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Landwirtschaftlicher Kredit.
Anzahl größerer Landwirte vorhanden ist. In andern bleibt den Landwirten lediglich der Kreditverkehr mit Bankiers oder Banken übrig, bei dem aber die vorerwähnte angemessene Befriedigung ihres Kreditbedürfnisses selten zu erreichen sein wird.
Für den landwirtschaftlichen Grund- (Immobiliar-) Kredit ist unbedingt erforderlich, daß der kreditwürdige Grundbesitzer nach seiner Wahl kündbare oder auf bestimmte Zeit unkündbare, oder unkündbare und amortisierbare, oder auch unkündbare, nicht amortisierbare Darlehen erhalten kann. Die Grundlage dieses Kredits ist der landwirtschaftliche Boden mit den darauf befindlichen Gebäuden. Da aber der Reinertrag von Grund und Boden im Durchschnitt keine höhere Verzinsung des Grundkapitals als 4-5 Proz. ermöglicht, darf auch dieser Kredit nicht teurer sein. Den Forderungen der Unkündbarkeit und Amortisation des Immobiliarkredits können nur Kreditanstalten genügen, welche selbst unkündbaren Kredit nehmen. Die Sparkassen sind deshalb nicht die richtigen Kreditorgane für diesen Kredit; sie können nicht unkündbaren Kredit geben und sind gerade in Krisen zur Kündigung ihrer Darlehen gezwungen. An sich können nach ihrer Organisation diesem Kredit 1) die allgemeinen Hypothekenbanken (s. Banken, S. 330) dienen. Aber diese Banken sind wegen der mühsamen Geschäftsführung wenig geneigt, bäuerliche Grundstücke zu beleihen, überdies sind sie Erwerbsgesellschaften, die als solche in erster Linie das Interesse der Aktionäre, nicht das der Kreditnehmer verfolgen. Dagegen sind hier besonders am Platz 2) eigne genossenschaftliche landwirtschaftliche Grundkreditanstalten, deren Wesen darin besteht, daß sich Besitzer der landwirtschaftlichen Güter eines größern Bezirks zur Befriedigung ihres Grundkreditbedürfnisses zu einer Realgenossenschaft vereinigen, die sich Geld durch Ausgabe von Pfandbriefen, für welche die Güter aller haften, leiht und den Mitgliedern nach Maßgabe ihrer Kreditwürdigkeit hypothekarische Darlehen der oben angegebenen Art gewährt. Sie haben vor den Hypothekenbanken die Vorteile, daß die ihr angehörenden Grundbesitzer ein Recht auf Kreditgewährung innerhalb der statutarisch zulässigen Beleihungsgrenze haben, daß sie alle Arten landwirtschaftlicher Güter umfassen können, und daß die Kreditgewährung billiger und besser erfolgen kann, weil die Verwaltungskosten geringer sind und für die Geschäftsführung nicht das Erwerbsinteresse von Aktionären, sondern nur das Interesse der kreditbedürftigen Grundbesitzer maßgebend ist. Zu diesen Kreditanstalten gehören die preußischen sogen. Landschaften, die aber ihren Geschäftskreis nicht auf alle landwirtschaftlichen Güter ihres Bezirks ausdehnen (s. Landschaften). In gleicher Weise wie solche Genossenschaften müssen als passende landwirtschaftliche Grundkreditanstalten bezeichnet werden 3) staatliche, resp. kommunale (provinzielle) Grundkreditanstalten, wie sie z. B. in Preußen für die Provinzen Hannover, Hessen-Kassel und Nassau schon seit längerer Zeit bestehen. Die drei Anstalten waren ursprünglich staatliche Ablösungskassen, um den zur Ablösung der Grundlasten Verpflichteten den nötigen Kredit zu gewähren. Sie erhielten später eine Erweiterung ihres Wirkungskreises, sie wurden berechtigt, aus den ihnen anvertrauten Ablösungsgeldern der Domanialbauern hypothekarische Darlehen zu geben (Hannover, Gesetz vom 14. Juni 1842; Hessen-Kassel, Gesetz vom 3. Juni 1832; Nassau, Gesetz vom 16. Febr. 1849). Im