurde 1795 Erzbischof von Gnesen und starb 14. März 1801 in Berlin. Seine "Fabeln" und "Satiren" zeichnen sich durch ungezwungenen Humor und vollendete Form aus. Auch in seinen übrigen Schöpfungen überwiegt die satirische Tendenz. Das heroisch-komische Gedicht "Myszeis" (1775; deutsch: "Die Mäuseade", Warsch. 1790; franz.: "La souriade", von Lavoisier, Wilna 1817) behandelt das Märchen von König Popiel, den die Mäuse gefressen haben sollen, und enthält geistreiche Anspielungen auf die gleichzeitigen politischen Zustände. Die "Monachomachia" ("Der Krieg der Mönche", 1775; deutsch von Winklewski, Berl. 1870) geißelt die Trägheit, Unwissenheit und Trunksucht gewisser Mönchsorden. In der "Antimonachomachia" (1780) werden unter dem Schein, die in kirchlichen Kreisen durch die "Monachomachia" hervorgerufene Aufregung zu besänftigen, die Angriffe in verstärktem Maß wiederholt. Sein ernstes Epos "Wojna Chocimska" ("Der Krieg um Chotin") ist eine nach den pseudoklassischen Regeln Boileaus gereimte, aber wahrer dichterischer Begeisterung bare Erzählung des betreffenden Türkenkriegs. Unter den zahlreichen prosaischen Werken Krasickis verdienen hervorgehoben zu werden: "Die Abenteuer Doswiadczynskis" (1775; deutsch, Warsch. 1776), eine gelungene Nachahmung der moralisierenden Erzählungen Marmontels. Im "Pan Podstoli" (1778 ff.; deutsch von Migula: "Der Herr Untertruchseß", Warsch. 1779) wird das Ideal eines Familienvaters und Staatsbürgers und die Lichtseite despotischen Nationalcharakters mit großer Wärme geschildert. Krasickis Werke erschienen zuerst, gesammelt von Dmochowski, Warschau 1803-1804, 10 Bde.; eine vervollständigte Ausgabe in 18 Bdn. daselbst 1829-32; neuere Ausgaben: Berlin 1845, 10 Bde., und Warschau 1878. Eine ausführliche Biographie Krasickis erschien unter dem Titel: "K., zycie i dziela" (Warsch. 1880).

Krasinski, 1) Valerian, Graf, poln. historischer und politischer Schriftsteller, geb. 1780 in der ehemals polnischen Provinz Weißrußland, trat in polnischen Staatsdienst und ward Sektionschef im Ministerium des öffentlichen Unterrichts, in welcher Stellung er sich namentlich um Verbreitung guter Volksbücher verdient machte. Beim Ausbruch der polnischen Revolution 1830 nach England gesandt, um dort im Interesse Polens zu wirken, blieb er daselbst und ließ sich 1850 in Edinburg nieder, wo er 22. Dez. 1855 starb. Von seinen zahlreichen Schriften sind zu nennen: "Rise, progress and decline of the reformation in Poland" (Lond. 1839-40, 2 Bde.; deutsch von Lindau, Leipz. 1841); "Sketch of the religious history of the Slavonic nations" (2. Aufl., Lond. 1851).

2) Sigismund, Graf, neben Mickiewicz und Slowacki der bedeutendste Dichter der neuesten polnischen Litteraturepoche, geb. 19. Febr. 1812 zu Paris als Sohn des Generals Grafen Vinzenz K. (gest. 1858), erhielt im väterlichen Haus, welches der Sammelpunkt aller politischen und litterarischen Berühmtheiten Warschaus war, unter der Leitung des namhaften Schriftstellers Korzeniowski eine sorgfältige Erziehung und vielfache geistige Anregung. Schon in seinem 14. Lebensjahr schrieb er zwei historische Romane nach dem Muster Walter Scotts. 1828 trat er in das Lyceum zu Warschau, welches sich damals unter der Leitung des gelehrten Linde einer großen Blüte erfreute, studierte dann an der Universität Jurisprudenz, wurde jedoch durch die Anfeindungen, welchen sein Vater als Anhänger der russischen Regierung in dem Hochverratsprozeß von 1825 ausgesetzt war, bewogen, seine Studien zu unterbrechen und eine längere Reise nach Italien und der Schweiz zu unternehmen. Durch die in Genf angeknüpfte Bekanntschaft mit Mickiewicz wurde er zu dichterischem Schaffen angeregt; allein da er sich durch die unpatriotische Stellung, welche sein Vater während des Freiheitskriegs (1830-31) einnahm, vor einen schmerzlichen Zwiespalt zwischen seiner nationalen Gesinnung und seinen Sohnsgefühlen gestellt sah, vermochten sich seine bedeutenden lyrischen Anlagen nur in elegischer Richtung zu entwickeln. Von physischen Leiden fortwährend an die verschiedenen Heilbäder gefesselt und sowohl von der russischen Regierung als auch von seinen Landsleuten, von denen nur einzelne seine patriotische Gesinnung kannten, mit Mißtrauen beobachtet, starb K. 24. Febr. 1859 in Paris. Alle seine Dichtungen erschienen anonym, zuerst die poetische Erzählung "Agaj Han" (Bresl. 1833; deutsch von Brachvogel, Leipz. 1840), das Produkt einer fieberhaft erregten Phantasie; dann das 1833 in Rom geschriebene dramatische Gedicht "Nieboska Komedya" (Par. 1835; deutsch von Batornicki: "Ungöttliche Komödie", Leipz. 1841), ein originelles und tiefsinniges Werk, worin der Dichter die höchsten Fragen auf politischem und sozialem Gebiet zu lösen versucht; endlich die ebenfalls in Rom verfaßte halb epische, halb dramatische Dichtung "Irydion" (Par. 1836; deutsch, Leipz. 1881), des Dichters Hauptwerk, worin der Gegensatz zwischen dem verderbten Rom der Cäsaren und den Racheplänen des unterjochten Hellas mit glühenden Farben dargestellt wird. Diesen Poesien symbolisierenden Charakters schließen sich noch andre Prosadichtungen an: "Drei Gedanken Ligenzas" ("Trzy myśli", 1840); "Die Sommernacht" ("Noc letnia", Par. 1841; deutsch, Wien 1881) und "Die Versuchung" ("Pokusa"; deutsch von Stroka, Leipz. 1881). In "Przedswit" ("Dämmerung", 1840), einer Anzahl von Kanzonen, preist der Dichter die sittlichen Elemente der polnischen Geschichte und macht die politische Wiedergeburt seines Vaterlandes von der sittlichen abhängig. Auch die "Psalmy przyszlości" ("Die Psalmen der Zukunft", 1845 und Leipz. 1874) verherrlichen den Heroismus des Martyriums, riefen daher heftige Entgegnungen hervor, wurden als "lyrische Feigheit" gebrandmarkt und kosteten K. die Freundschaft Slowackis. Seine letzte Dichtung war die mystische "Glosse der heil. Therese" (1852). Seine Werke erschienen in Auswahl Leipzig 1863, 3 Bde., vervollständigt Lemberg 1875; seine Jugendschriften ("Utwory mlodziencze") Posen 1880, seine Briefe an Gaszyński Lemberg 1882.