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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Lebenskraft; Lebenslinie; Lebensluft; Lebensmagnetismus; Lebensrad; Lebensverlängerung; Lebensversicherung

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Lebenskraft - Lebensversicherung.

noch viele Monate nach der Zerstörung des Lebensknotens.

Lebenskraft. Wie man in der Gegenwart noch nicht im stande ist, alle Lebensvorgänge durch die auch in der unbelebten Natur herrschenden chemischen und physikalischen Gesetze zu erklären (vgl. Leben), so war dies vor Jahrhunderten noch weit weniger möglich. Man sah sich deshalb nach andern Erklärungsgründen für die Erscheinungen der organischen Natur um, da man doch auch auf diesem Gebiet eine strenge Gesetzmäßigkeit nicht verkennen konnte. In frühern Jahrhunderten nahm man sogen. Lebensgeister (spiritus vitales s. animales) an, welche die Aufgabe haben sollten, die Verrichtungen des Lebens zu besorgen. Später wurde der wachsende Organismus für das Werk einer unbewußt bildenden Keimseele ausgegeben, welcher man einen eignen Bildungstrieb (nisus formativus, s. d.) zuschrieb. Als diese Erklärung nicht mehr Stich halten wollte, nahm man Lebenskräfte oder auch nur eine L. an. Autenrieth hielt die L. sogar für eine von der Materie ablösbare, selbständige Kraft. Letztere Ansicht bricht schon deshalb in sich zusammen, weil sie auf einer gänzlichen Verkennung des metaphysischen Wesens der Kraft beruht. Die neuere Physiologie hat den Begriff der L. als einer solchen, welche von den übrigen, auch in der unbelebten Natur herrschenden Kräften verschieden sei, ganz aufgegeben. Sie betrachtet das Leben nicht als Ursache, sondern als das Produkt eines Systems von Bedingungen und Mitteln, welche nach denselben mechanischen, physikalischen und chemischen Gesetzen wirken, die in der übrigen Natur gelten, so daß die eigentümliche Gesamtwirkung, wegen deren wir Belebtes von Unbelebtem unterscheiden, nicht von einer Verschiedenheit der Kräfte und Gesetze, sondern von einer Verschiedenheit der in den organischen Keimen dargebotenen Angriffspunkte für diese Kräfte abhängt. Diese Auffassung der Lebenserscheinungen nennt man die mechanische, im Gegensatz zu der früher herrschenden dynamischen. Sie macht den Versuch, die Gesetze des Lebens mit den sonst bekannten Naturgesetzen in Übereinstimmung zu bringen. Die mechanische Ansicht vom organischen Leben ist allerdings erst dann bewiesen, wenn alle Bewegungen im Organismus wirklich als Wirkungen der den Atomen auch sonst innewohnenden Kräfte nachgewiesen sind, was vorläufig noch nicht entfernt geschehen ist. Sie empfiehlt sich aber nicht bloß von vornherein durch ihre größere Wahrscheinlichkeit und Einfachheit, sondern sie wird auch durch den ganzen Entwickelungsgang fast zur Gewißheit erhoben. Dieser zeigt nämlich auf das unzweideutigste, daß ganz proportional der Vertiefung der Forschung die L. an Boden verloren hat. Vgl. Lotze, Über Leben und L., in Wagners "Handwörterbuch der Physiologie", Bd. 1 (Braunschw. 1842); Preyer, Erforschung des Lebens (Jena 1873).

Lebenslinie, s. Chiromantie.

Lebensluft, s. Sauerstoff.

Lebensmagnetismus, s. v. w. tierischer Magnetismus, s. Magnetische Kuren.

Lebensrad, s. Phänakistoskop.

Lebensverlängerung, s. Makrobiotik.