J. 1869 wurden sie durch drei Gesetze vom 25. Dez. 1869 in kommunale Anstalten der Provinz Hannover und der Kommunalverbände Hessen-Kassel und Nassau mit der Verpflichtung umgewandelt, gegen Verpfändung von Grundstücken Darlehen zu geben. Sie beschaffen sich die Mittel dazu durch Ausgabe von Schuldverschreibungen auf den Inhaber oder Namen. Ähnliche Kreditanstalten bestehen in Sachsen-Weimar, Meiningen, Altenburg, Gotha, Rudolstadt, Sondershausen, Oldenburg. Sie sind nicht rein landwirtschaftliche Kreditanstalten, sie beleihen auch städtische Grundstücke, einzelne (z. B. Altenburg) geben auch Darlehen im Personal- und Mobiliarkredit; aber sie dienen sämtlich auch dem bäuerlichen Grundbesitz, und sie geben auch kleine Darlehen. Bei der kommunalständischen Landeskreditkasse zu Kassel betrug der Durchschnittsbetrag der Darlehen seit 1869 zwischen 932 und 1443 Mk. - Aber diese Kreditanstalten, die genossenschaftlichen wie staatlichen oder kommunalen, können hypothekarische Darlehen nur innerhalb der Kreditwürdigkeit geben, sie müssen als ersten Grundsatz ihrer Geschäftsführung festhalten, daß das beliehene Grundstück für die Forderung volle Sicherheit gewährt. Und diese Sicherheit bietet das landwirtschaftliche Grundstück unbedingt nur bis zur Hälfte des thatsächlichen Ertragswerts, ausnahmsweise bis zwei Drittel desselben. Für eine hypothekarische Verschuldung darüber hinaus können sie nicht mehr in Frage kommen und ist überhaupt eine zweckmäßige Kreditorganisation nicht zu schaffen. Soll diese Verschuldung erfolgen, so können nur noch kündbare Darlehen von Privatgläubigern und zu höherm Zinsfuß, der schon eine Risikoprämie enthält, gegeben werden; aber gerade diese Darlehen sind eine stete und große Gefahr für den Grundbesitz. Eine derartige Verschuldung von Grundstücken ist eine Verschuldung und ein wirtschaftlich ungesunder Zustand. Dieser veränderliche, unsichere Wertteil der Grundstücke sollte gar nicht hypothekarisch belastet sein, sondern nur eine weitere Grundlage für den Personalkredit bilden. Eine solche Überschuldung ist freilich thatsächlich in großem Umfang vorhanden, die Hauptursachen derselben sind: Erbteilungen, bei welchen die Erbteile von Miterben eingetragen wurden, oder Gutsverkäufe, bei welchen zu niedrige Anzahlungen erfolgt sind und nun Restkaufgelder eingetragen werden. Hier unter Beibehaltung der Schulden, resp. der Verschuldungsfreiheit durch eine Kreditorganisation oder eine neue, von den bisherigen Grundsätzen völlig abweichende gesetzliche Regelung der hypothekarischen Belastung (Vorschläge von Rodbertus, Schäffle, Stein u. a.) Abhilfe zu schaffen und die Eigentümer vor der Gefahr des Besitzverlustes zu bewahren, ist ein unlösbares Problem. Zu den landwirtschaftlichen Bodenkreditanstalten gehören auch noch die Landeskulturrentenbanken, insofern sie zur Ausführung von Meliorationen und andern Maßregeln der Landeskultur hypothekarische Darlehen geben. S. darüber Landeskulturrentenbanken.
Vgl. v. d. Goltz in Schönbergs "Handbuch der politischen Ökonomie" (2. Aufl., Bd. 2, § 48 ff., Tübing. 1886); Berndt, Der Kredit für den ländlichen Grundbesitz (Berl. 1858); List, Der landwirtschaftliche Kredit (1867); Marchet, Der Kredit des Landwirts (Berl. 1878); Gamp, Der landwirtschaftliche Kredit und seine Befriedigung (das. 1883); R. Zeulmann, Die landwirtschaftlichen Kreditanstalten (Erlang. 1866); Knies, Geld und Kredit, Bd. 2 (das. 1876); v. Stengel, Bodenkredit und Bodenkreditanstalten (in Hirths "Annalen des Deutschen Reichs"