Lebensversicherung. Das ungewisse Ereignis, von dessen Eintritt oder Nichteintritt bei jeder Versicherung (s. Versicherungswesen) die Erfüllung des Vertrags abhängig sein muß, ist bei der L. der Tod des Menschen oder das Erleben eines bestimmten Alters. Man spricht auch wohl von der L. im weitern Sinn bei denjenigen Versicherungsarten, bei welchen diese Ungewißheit der individuellen Lebensdauer neben einem oder mehreren andern ungewissen Ereignissen mit in Frage kommt, wie bei der Invalidenpension, der Witwenversorgung; ja, man dehnt wohl gar, ohne zureichende Gründe, den Begriff der L. auf alle Versicherungen aus, welche die Integrität der menschlichen Gesundheit zum Gegenstand der Spekulation genommen haben, wie Krankenkassen (s. d.) u. a. - Von der eigentlichen L. hat man zwei Arten zu unterscheiden: 1) die Versicherung auf den Todesfall, 2) die Versicherung auf den Erlebensfall. Beide können entweder Kapitalversicherungen oder Rentenversicherungen sein, je nachdem die Auszahlung eines Kapitals oder einer Leibrente geleistet werden soll. Näheres über Rentenversicherung s. d. - Bei der Kapitalversicherung auf den Todesfall kommt die Versicherungssumme nach dem Tode der betreffenden Person zur Auszahlung, bei der Versicherung auf den Erlebensfall (Aussteuerversicherung), wenn der Versicherte nach Ablauf einer bestimmten Zeit noch lebt. Kapitalversicherungen auf den Todesfall, welche nur auf ein Jahr oder auf eine bestimmte Reihe von Jahren so abgeschlossen werden, daß die Versicherungssumme nur dann zahlbar wird, wenn der Tod innerhalb der Versicherungszeit erfolgt, nennt man kurze Versicherungen. Sie werden wenig benutzt, während die sogen. gemischten Kapitalversicherungen oder abgekürzten Lebensversicherungen, bei welchen die Versicherungssumme entweder nach Zurücklegung eines bestimmten Alters fällig wird oder durch den Tod, wenn der Versicherte vor der Erreichung dieses Alters stirbt, in neuerer Zeit mehr Anklang gefunden haben, weil damit oft der Zweck von Altersversorgungen oder Aussteuerbeschaffung verbunden wird. Auch auf zwei Personen zugleich kann sich die Kapitalversicherung erstrecken und zwar derart, daß ausbedungen wird, die Versicherungssumme fällig werden zu lassen entweder für die Eventualität, daß eine bestimmte Person eine bestimmte andre überlebt (Überlebungsversicherung), oder für den Todesfall der zuerst von zwei Versicherten sterbenden Person (Versicherung verbundener Leben, verbundene Überlebensversicherung). Die Kombinationen, welche über die Gewährung der Prämien und der Versicherungssumme durch die Police vereinbart werden können, sind sehr zahlreich, wie auch die Zwecke, die durch die Versicherung erfüllt werden sollen, sehr mannigfaltig sein können; doch bleibt die einfache Versicherung auf Lebenszeit mit fortlaufenden Prämien die vorherrschende. Die Leistung, welche den Versicherungsgesellschaften für die Kapitalversicherung zu gewähren ist, die Prämie, pflegt in pränumerando zu machenden Jahreszahlungen ausbedungen zu werden, für deren Entrichtung indes halb- oder vierteljährliche, auch monatliche Raten unter entsprechender Verzinsung der gestundeten Beträge zugestanden werden; es kann aber auch die Prämienzahlung durch eine beschränkte Anzahl entsprechend höherer Prämien oder eine einmal zu leistende Summe abgelöst werden, so daß damit die Versicherung eine für die Folge beitragsfreie wird. Oft wird bei der L. gegen Zahlung einer Zusatzprämie ausbedungen, daß am Ende der Versicherung die Prämien (natürlich ohne Zinsen) zurückgewährt werden (Gegenversicherung). Weiteres über Prämie s. unter Versicherungswesen.

Das Lebensversicherungsgeschäft wird nicht von einzelnen Unternehmern, sondern nur von Gesellschaften, von Gegenseitigkeits- und Aktienanstalten, betrieben. Die erstern verteilen die erzielten Über-^[folgende Seite]